Was Russland sich alles von China wünscht
24. Juni 2016Deutsche Welle: Während Putins China-Besuch sollen zahlreiche Handelsabkommen unterzeichnet werden. Großinvestitionen wie die Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Moskau und Kasan, 700 östlich von Moskau, sowie das Gasfeld in der Arktis ziehen Aufmerksamkeit auf sich. Ist dieser Besuch in erster Linie auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit konzentriert?
Thomas Eder: Die Wirtschaft wird in der Tat im Fokus des chinesisch-russischen Treffens stehen. Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und der westlichen Sanktionen ist Russland bereit, chinesische Investitionen in sensiblere Sektoren zu akzeptieren und China auch bei Energieverhandlungen entgegenzukommen. Obwohl China immer wieder schlagzeilenträchtig und sehr strategisch in Russland investiert, ist der nach Russland fließende Anteil der chinesischen Auslandsinvestitionen allerdings weiterhin gering. Das Ausmaß des bilateralen Handels bleibt deutlich unter den selbstgesteckten Zielen. Auch der neue Hoffnungsträger Landwirtschaft enttäuscht bisher.
Steht Russland angesichts der Sanktionen unter Druck, einen starken Partner an sich zu binden?
Sicherlich steht Russland angesichts der Sanktionen unter Druck. Man will diplomatisch nicht isoliert werden und muss wirtschaftlich gegen eine Rezession ankämpfen. Demonstrative außenpolitische Einigkeit und intensive Wirtschafts- und Investitionsbeziehungen mit China sind der russischen Regierung sehr wichtig. Gerade im wirtschaftlichen Bereich erwartet sich Russland allerdings mehr, als China liefern kann bzw. will.
Welche konkreten Erwartungen sind es?
Es geht dabei etwa darum, wie weit Russlands Öllieferungen nach China noch ausgebaut werden können und wie viel russisches Gas China importieren wird. Wird es etwa neben der "Power of Siberia"-Pipeline auch zum Bau der ‚Altai‘ Pipeline kommen? China ist sehr darauf bedacht, von keinem Importpartner abhängig zu werden, auch nicht von Russland. Außerdem steigt Chinas Öl- und Gasverbrauch bei der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung nicht so schnell, wie vor einiger Zeit noch erwartet. Diese Gründe sprechen dagegen, dass sich Russlands Erwartungen, sinkende Exporte nach Europa mit Hilfe Chinas ersetzen zu können, erfüllen werden. Überdies hofft Russland auf ein Ausmaß an chinesischen Investitionen, das die mangelnde Attraktivität der eigenen Wirtschaft und Chinas derzeitige wirtschaftliche Probleme ausblendet.
Viele beschreiben die russisch-chinesische Beziehung als ein Zweckbündnis. Gibt es auch gemeinsame Grundlagen für eine langfristige Partnerschaft?
Immer wieder werden die Ablehnung einer von den USA dominierten unipolaren Weltordnung und gemeinsame Prinzipien in den internationalen Beziehungen als Basis einer chinesisch-russischen Partnerschaft genannt. Diese Basis trägt allerdings nur soweit, als nicht bedeutende eigene Interessen beschädigt werden. Überdies setzt China gerade Amerikas "unipolarem Moment" ein Ende, ohne hierfür russische Hilfe zu benötigen.
Was sind die größten Probleme und Hindernisse bei der Entwicklung der bilateralen Beziehungen?
Die wirtschaftlichen Beziehungen sind bisher vergleichsweise einseitig. China importiert Rohstoffe aus Russland und exportiert Fertigprodukte. Ausnahmen von der Regel bildeten die Nuklear- und Rüstungsindustrie, die jetzt wegen Chinas gestiegener eigener Kapazitäten schrittweise wegfallen. Energieimporte aus Russland sind nur sehr langsam etabliert worden und haben weniger Ausbaupotenzial, weil die beiden Regierungen unterschiedliche Preisvorstellungen haben und China seine Importe sehr bewusst diversifiziert. Im diplomatischen Bereich will man sich nicht zu eng an den jeweils anderen binden und schon gar nicht andere Interessen für diese Beziehung opfern. Außerdem steht Russland Chinas zunehmender wirtschaftlicher Dominanz in Zentralasien trotz aller Beschwichtigungen misstrauisch gegenüber.
Die Chinesen sind an militärischer Zusammenarbeit sehr interessiert. Wie weit würden die beiden Länder in diesem Bereich gehen?
Russland ist weiterhin der wichtigste Rüstungsexporteur nach China. Die Ausmaße des Waffenhandels haben aufgrund zunehmender chinesischer Eigenproduktion abgenommen. Dafür ist Russland nun aber bereit, auch seine modernsten Waffensysteme an China zu verkaufen, um die Handelsbeziehungen in diesem Bereich aufrechtzuerhalten. Gemeinsame Militärmanöver im multilateralen Rahmen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit hat man schon lange abgehalten, in letzter Zeit sind es aber zunehmend auch bilaterale Übungen. Bemerkenswert war die gleichzeitige Präsenz russischer und chinesischer Schiffe in unmittelbarer Nähe der zwischen Japan und China umstrittenen Senkaku- / Diaoyu-Inseln vor zwei Wochen. Mehr als derartige symbolische Unterstützung ist allerdings nicht zu erwarten.
Thomas Eder ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Berliner Mercator Institut für China-Studien (MERICS) und Experte für russisch-chinesische Beziehungen insbesondere im Bereich Energiepolitik