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Unser "Weihnachts-ABC"

Sarah Hucal
19. Dezember 2021

Weihnachten zählt zu den wichtigsten christlichen Feiertagen. Der Advent gilt als besinnliche Zeit. Doch die Realität sieht oft anders aus.

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Popkulturell gekleidete Frauen als Heilige drei Königinnen.
"We Three Queens": Neuinterpretation der Heiligen drei KöniginnenBild: PEG Records

Nach der Oktoberrevolution im Jahr 1917 wurde das christiliche Weihnachtsfest in der Sowjetunion abgeschafft. Ein Ersatz sollte aber her: Also schuf der Staat 1937 das Jolkafest, das jährlich am 31. Dezember stattfand. Zum Fest gehörte es, einen Baum zu schmücken - "Jolka" ist russisch und heißt Tanne. Außerdem kamen Figuren aus russischen Wintermärchen hinzu, wie Väterchen Frost und das Schneemädchen Snegurotschka. Das sei ein gutes Beispiel dafür, wie eine erfundene zu einer festen Tradition geworden sei, so die Kuratorin Iris Edenheiser. Sie konzipierte die aktuelle Weihnachtsausstellung im Berliner Museum Europäischer Kulturen (MEK). Unter dem Titel "A wie Advent, Z wie Zoff. Ein Weihnachts-ABC" spürt die Ausstellung den hellen und dunklen Seiten des Weihnachtsfestes nach.

Ein mit vielen Stoffen und Schleifen verkleideter Mensch
Ein Werk in der Weihnachts-Ausstellung im MEK: "Christkind - dźěcátko" von Yana WernickeBild: Yana Wernicke

Die Schattenseite des Weihnachtsfestes

Für viele sei das Weihnachtsfest der Höhepunkt des Jahres, aber es habe auch Schattenseiten, erklärt die Kuratorin. "Es enthüllt unsere Unterschiede. Menschen, die arm sind, die kein Weihnachten feiern oder eben auch die Nähe zur Familie nicht ertragen, werden ausgeschlossen." Außerdem produziere das Fest viel Müll und sei nicht unbedingt umweltfreundlich.

Ein Standbild aus dem Video-Essay "Christmas Unwrapped" zeigt eine Frau in China, die kleine Weihnachtsmannkostüme näht.
Weihnachtliche Massenware: Nikolausmützen aus ChinaBild: Toby Smith

Die Exponate reichen vom traditionellen Adventskalender über popkulturellen Kitsch bis hin zu politischen Postern. Das Jolkafest etwa wird durch eine aus Papier ausgeschnittene Winterszene dargestellt, die 1989 vom Veranstaltungs- und Kulturzentrum "Russisches Haus" in Ost-Berlin an Kinder in der DDR verteilt wurde.

Weihnachten und Rassismus

Die zeitgenössische Debatte um Rassismus wird unter dem Buchstaben S behandelt - S für "Sinterklaas", den niederländischen Namen für den Nikolaus. Hier befasst sich die Ausstellung nicht mit dem gutgelaunten alten Mann, der braven niederländischen Kindern ihre Geschenke am 5. Dezember bringt, sondern mit der Debatte um den "Zwarte Piet" oder "Schwarzen Peter". Er ist der Gehilfe von Sinterklaas, doch seine Darstellung beruht auf rassistischen Stereotypen. Im November wird die Ankunft von Sinterklaas mit Paraden und öffentlichen Veranstaltungen gefeiert, dabei treten auch immer wieder Menschen auf, die sich als Zwarte Piet verkleiden, mit schwarz angemaltem Gesicht, einer Lockenperücke und Kostümen, die der Kleidung von Sklaven und Dienern aus dem 16. Jahrhundert entlehnt sind.

Demonstration gegen Rassismus in Den Haag
Protest gegen rassistische Weihnachtsbräuche in den NiederlandenBild: Romy Arroyo Fernandez/NurPhoto/picture alliance

In der Ausstellung sind T-Shirts und Poster des niederländischen Aktivisten Jerry Afriyie zu sehen, der die "Kick Out Zwarte Piet"-Kampagne gründete (deutsch: "Schmeiß den Schwarzen Peter raus"). Aufgrund der Proteste wurden das Zwarte-Piet-Merchandising zurückgenommen und viele Sinterklaas-Paraden abgesagt. Seit der "Black Lives Matter"-Bewegung unterstützt eine Mehrheit der niederländischen Bevölkerung den Wandel der populären Figur. 

Die schwierigste Zeit des Jahres

Weihnachten ist für viele Menschen eine der schwierigsten Zeiten des Jahres, auch für Menschen, die im Gefängnis sitzen oder unter extremer Armut leiden. Der Buchstabe X in der Ausstellung steht für das deutsche Wort "nix" - umgangssprachlich für "nichts".

In einem Eierkarton sind gehäkelte Fingerpuppen zu sehen: Maria mit Kind, Josef, Engel, Ochse und Esel.
Krippe to go: Dieses Ausstellungsstück zeigt Fingerpuppen aus PeruBild: Museum Europäischer Kulturen/Michael Mohr

Die Ausstellungsmacher griffen das Thema Obdachlosigkeit auf und traten dafür mit einem ehemals obdachlosen Paar in Kontakt. Auf die Frage, was sie mit dem Fest verbinden würden, sagten sie, "dass Weihnachten für den Winter steht und für die kälteste Zeit des Jahres, in der man überleben und warm bleiben muss", so Edenheiser.

Es ist auch eine Zeit, in der obdachlose Menschen Geld für die kommenden Monate sammeln: "Sie erzählten uns, dass die Leute an Weihnachten sehr großzügig seien. Nach Weihnachten höre das sofort auf." Das im Dezember gespendete Geld sei der notwendige Lebensunterhalt für die kommenden Monate. Das Paar habe auch gesagt, dass zwar viel Kleidung gespendet werde, darunter jedoch nur wenig Brauchbares für ein Leben auf der Straße. Die Ausstellung zeigt die zwei wichtigsten Dinge, die das ehemals obdachlose Ehepaar besaß: einen Schlafsack und ein Paar Winterstiefel.

Kuratorin Iris Edenheiser
Kuratorin der Berliner Weihnachtsausstellung: Iris EdenheiserBild: David von Becker

"Ich wollte eine Ausstellung schaffen, in der für jeden etwas dabei ist: Menschen, die Weihnachten nicht feiern, Menschen, die Familienfeiern hassen, aber auch Menschen, die Weihnachten und die weihnachtliche Stimmung lieben", fasst die Kuratorin Edenheiser zusammen.

Die Ausstellung "A wie Advent, Z wie Zoff. Ein Weihnachts-ABC" ist bis zum 30. Januar 2022 im Museum Europäischer Kulturen (MEK) in Berlin zu sehen.

Adaption ins Deutsche: Christine Lehnen und Rayna Breuer