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Dialog und Transparenz

10. Dezember 2009

In Berlin gibt es fünf große Moscheen und mehr als 80 Gebetsstätten in Hinterhöfen und Fabriketagen. Dort trifft man sich nicht nur zum Gebet, sondern auch zu Deutsch-Kursen und kulturellen Veranstaltungen.

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Muslime beten in der Moschee der Tuerkisch-Muslimischen Gemeinde in Berlin (Foto: AP)
Bild: AP

In Berlin mit seinen fast dreieinhalb Millionen Einwohnern leben nach Schätzungen 120.000 Menschen muslimischer Herkunft. Die meisten dieser Muslime haben einen türkischen oder arabischen Hintergrund. Hinzu kommen einige wenige Moschee-Gemeinden von Minderheitengruppen wie den Aleviten, Bosniaken, urdusprachigen und afrikanischen Muslimen.

Neben fünf repräsentativen Moscheebauten, in denen die Muslime in der Stadt beten können, wird vor allem in den mehr als 80 islamischen Gebetsstätten in Hinterhöfen, Garagen und Fabriketagen gebetet. Dort trifft man sich nicht nur zum Gebet, sondern auch zu Deutsch-Kursen und kulturellen Veranstaltungen. Allerdings sind die Moschee-Gemeinden unterschiedlich in ihre Stadtbezirke oder auch Kieze eingebunden.

Mehr Transparenz durch Freitagsgebete auf Deutsch

Mehr Transparenz im Kiez, ein starkes gesellschaftspolitisches Engagement im Wohnumfeld und eine stärkere Bedeutung der deutschen Sprache im Gemeindealltag - das sind Entwicklungen, die Berlins Moschee-Gemeinden heute prägen. Die muslimische Gemeinschaft ist damit zu einem wichtigen integrationspolitischen Akteur geworden.

Das Angebot der Moschee-Gemeinden hat sich in den letzten Jahren stark verändert, denn inzwischen ist eine neue Generation Berliner Muslime herangewachsen - gebildet und hier sozialisiert. Der deutschen Sprache kommt im Gemeindeleben mittlerweile eine größere Bedeutung zu. Zunehmend gehen Gemeinden dazu über, die Freitagspredigten auf Deutsch zu halten beziehungsweise zu übersetzen.

Moschee-Gemeinden kooperieren erfolgreich mit Bezirkseinrichtungen

Viele Moschee-Gemeinden kooperieren mit Stadtteil-Initiativen, Schulen und Trägern der freien Wohlfahrtspflege, vor allem im Bereich von Erziehung und Bildung. Dies trifft beispielsweise auf die Haci-Bayram-Moschee zu, eine der ältesten Moscheegemeinden in Berlin - eine klassische Hinterhof-Moschee.

Von der ersten Generation türkischer Gastarbeiter wurde die Gemeinde in den 1970er-Jahren gegründet, war von Selcuk Saydam zu erfahren. Er ist in der Moschee für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Wichtig ist für ihn vor allem, dass die Mitglieder der Gemeinde in Berlin-Wedding heimisch geworden sind: "Sie sind rausgekommen aus den Hinterhöfen und jetzt mitten in der Gesellschaft - ein Teil der Gesellschaft, ein Teil des Kiezes und natürlich auch ein Teil Deutschlands geworden." Ein Ziel der Gemeindearbeit bestehe darin, "starke Eltern, starke Schulen und starke Schüler zu haben", sagt Saydam. Die Arbeiterwohlfahrt als ein professioneller Akteur gerade im Bereich Elternarbeit helfe der Moscheegemeinde dabei.

Der Berliner Integrationsbeauftragte, Günter Piening (Foto: DW)
Der Berliner Integrations- Beauftragte, Günter PieningBild: Heiner Kiesel

Nach den Worten des Berliner Integrationsbeauftragten, Günter Piening, trägt die Kooperation zwischen religiösen Einrichtungen und Bezirkseinrichtungen auch dazu bei, gegenseitiges Verständnis aufzubauen. Das sei gerade im Soldiner Kiez, im Stadtteil Wedding, sehr gut gelungen. Piening nennt auch die Gründe dafür: "Wir haben es hier mit Moschee-Gemeinden zu tun, die sehr aktiv sind, die im Kiez Verantwortung übernehmen und transparent sind. Und trotzdem gibt es diese anti-islamische Stimmung." Statt den Islam auszugrenzen, sei es wichtig, ihn als gleichberechtigte Religion anzuerkennen, so Berlins Integrationsbeauftragter.

Islam als gleichberechtigte Religion

Angesichts des Minarett-Verbots in der Schweiz äußern sich Moschee-Vertreter und Muslime in Berlin zu diesem Thema, so auch die türkischstämmige Pinar Cetin, Mitglied des Vorstands der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), die selbst auch Führungen für Besucher in der Sehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln macht, der prächtigsten Moschee Berlins, auf dem Gelände des alten Türkischen Friedhofs am Columbiadamm.

Die Muslimin Pinar Cetin beantwortet Fragen von Besuchern in der Sehitlik-Moschee am Tag der Offenen Moschee (Foto: AP)
Die Muslimin Pinar Cetin beantwortet Fragen von Besuchern in der Sehitlik-Moschee am Tag der Offenen Moschee (Archivfoto)Bild: AP

Cetin spricht von einer zunehmenden islamfeindlichen Stimmung mitten in der Gesellschaft. Trotzdem gibt sie die Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden werde, nicht auf: "Ich denke, dass wir sehr viel Arbeit leisten, um zu zeigen, dass es keine Bedrohung ist, wenn man ein Minarett oder eine Moschee hat." Cetin wies darauf hin, dass die Gläubigen, die in die Moschee kommen, zum großen Teil einfache Menschen seien, die ihren Glauben praktizieren möchten.

Toleranz für bosnische Muslime kein Fremdwort

Bereits 1989, mit dem beginnenden Zerfall von Ex-Jugoslawien, kamen viele bosnische Flüchtlinge nach Deutschland, die meisten von ihnen Muslime. Sie brauchten einen Ort, um sich zu treffen und die traumatischen Erlebnisse gemeinsam zu verarbeiten. Bis heute kommen wöchentlich etwa 300 bis 500 Menschen in das Islamische Kulturzentrum der Bosniaken in Berlin-Kreuzberg, sagt Meho Travljanin, der sich im Zentrum engagiert. Er selbst kam als Kind mit der Mutter und zwei Geschwistern nach Deutschland. Jetzt versucht er, "den Menschen den Islam so nahe zu bringen, wie der Islam ist: offen, lebenstauglich". In Bosnien-Herzegowina habe man immer Seite an Seite mit katholischen oder orthodoxen Kirchen gelebt, sagt Travljanin. Deshalb sei den bosnischen Muslimen das Zusammenleben mit anderen Religionen nicht fremd. Wichtig sei die Toleranz.

Vor allem Jugendlichen wird im Zentrum geholfen. Sie sollen lernen, ihren Platz im Leben zu finden, und sie erhalten auch Nachhilfeunterricht. Im Gegensatz zu ihren Eltern hat sich die junge Generation hier gut zurechtgefunden und schnell die Sprache gelernt. Stolz berichtet Travljanin, dass mittlerweile 50 bis 60 Prozent der bosnischen Jugendlichen in Deutschland studieren.

Kein Feindbild Islam aufbauen

Im Interkulturellen Zentrum für Dialog und Bildung in Berlin-Wedding, das vorrangig von arabischstämmigen Menschen besucht wird, engagiert sich der aus Tunesien stammende Faical Salhi. Hier werde nicht nur gebetet, sondern auch offen über Themen wie "Islamophobie" gesprochen, über Probleme, die Muslimen mittlerweile in Deutschland Sorgen machen. Da gehe es auch um das Kopftuchverbot und den so genannten Ehrenmord. "Wir nehmen gerne Kritik auf und versuchen dann einiges auch bei uns hier zu ändern. Wir sind aktiv in unserem Kiez, wir sind bei Straßenfesten, bei Aktivitäten in der Kirche oder woanders und mischen gerne mit", sagt Salhi.

Nach seiner Meinung zum Minarettverbot in der Schweiz befragt, entgegnet Salhi, dass man einen Volksentscheid einerseits respektieren müsse, aber dieses Verbot könne auch negative Folgen haben: "So eine Aktion wirft uns natürlich Jahrzehnte zurück, denn hier fühlen sich die Muslime dann ausgeschlossen. Ich finde, das ist nicht Europa 2010. Ich wünsche mir, dass wir zumindest in Deutschland und Nachbarländern davon wegkommen, dass wir immer ein Feindbild brauchen."

Autorin: Sabine Ripperger

Redaktion: Kay-Alexander Scholz