"Welch ein Unrat!" - Nazis und moderne Kunst
Die Kunst des frühen 20. Jahrhunderts war frisch, neu, wild - und den Nazis ein Dorn im Auge. So wurden die Künstler mit Beginn der Naziherrschaft verfolgt und diffamiert und ihre Werke als "entartet" bezeichnet.
Avantgarde passte den Nazis nicht
Bilder wie dieser "Leuchtturm" (1913) des Expressionisten Paul Adolf Seehaus überforderten den Kunstsinn der Nationalsozialisten. Sie bezeichneten die moderne Kunst als "Verfallskunst" und "artfremd". Ebenso erging es Musikern: Jazz- und Swingmusiker sowie moderne Klassiker wie Paul Hindemith wurden ebenso rigoros verfolgt wie Schriftsteller. 1936 erging ein totales Verbot von moderner Kunst.
So wurden die Künstler von den Nazis vorgeführt
Bevor die Kunst verschwand, zeigte man sie der Öffentlichkeit unter dem Motto: "Gequälte Leinwand, seelische Verwesung, geisteskranke Nichtskönner". So stand es auf dem Handzettel, der zur Wanderausstellung "Entartete Kunst" gereicht wurde. Die Schau eröffnete am 19. Juli 1937 in München und zeigte 650 konfiszierte Kunstwerke. Hier ergötzen sich Hitler und Goebbels (v. r.) an den "Schmierereien".
Joseph Goebbels - der große Kunstkenner
Immer wieder suchte der Reichspropagandaminister die Ausstellung auf und zeigte sie seinen Freunden. Sie war im Übrigen ein voller Erfolg und hatte fünf mal mehr Besucher als die zeitgleich stattfindende "Große Deutsche Kunstausstellung", in der Nazi-konforme Kunst gezeigt wurde. Die Nationalsozialisten waren aber auch um Jugendschutz bemüht: Die "entartete Kunst" war "für Jugendliche verboten".
Verpackt, verschickt, versteckt
Nach dem großen "Erfolg" der Ausstellung wurde die "entartete Kunst" nicht etwa zerstört. Die Nazis wussten, wie sie damit viel Geld verdienen konnten und ließen viele Werke von autorisierten Kunsthändlern ins Ausland verkaufen. Kunst aus jüdischem Privatbesitz jedoch wurde versteckt. Diese Verstecke, wie hier eine Kirche in Mittelfranken, wurden nach dem Krieg von den Siegermächten entdeckt.
GIs sichern die Raubkunst
In ganz Deutschland fanden Soldaten geheime Lager mit Raubkunst aus vielen Epochen und von unschätzbarem Wert. Vieles geriet nach dem Krieg nach Übersee und ging dort durch viele Hände: Galeristen, Sammler, Privatiers. Gerade bei diesen Kunstwerken ist es heute sehr schwer, die genaue Herkunft zu ermitteln. Taucht mal wieder ein Meisterwerk mit ungeklärter Herkunft auf, steht die Kunstwelt kopf.
Verfemt, verfolgt, beschlagnahmt
Immer wieder erinnern Ausstellungen an die verfemte Kunst. Der "Kopf in Messing" (1925) des deutschen Bildhauers Rudolf Belling ist Teil einer Ausstellung, die noch bis zum 24. November in Güstrow zu sehen ist: 600 Stücke aus der Sammlung Bernhard A. Böhmers, eines Händlers, der im Auftrag der Nazis "entartete Kunst" aus deutschen Museen zur Devisenbeschaffung ins Ausland verkaufen durfte.
Leihgabe
Die "Kreuzabnahme" (1917) des deutschen Malers Max Beckmann hängt im Frankfurter Städelmuseum. Das Bild war 1919 von dem damaligen Städel-Direktor als erstes Beckmann-Bild überhaupt für das Museum erworben worden. 1937 wurde es von den Nazis in der Ausstellung "Entartete Kunst" gezeigt und später in die USA verkauft. Es kehrte 2011 für die Ausstellung Beckmann & Amerika nach Frankfurt zurück.
Von wem hatte Gurlitt dieses Bild?
Aus der Sammlung Gurlitts war bereits vor zwei Jahren bei einem Kölner Auktionshaus der "Löwenbändiger" von Max Beckmann entdeckt worden. Sehr wahrscheinlich stammt das Bild aus dem Besitz des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim, der seine komplette Sammlung bei seiner Flucht aus Deutschland zurücklassen musste. Die Erben erheben nun Anspruch auf das Werk.
Immer wieder Streit
In vielen, teilweise jahrelangen Prozessen, fordern Erben aufgetauchte Beutekunst zurück. Doch nicht immer sind die Fälle juristisch eindeutig. Um das Porträt "Madame Soler" von Pablo Picasso streitet sich die Familie Mendelssohn-Bartholdy seit Jahren mit dem Freistaat Bayern. Eine Einigung der beiden Parteien ist nicht in Sicht.
Es bleibt spannend
Beim jetzt gefundenen Münchener Kunstschatz ist nach anfänglicher Aufregung und gründlicher Recherche einiger Anwälte und Kunstexperten noch längst nicht klar, bei welchen Werken es sich um Raubkunst handelt. Vieles scheint Hildebrand Gurlitt tatsächlich auf legalem Wege erworben zu haben. Derweil wünschen sich Kunstinteressierte, dass der Schatz bald öffentlich zu sehen sein wird.