Welche Rolle spielt "Black Lives Matter"?
2. November 2020Mit einer Kapuze über dem Kopf zieht Keturah Heron durch die Straße, die Faust in die Luft gestreckt. Auf der schwarzen Gesichtsmaske steht "Justice for Breonna Taylor", Gerichtigkeit für die 26 Jahre alte Rettungssanitäterin, die im März bei einer Hausdurchsuchung von der Polizei erschossen wurde.
Es ist kalt und windig in Louisville, Kentucky, an diesem Samstag im Oktober. Trotzdem sind einige Hundert Demonstranten zum Gedenkmarsch gekommen. "Say her name", rufen sie, "Breonna Taylor!" Der Schlachtruf der Black-Lives-Matter-Anhänger von Louisville.
Black Lives Matter gegen Donald Trump
Keturah Herron will Gerechtigkeit für Breonna Taylors Tod, aber um Gerechtigkeit allein geht es ihr längst nicht mehr. Nach Monaten der landesweiten Proteste gegen rassistische Polizeigewalt und mit Blick auf die Wahl hat die Black-Lives-Matter-Demonstration in Louisville auch eine politische Botschaft: Sie und viele andere Aktivisten wollen, dass Präsident Donald Trump aus dem Amt gewählt wird. Sie geben ihm die Verantwortung für eine immer größer werdende Spaltung des Landes.
Auf der Straße von Louisville sind sie sich einig: Donald Trump ist offen rassistisch, weigert sich Polizeigewalt gegen Schwarze zu verurteilen, lobt stattdessen bewaffnete rechte Milizen, die auf Black-Lives-Matter-Protesten "für Ordnung sorgen wollen" - etwa im August in Kenosha, Wisconsin, als ein 17-jähriger Trump-Anhänger zwei Demonstranten erschoss.
Trump nahm ihn wenig später in Schutz und sprach von "Selbstverteidigung" gegen "Linksradikale", die er immer wieder mit der Black-Lives-Matter-Bewegung in einen Topf wirft.
Hohe Wahlbeteiligung
Tatsächlich fällt Donald Trump seit einiger Zeit in den Umfragen immer weiter zurück. Ein Grund dafür liegt auch bei der Protestbewegung "Black Lives Matter".
Dabei ist die Lage unter schwarzen Wählern keineswegs so eindeutig, wie auf der Demonstration von Louisville. Eine Umfrage der American University in Washington DC hat ergeben: Viele junge Schwarze sehen den demokratischen Herausforderer Joe Biden ebenfalls kritisch. Demnach soll jeder zweite schwarze Wähler unter 30 Jahren in sechs wichtigen Bundesstaaten noch unentschlossen sein - viele von ihnen wollen gar nicht zur Wahl gehen.
Bei den über 30-Jährigen jedoch steht eine deutliche Mehrheit von 70 Prozent hinter Biden. Robert Patterson, Professor für African American Studies an der Georgetown Universität in Washington DC, prophezeit, dass sich Joe Biden, anders als Hillary Clinton im Jahr 2016, der Mehrheit der schwarzen Wählerstimmen sicher sein kann. Zwar würden schwarze Trump-Wähler, die aus wirtschaftsideologischen Gründen Republikaner wählen, ihre Meinung nicht ändern. Anders als 2016 wüssten die schwarzen Wähler heute jedoch genau "was auf dem Spiel steht", sagt Patterson.
Zwischen Pandemie und Protesten
Wie sehr sich die Demonstranten an Präsident Trump abarbeiten, war auch Ende August in Washington DC zu sehen. Bei einer Neuauflage des historischen "March on Washington" kamen Tausende in die Hauptstadt, viele von ihnen zogen vor das Weiße Haus, spotteten mit übergroßen Trump-Karikaturen über den Präsidenten.
Wer hier demonstriert, tut das an diesem Tag auch in Gedenken an Martin Luther King, der vor 57 Jahren in seiner berühmten "I have a dream"-Rede Gleichheit für alle forderte. Das Jahr 2020 beweise zwischen Pandemie und Protesten jedoch, dass sich seit der King-Rede "nichts geändert hat", sagte eine junge Demonstrantin in der Menge und gibt dem Präsidenten die Schuld an "weißem Rassismus". Die Unruhen im Land seien "eine Folge davon".
"Die wichtigste Wahl unseres Lebens"
Joe Biden ist auf die Stimmen der Schwarzen angewiesen, auch deshalb hat er sich für die schwarze Kamala Harris als Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin entschieden. Dass das alleine kaum ausreicht, wird klar, wenn man mit Wählern wie einem jungen Mann, der sich "TS" nennt, spricht, der in Los Angeles Problemviertel Compton durchtrainiert und ohne T-Shirt in seinem Vorgarten steht.
Donald Trump sei zwar nicht gut für die schwarze Sache, sagt er, "ich wähle ihn aber trotzdem, denn er ist der Mann mit dem Geld." Robert Patterson von der Georgetown Universität in Washington DC führt solche Positionen auf mangelnde Bildung und Geschichtsverdrossenheit zurück und macht klar, dass es am Ende um die Wahlbeteiligung gehe. Zu einer höheren Wahlbeteiligung unter Schwarzen würde vor allem die Bewegung beitragen, sagt Patterson. Und die steht überwiegend hinter Joe Biden.
Black-Lives-Matter-Aktivistin Keturah Herron aus Louisville ist bereit, ihr Kreuz zu machen. Als Barack Obama Amerikas erster schwarzer Präsident wurde, glaubte sie für eine kurze Zeit, dass sich wirklich etwas ändern würde im Land. Jetzt sei ihr klar geworden, dass es um noch mehr ginge als damals. "Für uns Schwarze", sagt Herron, "wird das die wichtigste Wahl unseres Lebens."