Weitere Anklagen wegen Neonazi-Terror möglich
26. Januar 2013Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der BKA-Chef, "letztlich könnten nach derzeitigem Stand bis zu zwölf weitere Personen als mutmaßliche Helfer und Unterstützer des NSU-Terrortrios vor Gericht stehen". Die Beweislage für eine Verurteilung der mutmaßlichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe halte er für ausreichend, erklärte Jörg Ziercke (auf dem Artikelbuld links, daneben Generalbundesanwalt Range). Es wird erwartet, dass das Oberlandesgericht München in wenigen Tagen über die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Zschäpe entscheidet. Der Prozess dürfte dann im Frühjahr beginnen.
Nach Angaben Zierckes hat das BKA für das Verfahren rund 7000 Asservate ausgewertet, darunter knapp 2.600 elektronische Asservate, die zusammen einen Umfang von etwa 64 Terrabyte hätten. Das meiste stamme aus dem Wohnmobil und der Wohnung des Trios. "Wir haben bundesweit über 1300 Hinweise bearbeitet und mehr als 1400 Personen zeugenschaftlich vernommen", teilte der Präsident des Bundeskriminalamtes mit. Insgesamt habe seine Behörde etwa 1000 NSU-Aktenordner für das Gericht erstellt.
Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe Mittäterschaft bei den Bombenanschlägen und den insgesamt zehn Morden an türkisch- und griechischstämmigen Kleingewerbetreibenden und an einer Polizistin vor, die dem NSU zugeschrieben weden. Die beiden anderen mutmaßlichen NSU-Mitglieder, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, hatten sich im November 2011 selbst getötet, als ihnen die Polizei nach einem Bankraub auf die Spur gekommen war. Zschäpe stellte sich dann der Polizei.
Die deutschen Sicherheitsbehörden haben den rechtsterroristischen Hintergrund der von 2000 bis 2007 währenden Mordserie erst nach dem Tod von Mundlos und Böhnhardt sowie der Festnahme Zschäpes erkannt. Die Existenz der Terrorzelle NSU blieb die ganze Zeit unentdeckt. Zur Aufarbeitung der Fehler und Versäumnisse der Ermittlungsbehörden wurden Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Länderebene eingesetzt.
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses des Bundestages, Sebastian Edathy äußerte sich jetzt sehr zufrieden mit der Arbeit des Gremiums. Die Stärke des Ausschusses sei "die überfraktionelle Gemeinsamkeit, was den Willen zur Aufklärung betrifft", sagte der SPD-Politiker der "Mitteldeutschen Zeitung" aus Halle. Nach Auffassung Edathys haben drei Faktoren die Aufklärung der mutmaßlichen NSU-Morde durch die Ermittlungsbehörden erschwert: "Eine Unterschätzung des gewaltbereiten Rechtsextremismus, Ressentiments gegenüber Zuwanderern sowie mangelnde Kommunikation innerhalb der Sicherheitsarchitektur."
Der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, forderte dazu auf, den Rechtsextremismus genau so zu ächten wie das islamistische Terrornetz Al-Kaida. Es sei nötig, die gemeinsamen Werte in den Vordergrund zu stellen, sagte der Diplomat der "Berliner Zeitung". "Wenn wir auf dieselbe Art und Weise auf eine rechtsextreme Terrororganisation reagieren wie auf eine Terrororganisation wie Al-Kaida, die die Religion für ihre Zwecke missbraucht, dann haben wir auf dem Weg zu dieser gemeinsamen Sprache bereits große Fortschritte gemacht", erklärte Karsioglu.
wl/uh (dpa, afpm, dapd)