Wo Europa frackt und wo nicht
17. Juli 2015Ein weiteres Land hat jetzt beschlossen, vorerst die Hände vom Fracking zu lassen. Die niederländische Regierung verabschiedete ein fünfjähriges Moratorium auf das kommerzielle Ausbeuten von Schiefergasreserven. Ende des Jahres will das Land dann entscheiden, ob die Technik überhaupt noch eine Zukunft im Land hat oder ob Probebohrungen ab 2018 wieder erlaubt sind.
Hydraulic fracturing - allgemein bekannt als "fracking" - ist nicht neu, es existiert schon seit Jahrzehnten. Neu sind aber die Quellen, die man nun anzapfen will. Denn Fracking holt Erdgas auch aus unkonventionellen Lagerstätten wie Kohleflözen oder Schiefergestein.
In den USA boomt das Verfahren, denn höhere Energiepreise machen es lohnenswert, auch unkonventionelle Lagerstätten auszubeuten. Vor etwa fünf Jahren begannen auch europäische Länder, das Potenzial dieser fossilen Energiequelle auszuloten. Erdgas wurde als "grün" und "umweltfreundlich" vermarktet. Viele osteuropäische Länder hegten zudem die Hoffnung, dass Schiefergas sie von Russland unabhängig machen könnte.
Aber die Wirklichkeit bleibt - wie so oft - hinter den Erwartungen zurück.
Umweltbedenken
Beim Fracken von Schiefergas wird Wasser mit hohem Druck in das Gestein in 1000 bis 5000 Meter Tiefe gepresst. Sand wird mit nach unten geschickt, es soll die entstehenden Steinrisse offenhalten. Durch diese Risse entweicht das Erdgas später nach oben zur Erdoberfläche.
Weil sich Sand und Wasser nicht sonderlich gut mischen, fügen die Bohrunternehmen dem Wasser Chemikalien zu. Diese sorgen dafür, dass eine homogene, dicke Flüssigkeit entsteht. Wieder andere Chemikalien machen die Verdickung zur richtigen Zeit wieder rückgängig, sie helfen der Fracking-Flüssigkeit gut nach unten zu gleiten oder verhindern, dass in der Tiefe das Gestein aufquillt. Biozide im Wasser halten Bakterien und Pilze in Schach.
Aktivisten fürchten, dass dieser "Chemie-Cocktail" das Grundwasser verseuchen könnte. Und wenn nicht die Chemikalien, dann das Erdgas selbst. Im Jahr 2010 erregte eine Dokumentation über die angeblichen Auswirkungen von Fracking in den USA viel Aufsehen: Der Film zeigte Wasserhähne, deren Wasser mit so viel Methan verunreinigt war, dass man es mit einem Feuerzeug anzünden konnte.
Zudem gibt es Bedenken, ob Fracking nicht Erdbeben verursachen könnte. In den USA und Norddeutschland gibt es den Verdacht, dass einige der in den letzten Jahren aufgetretenen Erdbeben auf Erdgasbohrungen zurückgeführt werden können. Wird jetzt in Europa großflächig gefrackt, würden solche Erdbeben häufiger werden, so die Befürchtungen.
Gesetzlich verbieten
Umweltschützer und besorgte Bürger in vielen europäischen Staaten laufen Sturm, seit Unternehmen anfingen, die Schiefergasstätten in Europa zu beäugen.
Frankreich ist eines der Länder, das vermutlich das Meiste aus seinen Schiefergaslagerstätten herausholen könnte, denn unter ihm schlummern große Reservoirs. Aber trotzdem gilt dort seit 2011 ein Fracking-Moratorium. Bulgarien, Tschechien und andere Ländern sind Frankreichs Beispiel gefolgt.
Selbst dort, wo Fracking national erlaubt ist, haben sich Regionen dagegen ausgesprochen. In Großbritannien etwa: In England wird bald kräftig gefrackt, Schottland und Wales hingegen haben ein Verbot beschlossen. Auch in Spanien haben einzelne Regionen, wie Katalonien, dem Verfahren eine Absage erteilt.
In Deutschland galt bisher ein Moratorium auf das Ausbeuten von Schiefergas. Über einen neuen Gesetzesentwurf soll nach der Sommerpause entschieden werden: Er soll das Fracking zwar nicht grundsätzlich verbieten, es aber stark einschränken. Erlaubt sind nur wissenschaftliche Bohrungen, die das Risiko auf Mensch und Umwelt untersuchen.
Der Mühe nicht wert
In osteuropäischen Ländern sind schon so einige Bohrlöcher gebohrt worden. Vor allem Polen erschien lange Zeit als Spitzenkandidat im europäischen Schiefergasboom. Aber dann kam es anders. Probebohrungen haben nicht den erwarteten Erfolg gebracht, ausländische Investoren sind abgesprungen und eine wachsende Umweltschützer-Front, die gegen Fracking mobil macht, hat Bohrpläne vereitelt.
Ähnliches geschah in Rumänien. Schlechte Ergebnisse bei den Probebohrungen und Proteste von Umweltschützern haben den US-Energieriesen dazu gebracht, sich Anfang 2015 aus Rumänien zurückzuziehen.
In wieder anderen Ländern war von vorneherein klar, dass Fracking nicht der Mühe wert ist. Das Ausbeuten ihrer Schiefergasreserven sei unwirtschaftlich, fanden Norwegen und Schweden.
Umweltschützer mögen also am Ende ihren Kampf um ein frackfreies Europa tatsächlich gewinnen. Falls das passiert, dann allerdings nicht wegen der geäußerten Umweltbedenken - sondern aufgrund einer schlichten Kosten-Nutzen-Rechnung.