Dreck für jeden Zweck
30. Mai 2019Staub, egal wo er entsteht, fällt in die Kategorie Dreck, wird normalerweise beseitigt und entsorgt. Nicht so bei der Firma DMT (ehemals Deutsche Montan Technologie) mit Sitz in Essen. Hier wird Staub hergestellt und weltweit verkauft. Allerdings nicht x-beliebiger Staub. Die DMT hat über 60 verschiedene Prüf- und Normstäube im Sortiment. Vom Standard-Hausstaub, mit dem beispielsweise Staubsaugerhersteller ihre neuen Geräte erproben, bis hin zum Banknotenstaub zum Testen von Gelddruckmaschinen.
Pro Jahr produzieren die Staub-Spezialisten aus dem Ruhrgebiet bis zu acht Tonnen ihrer "schmutzigen" Produkte. "Damit", sagt Chemie-Ingenieur Umalan Gogilan, Leiter der DMT-Prüfstaubentwicklung, "gehören wir auf diesem Nischenmarkt zu den Global Playern."
Knowhow aus dem Kohlebergbau
Das Staub-Knowhow der DMT stammt letztlich aus dem Steinkohlenbergbau. Dabei ging es um die Entwicklung von Filtern, um die Kumpel unter Tage vor Feinstaub zu schützen. Eine Kernkompetenz, die sich nach dem Ende des Bergbaus auch anderweitig auszahlt. Je nachdem, welche Art Staub die Kunden bestellen, kann ein Kilo rund 160 Euro kosten.
Zum Kundenkreis gehören nach den Worten von Umalan Gogilan die Filterindustrie, die Pharma-Industrie, Hersteller von Haushaltsgeräten und die Automobilindustrie. "Überall, wo man Staub findet, werden Filter verwendet. Auch um Umweltsimulationen durchzuführen, benötigt man verschiedene Stäube."
Synthetischer Hausstaub als Referenzprodukt
Weltweit gefragt ist der "DMT-Typ 8". Hinter dem Kürzel verbirgt sich der Standard-Haushaltsstaub, den die DMT nach der Analyse von zahllosen Staubsaugerbeutel-Inhalten entwickelt hat. "Wir setzen Baumwolle ein, um die Wollmäuse zu simulieren. Dann haben wir feine Fraktionen drin, die zum Beispiel Mehl oder Körner nachahmen. Einen Hauch Zellulose, die sehr fein ist und sehr feine Fasern hat, die gleichsetzbar sind mit ganz kurzen Haaren oder feinen Pollen."
Mit diesem synthetischen Hausstaub testen Hersteller ihre Staubsauger. Ob klassische Sauger mit Elektromotor, Akku-Sauger oder Handsauger - der Staub taugt für unterschiedliche Modelle mit unterschiedlichen Leistungen. "Bevor ich es vergesse: Saugroboter, ganz wichtig. Die sollen zu Hause ja auch funktionieren", ergänzt Umalan Gogilan.
Test-Dreck für Scheibenwischer
Gogilan und das 20köpfige Team gehen jedem Staub auf den Grund und liefern dann den passenden Prüfstaub. Zum Beispiel für die diversen Dichtigkeitsprüfungen führender Autohersteller wie Audi, BMW, Daimler und VW. Aber auch für Produkte von Autozulieferern. Etwa um Reiniger für Fußmatten in den Innenräumen von Fahrzeugen zu testen.
Oder: "Man sieht ja oft auf den Windschutzscheiben, wenn man mal im Regenwetter durchs Land gefahren ist, dass sich da Sande auf der Windschutzscheibe ablagern. Damit die Scheibenwischer auch ihre Leistung bringen, wird ein spezieller Normschmutz verwendet, für den wir die Trockenmischung herstellen." In der Automobilbranche, weiß Umalan Gogilan, arbeitet man außerdem an der Entwicklung von Filtern, die den feinen Bremsstaub direkt an den Bremsanlagen absaugen sollen.
Wunsch nach Hautschuppen wurde nicht erfüllt
Die DMT-Experten können jedoch nicht jeden Wunsch erfüllen. "Es kommt immer wieder vor, dass Privatpersonen bei uns anrufen und fragen, ob wir den Staubsauger testen können. Das machen wir nicht." Ebenfalls eine Absage erteilte man einem Kunden, der 20 Kilo Hautschuppen bestellen wollte.
Dass die Pharmaindustrie zu den Abnehmern von Prüfstäuben gehört, mag auf den ersten Blick verwundern. Doch bestimmte Stäube werden auch für die Herstellung von verschiedenen Cremes benötigt.
Weltweit erster Online-Shop
Damit Kunden sich einen Überblick über das verfügbare Angebot verschaffen können, hat die DMT den weltweiten ersten Online-Shop für Prüfstäube ins Netz gestellt. Hier können sich Unternehmen über die Eigenschaften der einzelnen Stäube informieren und diese auch direkt bestellen.
Zum Beispiel Aramco-Prüfstaub für Testverfahren bei Gasturbinen- und Dieselmotorfiltern. "Da wird ein ganz spezieller Prüfstaub eingesetzt, der zu einem gewissen Teil aus Quarz und Salz besteht. Salz aus dem Grund, weil man dann noch die korrosiven Eigenschaften testet, wenn man ein Meersalz in der Luft hat." Mit diesem Web-Shop, begründet Umalan Gogilan den Schritt ins Netz, könnten Anwender schneller den Staub finden, den sie für ihre speziellen Zwecke benötigen.
Geld stinkt nicht, aber es staubt
Pecunia non olet, behaupteten schon die alten Römer: Geld stinkt nicht. Doch Papiergeld ist keineswegs frei von Staub. Also haben die Experten der DMT eigens einen Banknotenstaub für Maschinen entwickelt, die in der Bundesdruckerei im Einsatz sind. "Wenn Sie jetzt vermuten, dass ich 500-Euro-Scheine klein gemacht und dann als Prüfstaub verkauft habe, dann liegen Sie falsch. Wir haben einen Prüfstaub entwickelt, der Baumwolle enthält, die auch in Geldscheinen verarbeitet wird. Und es ging bei dieser Entwicklung tatsächlich für Anlagenbauer, die spezielle Geräte entwickelt haben, um bei der Gelddruckerei die Stäube, die dort entstehen, aufzufangen, zu filtern. Hier hat also die Baumwolle eine übergeordnete Rolle gespielt." Mehr Details verrät Umalan Gogilan nicht.
Mit Prüfstaub aller Art verdient die DMT zwar Geld, aber man darf davon ausgehen, dass verdächtig anmutende Besteller dieses Banknotenstaubs mit einer Absage rechnen müssen.