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Kollektives Walsterben

Das Interview führte Judith Hartl2. März 2009

Regelmäßig verenden - wie zur Zeit in Neuseeland - ganze Wal-Herden qualvoll im Sand. Rettung ist selten möglich. Denn die Herde will zusammenbleiben, keiner wird zurückgelassen, sagt Walforscherin Anja Gallus.

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Über 200 Grindwale sind an der australischen Küste gestrandet
GestrandetBild: picture-alliance/dpa

DW.DE: Frau Gallus, weiß man eigentlich, weshalb Wale immer wieder stranden?

Anja Gallus, Walforscherin, Meeresmuseum Stralsund: So etwas passiert meistens bei Tieren, die in Gruppen, also in diesen Schulen vorkommen. Grindwale heißen ja auch Pilotwale, auf englisch pilote whale, das bedeutet, die Tiere folgen einem Leittier. Wenn das Tier erkrankt ist und sein Echoortungssystem gestört ist, kann es sich leicht in flachere Gewässer verirren und die ganze Herde folgt dem Leittier.

Anja Gallus, Walforscherin, Ozeaneum, Stralsund (photo: privat)
Walforscherin Anja GallusBild: Anja Gallus

Es wird auch spekuliert, dass das Echoortungssystem in flachen und vor allem in sandigen Gewässern gestört wird, so dass die Tiere falsche Informationen oder irreführende Signale erhalten. Und: Wale orientieren sich auch am Magnetfeld der Erde. Wenn es da Störungen gibt, kann auch das dazu führen, dass die Tiere sich verirren.

Außerdem können Wale auch durch Unterwasserlärm gestört werden, zum Beispiel durch Schüsse, Sprengungen oder seismische Untersuchungen. Da schwimmen Wale dann oft völlig orientierungslos durch die Gegend.

Also unterschiedliche Ursachen, nicht nur der Mensch ist schuld ....

Nein, das kann man so nicht sagen. Man ist noch immer dabei, herauszubekommen, was die Hauptursache ist. Denn es gab auch schon Massenstrandungen vor dem Industriezeitalter.

Gestrandete Grindwale
Bild: AP

Warum ist es eigentlich so schwer, gestrandete Wale wieder ins Meer zurückzuschieben?

Das kann daran liegen, dass die Tiere einfach schon sehr geschwächt sind, weil sie an Land liegen. Oft ist es aber auch so, dass die Tiere krank sind. Häufig findet man bei den Tieren Würmer im Gehörgang und im Gehirn. Das kann die Orientierung und den Gleichgewichtssinn massiv beeinträchtigen.

Außerdem ist der Herdentrieb sehr stark. Das heißt, wenn auch nur ein einziges Tier an Land ist, haben die anderen das Bedürfnis, bei dem Tier zu bleiben. Und dementsprechend schwierig ist es, alle Tiere gleichzeitig wieder ins Wasser zurückzubringen.

Kommen Grindwale, die jetzt vor der neuseeländischen Küste gestrandet sind, noch zahlreich vor?

Das ist sehr schwierig zu sagen, denn man weiß nicht, wie viele Tiere dieser Art es genau gibt. Und weil man keine Bestandszahlen hat, kann man sie auch nicht in der "Roten Liste“ der gefährdeten Tierarten aufführen.

Weshalb kann man sie nicht zählen?

Diese Tiere sind meistens sehr weit von der Küste entfernt unterwegs, immer in größeren Gruppen. Und es ist sehr schwierig, diese Gruppen zu finden, da die Tiere immer nur kurz zum Atmen an die Oberfläche kommen und außerdem das Gebiet, in dem sie vorkommen können, sehr groß ist.

Mehrere Grindwale schwimmen in einer Schule (Foto: picture alliance)
GrindwaleBild: picture-alliance / united-archives/mcphoto

Ist es einfacher, andere Walarten zu zählen?

Ja, es ist zum Beispiel einfacher, Buckelwale zu zählen. Weil man ganz genau weiß, wo die Wanderrouten dieser Tiere verlaufen und wo sie sich zu welcher Jahreszeit aufhalten. Buckelwale suchen immer wieder die gleichen Gebiete auf. Und so kann man über die Jahre hinweg auch einzelne Individuen wiedererkennen und dementsprechend auch die Gruppengröße bestimmen.

Grindwale werden bis zu sechs Meter lang - Wale stellt man sich größer vor .....

Ja, das ist natürlich relativ. Es gibt Wale, die werden nur 1,50 Meter lang, zum Beispiel die Schweinswale, die in der deutschen Nord- und Ostsee vorkommen und die größten Wale werden 30 Meter lang. Das kann ganz unterschiedlich sein.

Was also macht Wale aus? Was sind ihre gemeinsamen Merkmale außer dass sie Säugetiere sind?

Genau, sie sind Säugetiere, die ständig im Wasser leben, anders zum Beispiel als Robben, die ja auch an Land sein können. Das heißt, Wale haben sich so gut ans Wasser angepasst, dass sie nicht mal mehr zeitweise an Land gehen müssen, zum Beispiel, um sich fortzupflanzen. Sie haben ihre hinteren Gliedmaßen fast komplett zurückgebildet, sie haben keine Ober- und Unterschenkel mehr, es gibt nur noch ganz kleine Knochen, die als Beckenknochen bekannt sind. Gleichzeitig hat sich bei den Walen, vor allem bei den Zahnwalen, das so genannte Echoortungssystem entwickelt, mit dem sich die Tiere in ihrem neuen Medium Wasser orientieren können und ihre Nahrung finden.

Das heißt, Wale sind Säugetiere, die irgendwann einmal vom Land ins Meer zurückgegangen sind?

Das ist richtig. Sie stammen ursprünglich von Huftieren ab. Das kann man sich schlecht vorstellen, wenn man eine Kuh oder ein Pferd daneben stellt, aber so ist es tatsächlich. Die Vorfahren der Wale waren ursprüngliche Huftiere, die sich irgendwann wieder ans Wasser angepasst haben und mittlerweile ständig im Wasser leben.