Waldbrand ist nicht gleich Waldbrand
1. September 2019In einem Regenwald wie dem Amazonas sind gewaltige Waldbrände eine Katastrophe. Sie zerstören den Lebensraum von zehntausenden Pflanzen- und Tierarten unwiederbringlich. Brennt der Regenwald ab, gehen alle Nährstoffe verloren, denn sie sind im Regenwald in den Pflanzen selbst gespeichert, nicht im Boden.
Trotz der üppigen Vegetation und des einzigartigen Artenreichtums sind die Böden besonders karg und nährstoffarm. Herabgefallene Blätter oder Äste werden dank des ganzjährigen feucht-warmen Klimas sofort von Pilzen und Bakterien zersetzt und die freigesetzten Nährstoffe werden wieder von den Wurzeln und nicht dem Boden aufgenommen. Die dünne Humusschicht wird nach einem Waldbrand schnell ausgewaschen, spätestens drei Jahre nach dem Brand wächst in dem ausgelaugten Boden nichts mehr.
Tropische Regenwälder wie im Amazonas, aber auch im Kongobecken oder in Südostasien, bezeichnen Wissenschaftler deshalb als "feuerempfindliche Ökosysteme". Rund ein Drittel aller Ökosysteme weltweit gelten als "feuerempfindlich". Schwere Brände traten dort früher aufgrund der natürlichen Feuchtigkeit, der Vegetation und Struktur eher selten auf.
Bei einer längeren Dürre, ausgelöst etwa durch das Klimaphänomen El Niño, oder bei absichtlichen Brandlegungen - etwa für den großflächigen Holzeinschlag und bei der Umwandlung in Plantagen, entstehen dort aber schnell katastrophale Flächenbrände. Denn den Pflanzen und Tieren dort fehlt eine natürliche Widerstands- und Erholungsfähigkeit bei Bränden.
Reinigende Kraft des Feuers
So verheerend Waldbrände im Regenwald auch sind, so nötig ist die zerstörerische Kraft des Feuers für den Erhalt anderer Ökosysteme. Dort hat sich die natürliche Fauna und Flora zum Teil erst aufgrund der Brände entwickelt.
Erst regelmäßige Brände haben diesen Ökosystemen ihre markante Struktur gegeben. Das betrifft etwa dreiviertel aller Lebensräume weltweit, allen voran die sibirische Taiga, die afrikanischen Savannen, die südasiatischen Monsun- und Trockenwälder, die kalifornischen Nadelwälder, die australischen Eukalyptuswälder sowie die Mittelmeerregion.
In diesen vom Feuer abhängigen Ökosystemen besitzen Tiere und Pflanzen oftmals eine natürliche Widerstands- und Erholungsfähigkeit.
Die Art der Brände unterscheidet sich jedoch. In Graslandschaften, Savannen, in bestimmten Wäldern und Feuchtgebieten fegt meist nur ein mäßig intensives Bodenfeuer durch, das dafür sorgt, dass die offene Landschaftsstruktur erhalten bleibt.
In Buschlandschaften oder Wäldern dagegen sind eher seltene, dann aber sehr intensive Brände charakteristisch, die alte und kranke Bäume beseitigen, neuen Lebensraum schaffen und für eine ökologische Verjüngung des Baumbestands sorgen.
Greift der Mensch in diese Ökosysteme ein, verhindert er etwa zum Schutz der Bevölkerung diese kleineren Brände, kann dies fatale Auswirkungen haben. Denn so sammelt sich mit der Zeit mehr und mehr brennbares Material an. Auch harmlosere Brände können sich dann sehr schnell zu extrem zerstörerischen Feuerwalzen entwickeln. Dies passiert unter anderem immer wieder in Australien oder in den dichten Kiefernwälder im Südwesten der USA, die einst Graslandschaften waren.
Aber auch in feuerabhängigen Ökosystemen muss der Mensch zuweilen eingreifen, wenn Brände zu häufig auftreten, wie aktuell etwa in der sibirischen Taiga. Durch das dortige Bevölkerungswachstum und die Erschließung immer neuer Gebiete brechen dort immer häufiger Brände aus, die große Waldflächen vernichten und gewaltige Mengen an gespeichertem Kohlendioxid freisetzen.
Neues Leben dank des Feuers
Viele Pflanzen im Süden der USA, im Mittelmeerraum oder in Australien benötigen sogar das Feuer für ihren Fortbestand. Die nordamerikanische Tannenart Douglasie etwa übersteht durch ihre dicke Borke die meisten Brände und treibt danach frisch aus. Auch die nordamerikanische Lodgepolekiefer verspürt erst bei einem ordentlichen Waldbrand den Impuls, ihre Zapfen zu öffnen und ihre Samen freizusetzen, der australische Grasbaum benötigt die Rauchgase aus der Luft, um seine Samenkapseln öffnen zu können.
Ohne die sonst so dichten Baumkronen fällt nach einem Brand mehr Sonnenlicht auf den Waldboden und die Keimlinge finden ausreichend Nährstoffe, weil sie nicht mit anderen Pflanzenarten konkurrieren müssen.Sogar einige Insektenarten brauchen das Feuer zum Überleben. Die Larven des australischen Feuerkäfers beispielsweise können sich nur in frisch verbranntem Holz entwickeln. Dank seiner wärmeempfindlichen Sensoren kann der Feuerkäfer Brände in bis zu 50 Kilometern Entfernung aufspüren.
Auch die Nachkommen des in Europa beheimateten Kiefernprachtkäfers ernähren sich bevorzugt von verbranntem Holz. Andere durch den Rauch betäubte Käfer und Insekten sind wiederum für Störche und Greifvögel nach einem Waldbrand ein gefundenes Fressen.
Brandbeschleuniger Klimawandel
Durch den Klimawandel wird sich die Waldbrandgefahr weiter verschärfen. Im südlichen Mittelmeerraum etwa wird in einigen Jahrzehnten das ganze Jahr hindurch Waldbrandgefahr bestehen. Auch in Norditalien und der Iberischen Halbinsel wird die Wahlbrandsaison immer früher beginnen und immer länger andauern. Gleichzeitig nimmt die Häufigkeit von Blitzen zu, wodurch erneut häufiger Waldbrände entstehen werden.
Durch Waldbrände entstehen 15 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen, mehr als 30 Prozent des weltweiten Kohlenmonoxid-Ausstoßes, zehn Prozent des Methan-Ausstoßes und mehr als 85 Prozent des weltweiten Ruß-Ausstoßes.
Waldbrände tragen so massiv zur Klimaerwärmung bei, die wiederum zu einer Austrocknung und Schwächung der Wälder führt. Neue Feuer haben dort durch diesen zerstörerischen Kreislauf oft leichtes Spiel.