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Affenpocken in Berlin, Israel und Schweiz

22. Mai 2022

Die Infektionskrankheit breitet sich weiter aus. Mediziner rufen zu Vorsicht und Wachsamkeit auf. Die Politik ist angesichts von Corona bestrebt, keine erneute Pandemie-Panik aufkommen zu lassen.

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Affenpocken bei einem Bewohner der Demokratischen Republik Kongo
Affenpocken bei einem Bewohner der Demokratischen Republik KongoBild: Brian W.J. Mahy/CDC/REUTERS

Die Zahl der außerhalb Afrikas gemeldeten Affenpocken-Fälle nimmt zu - auch in Deutschland. Nach der Meldung des bundesweit ersten Infektionsfalls in Bayern bestätigte der Berliner Senat inzwischen zwei Affenpocken-Fälle in der Bundeshauptstadt. 

"Täglich neue Fälle"

Auch aus anderen Ländern werden Infektionen gemeldet: Die Schweiz bestätigte einen ersten Affenpocken-Fall im Kanton Bern. Die betroffene Person sei offenbar im Ausland mit dem Virus in Berührung gekommen, erklärten die regionalen Gesundheitsbehörden. In Israel wurde die erste Infektion bei einem 30-jährigen Mann festgestellt, der kürzlich mit Symptomen der Krankheit aus Westeuropa zurückgekehrt sei, teilte ein Krankenhaus in Tel Aviv mit. Die griechischen Gesundheitsbehörden meldeten einen Verdachtsfall bei einem englischen Touristen. Auch aus Österreich wird ein erster Verdachtsfall gemeldet. Ein 35-jähriger Mann sei mit typischen Symptomen in eine Wiener Klinik eingeliefert worden, berichtet der Rundfunksender ORF am Sonntag unter Berufung auf einen Sprecher des Gesundheitsstadtrates.

In Großbritannien wurden bis Freitag 20 Fälle registriert. Am Sonntag sagte die leitende medizinische Beraterin der britischen Gesundheitsbehörde UKHSA, Susan Hopkins, dem Rundfunksender BBC, es gebe "täglich neue" Fälle. Bei den meisten infizierten Erwachsenen seien die Symptome "relativ mild". Die seltene Viruskrankheit verbreitet sich nach ihren Angaben inzwischen in Großbritannien, ohne dass es eine Verbindung mit West- oder Zentralafrika gibt, wo sie beheimatet ist.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO berichtete mit Stand Samstag von rund 90 bestätigten Infektionen und 30 Verdachtsfällen in Ländern, in denen das Virus normalerweise nicht auftritt. Die Ausbreitung des Virus wird auch ein Thema der 75. Weltgesundheitsversammlung sein, die in Genf begonnen hat. Bereits am Samstag forderte die WHO eine Reihe von Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung der Affenpocken. Es sei "dringend notwendig", das Bewusstsein für die Virenerkrankung zu erhöhen, hieß es in Genf. Außerdem müssten Fälle umfassend ausfindig gemacht und isoliert werden, sowie Ansteckungswege rückverfolgt werden.

Der Ausschlag beginnt oft im Gesicht und greift dann auf andere Körperteile über
Der Ausschlag beginnt oft im Gesicht und greift dann auf andere Körperteile über Bild: CDC/Getty Images

Ob es sich bei den Berliner Fällen um den west- oder zentralafrikanischen Virusstamm handelt, soll laut Senatsverwaltung der Bundeshauptstadt eine laufende Sequenzierung zeigen. Zentralafrikanische Virusvarianten bei Affenpocken sind laut Robert Koch-Institut (RKI) deutlich ansteckender als die westafrikanischen Virusvarianten. Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit teilte mit, der Zustand der Infizierten sei "stabil". Es sei zugleich davon auszugehen, "dass in den nächsten Tagen eventuell noch weitere Infektionen registriert werden".

Charité-Mediziner Sander: Dynamik ist "ungewöhnlich"

Der Infektiologe der Berliner Klinik Charité, Leif Erik Sander, konstatierte, der aktuelle Affenpockenausbruchs müsse sehr ernst genommen werden, weil die Dynamik "ungewöhnlich" sei. Nun müssten die Infektionsketten und Übertragungswege besser untersucht und effektiv unterbrochen werden. "Wir beobachten bislang eine disproportionale Häufung der Affenpockeninfektionen unter Männern, insbesondere nach Sexualkontakt zu anderen Männern", führte Sander aus. "Da die Infektion durch engen Hautkontakt und möglicherweise auch über Schleimhautkontakt und Tröpfchen übertragen wird, empfehle ich aktuell besondere Vorsicht und Vermeidung von engen ungeschützten Kontakten mit unbekannten Personen."

Infektiologe Leif Erik Sander
Infektiologe Leif Erik Sander: "Ich empfehle Vermeidung von engen ungeschützten Kontakten mit unbekannten Personen"Bild: Frederic Kern/Future Image/IMAGO

Die Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote betonte, es bestehe "kein Grund zur Panik, aber Grund zur Vorsicht, da viele wissenschaftliche Erkenntnisse über die Krankheit noch vorläufig sind, weil sie so selten ist". Laut Gote gehen die Experten davon aus, "dass wir keine neue Pandemie fürchten müssen". Es müsse aber jetzt "schnell und konsequent" gehandelt werden.

Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote
Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote: "Die Experten gehen davon aus, dass wir keine neue Pandemie fürchten müssen"Bild: Annette Riedl/dpa/picture alliance

Übertragung nur bei engem Körperkontakt

Affenpocken sind eine seltene Viruserkrankung. Seit Anfang Mai 2022 verbreitet sich der Erreger erstmals in Europa von Mensch zu Mensch ohne eine epidemiologische Verbindung nach West- oder Zentralafrika. Er wurde auch in mehreren nordamerikanischen Ländern nachgewiesen. Nach aktuellem Forschungsstand wird das Virus aber weniger leicht von Mensch zu Mensch weitergegeben als beispielsweise der COVID-19-Erreger SARS-CoV-2. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist für eine Übertragung ein enger Körperkontakt erforderlich, weswegen das RKI davon ausgeht, dass die Ausbrüche begrenzt bleiben. Eine Gefährdung für die Gesundheit der breiten Bevölkerung wird daher vom RKI derzeit als gering eingeschätzt.

Zu den Symptomen der Affenpocken beim Menschen gehören Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen und ein Ausschlag, der oft im Gesicht beginnt und dann auf andere Körperteile übergreift. Die meisten Menschen erholen sich innerhalb mehrerer Wochen von der Krankheit, ein tödlicher Verlauf ist selten.

Es gibt keine spezifische Behandlung gegen Affenpocken. Allerdings wirkt die normale Pockenimpfung zu 85 Prozent vorbeugend. Nach Angaben von Bildungsminister Nadhim Zahawi hat die britische Regierung bereits damit begonnen, Vorräte an Pocken-Impfstoff aufzukaufen. "Wir nehmen die Sache sehr, sehr ernst", sagte er BBC.

sti/se/kle (afp, dpa, rtr)