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Warten auf den Abschied am Sarg

Daniel Pelz11. Dezember 2013

Drei Tage lang wird der Leichnam Nelson Mandelas in Südafrikas Hauptstadt Pretoria aufgebahrt. Hunderttausende haben sich auf den Weg dorthin gemacht. Bis sie tatsächlich am Sarg stehen, vergehen Stunden des Wartens.

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Menschen stehen Schlange, um von Mandela Abschied zu nehmen (Foto: REUTERS/Mujahid Safodien)
Bild: Reuters

Letzter Gruß an Nelson Mandela

Seit sieben Uhr morgens stehen die Menschen Schlange auf dem Parkplatz von Fountain Valley, einem Park am Rande der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria. "Ich kann auch zwei Tage warten, dass macht mir nicht aus", sagt Ndudu Zulu, ein schlaksiger Dreißigjähriger in einem gelben T-Shirt der Regierungspartei ANC. Seit drei Stunden steht er jetzt hier, während die Sommersonne an Kraft gewinnt. Nur kurz bietet eine Brise etwas Kühlung, auf dem Parkplatz gibt es kaum Schatten.

Wer den Leichnam Nelson Mandelas sehen möchte, muss Zeit mitbringen. Die Innenstadt ist komplett abgeriegelt. An mehreren Großparkplätzen außerhalb des Stadtzentrums hat die Regierung einen Bustransport eingerichtet. "Sie haben uns gesagt, dass zwei Busse pro Stunde kommen sollen. Aber noch haben wir keinen gesehen", sagt eine Frau etwa weiter hinten in der Schlange.

Fotografieren verboten

Bis Freitag (13.12.2013) ist der Leichnam Nelson Mandelas in den Union Buildings, dem Sitz der südafrikanischen Regierung, aufgebahrt. Drei Tage lang können die Südafrikaner hier Abschied von ihrem Nationalhelden nehmen.

Der Leichnam ist in eines der Batikhemden gekleidet, in denen Mandela häufig öffentlich auftrat. Dieses ist braun-gelb gemustert. Vier Soldaten halten neben ihm Wache. Handys dürfen die Besucher nicht mitbringen, Fotos vom Leichnam soll es aus Pietätsgründen nicht geben.

Tränen bei der Familie

Am ersten Tag gehört der Vormittag der Familie und der politischen Prominenz. Mandelas Tochter Zindzi bricht weinend vor dem Leichnam zusammen. Seine Witwe Graca Machel und seine Exfrau Winnie Mandela betreten das Gebäude zusammen mit Südafrikas Staatschef Jacob Zuma. Alle drei gehen mit gesenktem Blick und hängenden Schulten. Statements für die Reporter gibt es keine.

Auch der ehemalige Präsident Frederik Willem de Klerk, der Nelson Mandela im Jahr 1990 aus dem Gefängnis entließ, ist gekommen. Seine Frau wischt sich vor den Kameras Tränen aus den Augen. Simbabwes Staatschef Robert Mugabe lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen, die Kameras für einen seiner Auftritte zu nutzen. "Afrika ist ohne Mandela verloren", sagt er dem südafrikanischen Staatssender SABC. Er sei ein wahrer "Revolutionär" gewesen. Ob sich Südafrikas Freiheitsheld über das Kompliment des autokratischen Herrschers gefreut hätte, darf bezweifelt werden.

Präsident Zuma am Sarg Mandelas (Foto: MARCO LONGARI/AFP/Getty Images)
Präsident Zuma am Sarg MandelasBild: Marco Longari/AFP/Getty Images

Die Emotionen schlagen höher

Auf dem Parkplatz am Fountain Valley macht derweil der Eisverkäufer gute Geschäfte. Zum wiederholten Male schiebt er seine weiße Karre an der Schlange vorbei. Immer mehr Menschen halten orangefarbenes Wassereis am Stil in der Hand, während sich der Parkplatz weiter füllt. Ein Bus ist noch immer nicht da.

Jen Hewitt setzt sich eine große Sonnenbrille auf. Während die 25-jährige Studentin auf den Bus wartet, denkt sie laut nach über ihre ganz persönlichen Mandela-Erlebnisse. "Ich war sechs Jahre alt, als er aus dem Gefängnis entlassen wurde", erinnert sie sich. "Der Unterricht wurde unterbrochen und wir haben uns die Übertragung im Fernsehen angesehen. Zu Lebzeiten Nelson Mandelas auf der Welt gewesen zu sein - das ist ein echtes Privileg“, sagt Jen. "Es war richtig traurig, dass das Stadion beim Gedenkakt nicht voll war; er hätte es verdient."

MenschenMenschen stehen Schlange, um von Mandela Abschied zu nehmen (Foto: DW/Daniel Pelz)
Wer Mandela sehen möchte, muss stundenlanges Warten in Kauf nehmenBild: DW/D. Pelz

Dafür drängeln sich nun die Massen auf den Parkplätzen rund um Pretoria - nicht nur beim Fountain Valley: Auf dem Messegelände von Pretoria werden die wartenden Menschen ungeduldig und beschweren sich lauthals darüber, dass die Schlangen immer länger werden. Schließlich rückt die Bereitschaftspolizei ein und sorgt für Ruhe.

Trauer und Dankbarkeit

Die grüne Wiese vor den Union Buildings ist dagegen in der Hand der Weltmedien. Rund um das Reiterstandbild von Südafrikas erstem Premierminister Louis Botha stehen die Übertragungswagen dicht an dicht. Reporter sprechen in die Kameras und versuchen, den Lärm der Polizeihubschrauber in der Luft zu übertonen.

Immer wieder werden weinende Menschen am Spalier der Reporter vorbeigeführt, manche von Polizisten gestützt. "Ich wollte schon immer einmal Nelson Mandela treffen, als er noch am Leben war. Aber wenigstens hat es jetzt geklappt", sagt die 14-jährige Curoso Gay und schaut traurig aus den großen, dunklen Augen. Mit ihrem Vater ist sie aus Johannesburg in die Hauptstadt gekommen. Sechs Stunden hat es gedauert, bis sie bei Mandela war. "Erst war ich richtig traurig, aber dann habe ich gedacht, es schon in Ordnung, dass er gestorben ist. Er war doch schon sehr alt und krank", sagt sie mit fester Stimme und drückt tapfer die Hand ihres Vaters.

Johanna Maleka (r.) und eine Freundin verlassen die Union Buildings, nachdem sie die Leiche Nelson Mandelas gesehen haben (Foto: DW/Daniel Pelz)
Johanna Maleka (r.) und eine Freundin verlassen die Union BuildingsBild: DW/D. Pelz

Viele der Menschen, die aus den Union Buildings kommen, tragen Pappschilder mit dem Konterfrei Mandelas. Zahlreiche Tageszeitungen haben sie zur Verfügung gestellt. Eine von ihnen ist Johanna Maleka. Die 51-Jährige wischt sich noch schnell eine Träne aus dem rechten Auge. "Als ich vor seiner Leiche stand, habe ich geweint", sagt sie. "Aus Trauer über seinen Tod, aber auch aus Dankbarkeit, dass wir ihn bei uns hatten." Es sei ein Moment gewesen, von dem sie ihren Enkelkindern eines Tages erzählen würde.