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Weihnachten allein

Jan Fritsche24. Dezember 2013

Weihnachten ist das Familienfest schlechthin. Doch viele können ausgerechnet an Heiligabend nicht zu Hause sein. Manchen Menschen macht die Einsamkeit nicht viel aus, andere hingegen werden davon krank.

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Weite in der Antarktis bei der Neumayer-Station
Bild: B. Fiedel

Für Barbara Fiedel liegt Weihnachten dieses Jahr auf Eis. Und das ist wörtlich gemeint: Während ihre Familie sich im warmen Wohnzimmer in Deutschland um den Weihnachtsbaum versammelt, ist die 36-Jährige von Eisbergen und Pinguinen umgeben. Seit Dezember 2012 lebt Fiedel in der Neumayer-Station, einer deutschen Polarforschungsstation in der Antarktis. Zusammen mit Meteorologen, Geophysikern und anderen Spezialisten untersucht die Ärztin und Leiterin der Station dort alles vom Ozonloch bis zum Verhalten der Pinguine.

Eine richtige Weihnachtsstimmung kommt in dieser Umgebung bei Barbara Fiedel nicht auf. In der Antarktis herrscht gerade Polartag, das bedeutet Helligkeit rund um die Uhr. "Es ist taghell, nachts um 12 Uhr scheint die Sonne. Da gibt es kein Weihnachtsgefühl mit Dunkelheit und Kerzen und Lichtern", sagt die Ärztin.

Familienfest Weihnachten

Barbara Fiedel vor der Neumayer-Station. (Foto: Stefan Christmann)
Barbara Fiedel vor der Station.Bild: S. Christmann

Wenn die gebürtige Bonnerin hingegen zu Hause ist, verbringt sie den 24. Dezember ganz klassisch mit der Familie. "Wir machen meistens einen längeren Spaziergang, kommen nach Hause und dann gibt es Essen. Danach sitzt man zusammen, schenkt sich gegenseitig Geschenke und verbringt den Abend zusammen." Dass sie dieses Jahr auf all das verzichten muss, versucht sie locker zu nehmen. Aber natürlich habe sie bei ihrem letzten Weihnachten in der Antarktis schon "darüber nachgedacht, wie es da gerade zu Hause ist und dass ich da nicht dabei bin".

Der Polarforscherin geht es wie vielen anderen Menschen, die an Weihnachten nicht zu Hause sein können - etwa weil sie im Krankenhaus liegen oder schlicht arbeiten müssen. Dabei ist Weihnachten in Deutschland das Familienfest überhaupt. Die große Mehrheit der Bevölkerung verbringt die Feiertage klassisch zu Hause mit der Familie.

Vielen Menschen gebe Weihnachten ein Gefühl der Geborgenheit, sagt der Theologe und Brauchtumsexperte Professor Manfred Becker-Huberti. Sie fühlten sich durch das Fest an die Kindheit erinnert und könnten für kurze Zeit dem entkommen, was sie in der Gegenwart störe.

"Unglaublicher Rettungsanker"

Weihnachten Becker-Huberti

"Weihnachten hat eine ganz besondere Intimität", sagt Becker-Huberti. "Sie können wahrscheinlich in Deutschland jede Familie an jedem anderen Tag des Jahres besuchen. Aber an Heiligabend ist die Tür zu." Weihnachten sei ein Familienfest, bei dem meist nur der engste Kreis zugelassen sei. "Man vergewissert sich gegenseitig der Zusammengehörigkeit."

Auch der Münchner Psychologe Professor Bernd Reuschenbach sieht Weihnachten als "unglaublichen Rettungsanker" und Ruheoase. Vor allem die festgelegten Rituale des Schenkens oder gemeinsamen Essens gäben den Menschen große Geborgenheit. Es könne aber auch leicht zu Konflikten kommen, wenn die Menschen aus diesen Ritualen ausbrechen. Zum Beispiel wenn Jugendliche aus Protest gegen das traditionelle Weihnachten in die Kneipe gingen.

Erinnerungen helfen

Professor Reuschenbach

Reuschenbach warnt, viele Menschen hätten überhöhte Erwartungen an das Weihnachtsfest, die in der Realität nicht eingelöst werden können. Einige verfielen durch die Enttäuschung sogar in Depressionen. Wer Weihnachten nicht im Kreise der Familie feiern könne, der solle versuchen, sich trotzdem eine Weihnachtsatmosphäre zu schaffen, etwa am Arbeitsplatz. Auch helfe bei einem einsamen Weihnachten die Erinnerung an frühere Feste.

Auch wenn sie ihr Weihnachtsfest fernab der Heimat nicht als große Belastung empfindet, folgt diesen Tipps auch Polarforscherin Barbara Fiedel. In der Station stellen die Forscher dieses Jahr wieder einen Weihnachtsbaum aus Plastik auf, essen gemeinsam und packen Geschenke aus, die mit dem Flugzeug gekommen sind. Sogar für ihre Familie zu Hause hat Fiedel schon Geschenke vorbereitet. "Man kann da ja über das Internet viel machen. Ich habe zum Beispiel einen Kalender gestaltet mit Fotos von hier", berichtet die 36-Jährige.

Die Lounge der Neumayer-Station an Weihnachten. (Foto: Stefan Christmann)
Weihnachten in der Neumayer-Station.Bild: S. Christmann

Dieses Jahr will die Stationsleiterin zumindest über das Telefon ausgiebig mit ihren Liebsten zu Hause sprechen. Das nächste Weihnachten kann sie dann wieder in der Heimat verbringen. "Dann freue ich mich auch, dass ich Weihnachten wieder mitfeiern kann", sagt Fiedel. Immerhin: Über einen Mangel an Schnee kann sich Barbara Fiedel in der Antarktis nicht beklagen. Weiße Weihnachten sind ihr sicher.