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Weblogs erobern die Politik

Fritz Tänzer8. Juni 2005

Ob Deutschland nun bald oder nächstes Jahr wählt: Die Online-Journale werden durch ihre besondere Aktualität Einfluss auf den Wahlkampf haben. Und wann wir wählen, werden wir wieder am schnellsten im Internet erfahren.

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Mit Blick ins NetzBild: dpa zb

Bereits im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf spielten Weblogs eine wichtige Rolle. Selbst Präsdident Bush und sein Herausforderer John Kerry unterhielten ihren eigenen Blog und wussten um die Wichtigkeit dieses Trendmediums.

Vorbildfunktion für Deutschland

Die ersten Blogs entstanden 1998 in den Vereinigten Staaten. Heute sind dort über 8 Millionen Seiten registriert. Auch in Deutschland nutzen immer mehr User die Diskussionsforen. 55.000 aktive Weblogs werden im Land betrieben. Inhaltlich behandeln die Weblogs alle denkbaren Themenbereiche. Von Weltliteratur bis hin zu Sonderangeboten tauschen die Benutzer ihre Meinungen aus.

Firmen ermuntern ihre Mitarbeiter regelrecht zur Eröffnung eines eigenen Weblogs und gestatten das "Bloggen" ausdrücklich während der Arbeitszeit.

The Bobs

Im November 2004 veranstaltete die Deutsche Welle einen eigenen Weblog-Wettbewerb. Am 6. Dezember wurden die "Deutsche Welle International Weblog Awards" ("The Bobs") für die besten Weblogs in zahlreichen Kategorien verliehen.

Grafik Weblog p178

Nun werden Weblogs auch in Deutschland für den Wahlkampf der politischen Parteien genutzt. Im zurückliegenden Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen schalteten die Sozialdemokraten als erste Partei ihren eigenen Weblog und stellte politische Themen, Werbung der politischen Gegner und andere Themen zur aktuellen Diskussion. Das Feedback war groß. Viele Wähler haben den Blog besucht und während der Fernsehduelle der Spitzenkandidaten ihre persönlichen Eindrücke im Blog hinterlassen.

Bundestagswahlkampf im Netz

Auch der bevorstehende Bundestagswahlkampf wird sich in den Blogs verfolgen lassen. Vor ein paar Tagen wurde der erste "Wahlblog" geschaltet, und zahlreiche Bürger haben bereits die engagierte Diskussion begonnen. Den Nutzern wird die Möglichkeit gegeben, ihre politische Meinung auszutauschen, den Wahlkampf zu beobachten und den Parteien auf die Finger zu schauen.

Aber auch die Initiatoren verfolgen ihre Ziele. Nico Lumma, Chief Executiv Blogger des deutschen Weblog-Portals "Blogg.de", sagte dazu: "Wir wollen die Meinungen der vielen Blogger bündeln und ihnen eine hörbare Stimme geben". Dies sei aber nur ein wichtiger Aspekt für die Einrichtung dieser Plattform. Es solle nicht nur dafür gesorgt werden, dass die Wähler hier ihre Meinung sagen können, sondern sie sollen auch professionell informiert werden. Gerade hier sollen die Vorteile des Internets besonders herausgehoben werden. So soll der Wahlblog ergänzend zu den Meinungen der "Blogger" aktuelle Informationen, Prognosen und Grafiken immer topaktuell liefern. Eine weitere Firma wird dafür sorgen, dass die Benutzer stets auf die neuesten Hintergrundinformationen zugreifen können.

Die Blogs werden auch bei uns ihre Anhängerschaft finden. Ihr Vorteil: Sie sind immer aktuell und deutlich schneller als das Fernsehen, das bisher noch die Hauptinformationsquelle für die meisten Wähler ist.

Abgeordnete "bloggen"

Auch einzelne Bundestagsabgeordnete schalten ihren eigenen Blog. Einer der ersten von ihnen war der Bundestagsabgeordnete der Freien Demokraten Hans-Joachim Otto, der regelmäßig aktuelle Themen zur Diskussion stellte. Seinem Beispiel sind bereits einige Kollegen gefolgt, und es scheint, als ob auch die Abgeordneten ihren eigenen Blog als Diskussionsmöglichkeit mit den Wählern nutzen wollen.

Klarer Vorteil für die Wähler dabei ist, dass sie ganz direkt ihre Meinung zu einzelnen Themen äußern können. Für viele könnte das eine Alternative zu bisherigen Formaten wie politischen Talkshows werden. Dort erleben sie zwar auch prominente Politiker im Gespräch, können aber nicht mit ihnen diskutieren.

Sachliches Niveau

Wichtigste Voraussetzung für die Aktualität und den informativen Gehalt der Weblogs werden jedoch die Benutzer sein. Wer Kommentare einfach nur einträgt, um den politisch Andersdenkenden platt zu beschimpfen, trägt natürlich nicht zum Zweck der Sache bei. Auf der anderen Seite darf natürlich auch ein offenes Wort gepflegt werden, und nicht jeder Beitrag muss gleich Druckqualität besitzen.

Auch hier wurden in Amerika bereits wichtige Erfahrungen gesammelt. Während man einerseits die Wahlblogs als schnellste Informationsquellen nutzt, sind ihre Inhalte teilweise völlig subjektiv und können von den Seitenbetreibern auch nur in besonderen Fällen redigiert oder gar von der Seite genommen werden.

Gerade aber subjektive und polarisierende Beiträge wirken auf junge Wähler, die vielleicht noch nicht in der Lage sind zu differenzieren, verwirrend.

Bleibt also zu hoffen, dass sich die meisten Benutzer an die "demokratischen Spielregeln" halten und ihre Kritik sachlich äußern. Schneller als in einem Weblog können sie sie jedenfalls nirgends an einen so großen Empfängerkreis verbreiten.