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Weitere Debatte um den Doppelpass

Daniel Heinrich14. März 2014

Die Union hat einen Gesetzentwurf zur doppelten Staatsbürgerschaft vorgelegt. Eine Bundesratsinitiative von drei rot-grün geführten Bundesländern will diesen korrigieren. Die Fronten scheinen verhärtet.

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Ein Türkischer und ein deutscher Pass (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Die deutsche Staatsbürgerschaft darf nicht zum Ramschartikel verkommen", sagt Andreas Scheuer, Generalsekretär der CSU, im Gespräch mit der DW. "Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die doppelte Staatsbürgerschaft an Schulbesuch und Aufenthalt gekoppelt ist. Deswegen ist dieser Vorstoß schwer zu verurteilen", so Scheuer weiter.

Der "Vorstoß", über den sich Scheuer aufregt, ist eine Bundesratsinitiative von drei rot-grün geführten Ländern. Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg bringen an diesem Freitag (14.03.2014) eine Initiative auf den Weg und wollen damit den von der Union vorgelegten Gesetzentwurf zur doppelten Staatsbürgerschaft verändern.

Der baden-württembergische SPD-Chef Nils Schmid ist einer der Meinungsführer der Initiative. Seine Hauptkritik: Der Gesetzentwurf der Union ist für ihn nicht integrationsfreundlich. Im DW-Gespräch sieht er in dem Entwurf einen Verstoß gegen den "Geist des Koalitionsvertrages": "Wir wollen, dass die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die Optionspflicht abzuschaffen, auch ernsthaft umgesetzt wird und nicht neue bürokratische Hemmnisse für hier geborene Deutsche aufgebaut werden."

Nils Schmid (Foto: SPD-Landesverband)
Nils SchmidBild: SPD-Landesverband Baden-Württemberg

Was steht im Koalitionsvertrag?

Rückschau: Im November vergangenen Jahres einigt sich die Große Koalition auf den Koalitionsvertrag. Die doppelte Staatsbürgerschaft war zuvor eines der strittigen Themen gewesen. Letzten Endes gab es dann einen Kompromiss: "Zuwanderer sollen Staatsbürger werden. Wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, soll seinen deutschen Pass nicht verlieren und keiner Optionspflicht unterliegen."

Optionspflicht bedeutet, dass in Deutschland geborene Kinder von Eltern aus Drittstaaten, beispielsweise der Türkei, sich bis zum 23. Lebensjahr entweder für die deutsche oder die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern entscheiden müssen. Diese Regelung gilt nicht für Menschen deren Wurzeln in den Mitgliedsländern der Europäischen Union liegen. Diese dürfen beide Pässe besitzen.

Politiker streiten sich über Formulierungen

Gestritten wird nun darüber, wie man mit dem Wörtchen "aufgewachsen" umgehen soll. CSU-Generalsekretär Scheuer sieht im DW-Gespräch Kosten auf die Gesellschaft zukommen. Er schildert dafür ein Beispiel: "Angenommen, die Kinder gehen in Ostanatolien zur Schule, verbringen dort ihr Leben und dann erinnert man sich mit 16, 17 Jahren daran, dass man doch den deutschen Pass hat", so Scheuer. Wenn diese Leute dann nach Deutschland zurückkämen, könnten sie weder die Sprache, noch seien sie integriert. Letzten Endes, so der CSU-Generalsekretär, müsste die Allgemeinheit für deren dann anfallende Integrationsbemühungen aufkommen.

Andreas Scheuer (Foto: dpa)
Andreas ScheuerBild: picture-alliance/dpa

Die Vertreter der Bundesratsinitiative argumentieren ebenfalls auf wirtschaftlicher Ebene. Nils Schmid sieht im Doppelpass für alle ein "integrationsfreundliches Signal". Er verweist insbesondere auf die Vorteile für die deutsche Wirtschaft: "Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Fachkräftemangels müssen wir integrationsfreundliche Regelungen finden."

Eine Scheindebatte?

Dr. Ines Michalowski (Foto: David Ausserhofer)
Dr. Ines MichalowskiBild: David Ausserhofer

Die Integrationsforscherin Dr. Ines Michalowski vom Wissenschaftszentrum in Berlin findet, dass der Debatte um die Doppelte Staatsangehörigkeit zu viel Bedeutung beigemessen werde. Im DW-Gespräch sagt sie: "Die Tatsache, ob jemand über einen bestimmten Pass verfügt, entscheidet noch lange nicht über die Identität einer Person. Selbst wenn ich die generelle doppelte Staatsbürgerschaft verbiete, kann ich der Person natürlich nicht verbieten, sich weiterhin mit einem bestimmten Land verbunden zu fühlen."

Als praktischen Lösungsvorschlag verweist sie im DW-Gespräch auf den vom Sachverständigenrat Deutscher Stiftungen für Migration und Integration vorgebrachten Vorschlag des "Generationenschnitts": "Das würde bedeuten, dass man nicht mehr das Land seiner Urgroßeltern wählen könnte, sondern dass man dann irgendwann den Schnitt zieht." Damit, so die Wissenschaftlerin weiter, ginge auch die Erkenntnis einher, "dass ich jetzt in einem anderen Land lebe, genau wie meine Eltern und Großeltern. De Facto gehöre ich also jetzt hierhin und sehe mich nicht mehr als Staatsbürger eines anderen Landes."