Was die Hitze mit der Energie macht
3. August 2018Deutschland schwitzt. Freuen darf sich, wer eine Klimaanlage im Büro oder im Auto hat, Eis in der Tiefkühltruhe oder Getränke frisch aus dem Kühlschrank. 1,36 Milliarden Kilowattstunden pro Tag verbrauchen die Deutschen derzeit etwa am Tag - und damit gut sechs Prozent mehr als im Schnitt in den beiden vergangenen Sommern.
Die Stromversorgung sei trotz der Hitze nicht gefährdet, versichert das Wirtschaftsministerium. Auch der Börsenstrompreis klettere deswegen nicht, sagt Christoph Podewils von der Denkfabrik Agora Energiewende - der Anstieg in letzter Zeit sei vor allem Folge der gestiegenen Preise für Kohle und Gas und der erhöhten Preise für den CO2-Ausstoß im Energiesektor in der EU. Auswirkungen auf die Energiebranche haben die Temperaturen aber trotzdem reichlich:
SOLAR
Die Sonne knallt den ganzen Tag, da müsste es doch Solarstrom ohne Ende geben - könnte man meinen. Aber so ist es nicht. Gut 44 Gigawatt Leistung sind in Deutschland installiert, die Anlagen liefern aber rund 24 bis 28 Gigawatt, also etwa zwei Drittel der möglichen Leistung. Der Grund: Der Wirkungsgrad der Anlagen nimmt mit zunehmender Temperatur der Module ab. Solarrekorde werden daher eher an warmen, sonnigen Frühlingstagen gemessen, zum Beispiel um Pfingsten herum, nicht im Hochsommer.
WIND
Für die Windstrom-Branche sind es keine allzu guten Tage. An Land und im Meer sind die Anlagen weit davon entfernt, ihre theoretische Höchstleistung von zusammen gut 58 Gigawatt zu liefern. Lang anhaltende Hitze- und Trockenperioden gehen meist auch mit lang anhaltenden Hochdruckwetterlagen einher, heißt es beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). "Bei diesen Wetterlagen kommt der Wind praktisch zum Erliegen und damit auch die Stromproduktion aus diesen Anlagen."
BIOGAS
Nicht nur aus Biomüll, Gülle und Mist, sondern auch aus Pflanzen entsteht Biogas. Auf rund 1,4 Millionen Hektar in Deutschland werden sie angebaut, vor allem Mais und Gras. Der Fachverband Biogas verweist darauf, dass die Ernte noch nicht abgeschlossen sei. Ausfälle seien aber schon spürbar. "Die Ernte von Acker- und Wiesengras ist extrem unbefriedigend", sagt Geschäftsführer Stefan Rauh. "Wenn - wie befürchtet - die Trockenheit anhält, bekommen Anlagen auf Basis von Grünland massive Probleme." Auch bei Mais sei in vielen Fällen mit Einbußen über 50 Prozent zu rechnen.
Die Betreiber der Biogasanlagen müssten sich Gedanken machen, wie und wann sie die vorhandenen Substratmengen einsetzten und ob alternative Substrate verfügbar seien. Möglich sei etwa, jetzt die Leistung zu drosseln und im Winter wieder hochzufahren, wenn der Bedarf an Wärme steige. Wärme ist in Biogasanlagen ein Nebenprodukt der Stromerzeugung. "Klar ist aber auch, dass eine Drosselung mit massiven wirtschaftlichen Einbußen verbunden ist", sagte Rauh. Existenzbedrohende Szenarien seien möglich.
STEINKOHLE und ATOMKRAFTWERKE
Beide Kraftwerkstypen bekommen Probleme, wenn die Gewässer, die sie zur Kühlung nutzen, zu warm werden. In der Oberflächengewässerverordnung ist geregelt, ab welchen Fluss-Temperaturen die zuständigen Wasserbehörden eine Drosselung von Kraftwerken verfügen können. "Je nach Größe und Typ des Gewässers sowie der jeweiligen Fischfauna liegt dieser Wert zwischen 18 und 25 Grad", heißt es dazu beim BDEW. Zudem dürfe sich die Temperatur in einem Fließgewässer durch das Einleiten von Kühlwasser um nicht mehr als drei Grad verändern.
PreussenElektra etwa muss derzeit nach eigenen Angaben im Kraftwerk Brokdorf ein bis zwei Stunden am Tag die Leistung zum Schutz der Elbe um etwa zwei Prozent senken. Die Sicherheit der Atomkraftwerke sei durch die Hitze in keiner Weise beeinträchtigt, betonte eine Sprecherin. EnBW betreibt das Kernkraftwerk Philippsburg und hat die Leistung von Block um rund zehn Prozent reduziert. Das RWE-Steinkohlekraftwerk in Hamm war am vergangenen Wochenende zwischenzeitlich wegen Problemen beim Kohlenachschub abgeschaltet. Wegen des Niedrigwassers auf dem Rhein können die Kohlefrachter derzeit nicht voll beladen werden.
BRAUNKOHLE
Anders als Steinkohle muss Braunkohle nicht importiert werden, sondern wird in der Regel nahe am Tagebau zu Strom - entweder führen Fließbänder oder kurze Schienenwege direkt ins Kraftwerk. Auch mit der Kühlung gebe es keine Probleme, da dafür "Sümpfungswasser", also Grubenwasser aus dem Bergbau, verwendet werde, sagte ein Sprecher des Bundesverbands Braunkohle DEBRIV: "Es sind keine Leistungseinschränkungen zu erwarten." Die Nachfrage sei für Sommerverhältnisse "sehr groß".
BIOSPRIT
Wie die Biogas-Anlagen sind auch die Biosprit-Hersteller auf Energiepflanzen angewiesen. Ob und wie die maue Ernte von Getreide sich auswirke, ließe sich aber noch nicht vorhersagen, erklärte eine Sprecherin des Bundesverbands der deutschen Bioethanolwirtschaft. Denn auch aus Zuckerrüben entstehe Kraftstoff, und bis die geerntet würden, dauere es noch. Indes bräuchten die Rüben viel Wasser. Rohstoff-Knappheit und höhere Preise könnten sich zwar auf die Biosprit-Preise auswirken. Um zu sagen, ob es so komme, sei es aber noch zu früh.
BINNENSCHIFFFAHRT
Auf der wichtigsten deutschen Wasserstraße für Güter, dem Rhein, können Schiffe zurzeit wegen der Dürre nur mit wenig Ladung fahren. Dies teilte die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt der Deutschen Presse-Agentur mit. Auch auf der Elbe und der Oder sei der Schiffverkehr infolge niedriger Pegelstände sehr eingeschränkt. "Sollte das warme Hochdruckwetter anhalten und keine entscheidenden Niederschläge fallen, werden die Wasserstände weiter fallen", sagte Sprecherin Claudia Thoma. "Gegebenenfalls kann der Schiffsverkehr dann streckenweise zum Erliegen kommen." Auch könnten Warentransporte auf den Flüssen teurer werden.
Wenn es in den nächsten Tagen weiter nicht regne, könnte die Schifffahrt auch auf der Donau eingestellt werden, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt, Jens Schwanen. Von weit größerer Bedeutung ist aber der Rhein: Auf dem Fluss werden laut dem Verband rund 80 Prozent aller Güter der Binnenschiffer transportiert.
So schlimm wie im Rekordsommer 2003 ist die Lage aber noch nicht. Der Rhein hat laut Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt noch rund 50 Zentimeter mehr Wasser als damals. Zudem gibt es auf einigen Flüssen kaum Einschränkungen für Schiffe. Dort, wo es Schleusen gibt, etwa im westdeutschen Kanalgebiet, sowie an Mosel, Neckar, Main, Weser oder Havel, kann der Wasserstand manuell reguliert werden.
ul/zdh (dpa)