Deutsche Entwicklungshilfe - eine Bestandsaufnahme
7. Dezember 2010Die Bundesrepublik ist bei der Entwickungshilfe die Nummer drei unter den großen Geberländern, nach den USA und Japan. Im aktuellen Bundeshaushalt 2010 stehen dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung knapp über sechs Milliarden Euro zur Verfügung - aus einem Gesamtetat von knapp 320 Milliarden Euro. Das klingt auf den ersten Blick gewaltig, aber Deutschland ist genauso wie die meisten reichen Industrieländer noch weit davon entfernt, das UN-Ziel zu erreichen, 0,7 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Entwicklungszusammenarbeit zu investieren.
"Ergebnisbasierte Finanzierung"
Trotzdem sieht sich die Bundesrepublik als treibende Kraft im Dialog zwischen armen und reichen Ländern. Allerdings ist Deutschlands Hilfe stärker als früher an Bedingungen geknüpft, was die Akzeptanz der Entwicklungszusammenarbeit in der eigenen Bevölkerung steigern soll. So ist eine gute Regierungsführung ("good governance") in den Empfängerländern ein ausschlaggebendes Kriterium für den Umfang deutscher Hilfe.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat deshalb in ihrer Rede beim Milleniums-Gipfel der Vereinten Nationen (UN) im September 2010 in New York wiederholt von "ergebnisbasierter Finanzierung" gesprochen: "Der Entwicklungsprozess liegt in erster Linie in der Verantwortung der Regierungen der Entwicklungsländer. Sie haben es in der Hand, ob Hilfe effizient erfolgen kann, und deshalb ist die Unterstützung guter Regierungsführung genauso wichtig wie die Hilfe selbst."
Menschenrechte als Leitprinzip
Deutschland will durch so genannte ergebnisorientierte Hilfe und nachprüfbare Zielvorgaben nach eigenen Angaben die Eigenverantwortung in den Nehmerländern stärken. Das zuständige Ministerium definiert die Ziele deutscher Entwicklungspolitik auf seiner Internet-Seite mit diesen Worten:
"Entwicklungszusammenarbeit soll Menschen die Freiheit geben, ohne materielle Not selbstbestimmt und eigenverantwortlich ihr Leben zu gestalten. In diesem Sinne will die deutsche Bundesregierung mit ihrer Entwicklungspolitik dazu beitragen, dass Globalisierung zu einer Chance für alle Menschen wird. Deutsche Entwicklungszusammenarbeit wird sich künftig vor allem auf die Sektoren Bildung, Gesundheit, ländliche Entwicklung, gute Regierungsführung und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung konzentrieren. Leitprinzip ist dabei der Schutz der Menschenrechte."
Daraus lässt sich vor allem ablesen, dass Deutschland - wie andere vor allem westliche Staaten - dazu beitragen will, die Armut zu bekämpfen, Leben zu retten, die Bildung zu fördern, den Frieden zu sichern, die Umwelt zu schützen und die Globalisierung gerecht zu gestalten. Was diese Regierungsdefinition mit wohlklingenden, moralischen Worten verschleiert, ist, dass Deutschland wie jedes andere Geberland auch Eigeninteressen verfolgt.
Deutsche Eigeninteressen
Es geht längst nicht nur um Armutsbekämpfung, den Schutz der unteilbaren Menschenrechte und "good governance", sondern genauso um die eigene Zukunftssicherung. Die Entwicklungszusammenarbeit soll den Rohstoffnachschub und die Handelswege sichern. Die Hilfe soll neue Absatzmärkte erschließen, für neue kaufkräftige Konsumenten sorgen und unerwünschte Einwanderung verhindern. So betonte Guido Westerwelle auf seiner ersten Afrika-Reise als Außenminister im April 2010, dass Afrika ein Kontinent mit vielen Problemen, aber auch mit vielen Chancen sei. "Und wir Deutsche wollen dabei sein, wenn diese Chancen auch genutzt werden. Das liegt im gegenseitigen Interesse, sowohl unseres Nachbarkontinentes als auch von Deutschland und Europa", sagte Westerwelle damals.
Es geht im Kern um den Schutz und den Erhalt des marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems und der eigenen Lebensweise. Deswegen geraten rohstoffreiche Länder wie Libyen, Algerien und auch die zentralasiatischen Republiken stärker in den deutschen und europäischen Fokus. Und gerade das Beispiel Afghanistan zeigt, dass die Entwicklungszusammenarbeit auch als ein unverzichtbarer Baustein des Anti-Terror-Kampfes gesehen wird. "Wenn wir mit unseren Soldatinnen und Soldaten nach Hause wollen", so Entwicklungsminister Dirk Niebel am Anfang des Jahres, dann bräuchten die Menschen in Afghanistan "eine echte Friedensdividende", und die könne nur durch einen verstärkten zivilen Aufbau entstehen.
Ein Fazit
Während des Kalten Krieges zwischen Ost und West war die Entwicklungshilfe für alle Beteiligten ein wichtiges Instrument, um die armen Länder an die Militärbündnisse NATO oder Warschauer Pakt zu binden. Sie war Teil des Wettlaufs der Systeme. Heute ist sie vor allem ein wirtschaftspolitisches und sicherheitspolitisches Instrument - und damit kein uneigennütziger Beitrag, um "die Globalisierung zu einer Chance für alle Menschen" zu machen, wie es auf der Internet-Seite des zuständigen Ministeriums steht.
Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Klaudia Prevezanos