Erfolgsgründe der AfD
15. September 2014"Die AfD spricht Tabu-Themen an, die andere Parteien vernachlässigen oder um die sie sich sogar ganz drücken", sagt Jürgen Falter, Leiter des Politikwissenschaftlichen Instituts an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und nennt Beispiele. Das Thema "Einwanderung aktiv steuern" sei bei allen etablierten Parteien sehr heikel und werde ausgeklammert.
Die AfD wolle, dass die deutsche Politik wie in Kanada, Australien oder in der Schweiz nach einem festen Kriterienkatalog definiert, wer nach Deutschland einwandern darf. Nach Vorstellung der AfD sollen dies nur noch hoch motivierte, gesunde, gut gebildete und leistungsfähige Menschen sein. Dieses Thema treffe angesichts der steigenden Zahlen von Asylsuchenden den Nerv vieler Bürger, die eine strengere Einwanderungspolitik unterstützen, aber nicht gleich als ausländerfeindlich oder rechtsradikal eingestuft werden wollen.
Ein großes Thema für AfD-Wähler sei , so Professor Jürgen Falter, der Umgang mit der Krisenwährung Euro: "AfD-Wähler befürchten ein Abrutschen in ein unübersehbares Schuldensystem." Dies sei wieder ein Thema, das die übrigen Parteien mehrheitlich nicht so negativ beurteilen und jede kritische Stimme dazu verdrängten. Ebenso verhalte es sich mit dem für Ostdeutschland besonders wichtigen Problem der Grenzkriminalität, für das die AfD ein schärferes Vorgehen fordert. Das "Totschweigen" bestimmter Themen seitens der etablierten Parteien bringe der AfD Stimmen aus inzwischen allen politischen Lagern, lautet die Analyse vieler Politikwissenschaftler.
Verteufelung der AfD war falsch
"In der AfD fühlen sich diese Wähler verstanden. Sie dürfen ihre Meinung äußern" , beschreibt Oskar Niedermayer, Politikwissenschaftler an der Freien Universität in Berlin das AfD-Phänomen. Besonders die Ausgrenzung der AfD-Wähler als Unterstützer einer indiskutablen, rechtspopulistischen Bewegung und die geschlossen ablehnende Haltung der in Berlin regierenden Koalitionsparteien SPD, CDU und CSU gegenüber der "Alternative für Deutschland", wie sich die AfD selbstbewusst nennt, habe zu einer Art Solidarisierung vieler Wähler geführt. So lautet die Erklärung von Oskar Niedermayer.
Die Ausgrenzung werde als Arroganz der übrigen Parteien verstanden. "Die Menschen nicht ernst zu nehmen und pauschal mit der Bezeichnung rechtspopulistisch zu diskreditieren, war ein falscher Weg". Niedermayer empfiehlt eine sachliche Auseinandersetzung mit der AfD. Ignorieren könne man die Partei spätestens nach den Ergebnissen der Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen ohnehin nicht mehr.
Unzufriedenheit in allen politischen Lagern
Die AfD profitiert von vielen Unzufriedenen mit anderen Parteien und von vielen Nichtwählern, bestätigen die Politikwissenschaftler Falter und Niedermayer einstimmig. Viele bisherige Anhänger der CDU wollten den Modernisierungskurs von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel nicht mehr mittragen. Die CDU habe sich weiter nach links bewegt, sodass politisch rechts von der CDU ein Vakuum entstanden sei, lautet die Analyse von Niedermayer und Falter. FDP Anhänger fühlen sich von den marktwirtschaftlich orientierten Politikern der AfD stark angezogen. Anhänger von Linken oder Grünen seien hauptsächlich von den Leistungen der Parteien in einer Regierungsverantwortung enttäuscht und daraufhin zur AfD gewechselt. Die geringe Wahlbeteiligung und die stärkere Teilnahme wertkonservativer Bürger habe ebenfalls zum Erfolg der AfD beigetragen.
Keine Verrückten
Ein Anziehungspunkt für viele Wähler ist nach den Analysen das Personal der Partei. AfD-Parteichef Bernd Lucke war Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg. Zahlreiche Persönlichkeiten in der Partei genießen mit ihrer bisherigen Lebensleistung einen untadeligen Ruf. Unter ihnen ist zum Beispiel der ehemalige IBM-Industriemanager und langjährige Leiter des Bundesverbands deutscher Industrie (BDI), Hans Olaf Henkel. "Natürlich spielt das Personal der Partei auch eine Rolle", sagt Parteiforscher Jürgen Falter.
Und Oskar Niedermayer ergänzt: "Ein Abdrängen in die extremistische Szene oder in die Nähe von Spinnern funktioniert kaum". Man könne sicher über die von der AfD angebotenen politischen Lösungen streiten, aber eine Diskreditierung des Personals werde schwierig. "Wenn die Parteimitglieder sich nicht zerstreiten wie bei der Piratenpartei, dann kann die AfD Bestand haben", schätzt Jürgen Falter die weiteren Erfolgsaussichten ein.
Die bisherige Erfolgsbilanz
Die Wahlergebnisse der AfD sprechen für sich: 10,6 Prozent in Thüringen, 12,2 Prozent in Brandenburg, 9,7 Prozent in Sachsen und 7 Prozent der deutschen Wählerstimmen konnte die AfD bei der Europawahl im Mai diesen Jahres gewinnen. In Ostdeutschland erhielt die neue Partei fast doppelt soviel Zuspruch als die seit mehr als 30 Jahren existierenden Grünen. Die AfD sorgte mit dafür, die ohnehin schwächelnde liberale FDP derart zu marginalisieren, dass die FDP gar nicht mehr in die Landtage kommt.