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Wahlk(r)ampf in Russland

Stephan Hille9. März 2004

Am 14. März ist Präsidentschaftswahl in Russland. Was heißt: Die Russen werden Wladimir Wladimirowitsch Putin im Amt bestätigen. Die anderen fünf Kandidaten kennt kaum einer. Weit und breit keine Spur von Wahlkampf.

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Nicht einmal Wahlplakate mit den Konterfeis der insgesamt sechs Kandidaten für die Kür zum russischen Staatsoberhaupt sind zu sehen. Einzig die Zentrale Wahlkommission agitiert auf Plakaten und Fernsehspots und ruft beständig die 108 Millionen wahlberechtigten Russen auf, am 14. März unbedingt zur Stimmabgabe zu erscheinen. Noch immer plagt die Kremlstrategen die Sorge, dass die Wahlbeteiligung unter die 50-Prozent-Marke fallen könnte und damit die Wahl wiederholt werden müsste. Eine Peinlichkeit, die der Kreml unbedingt vermeiden will.

Gut indoktriniert

Anstelle einer offiziellen Wahlkampagne des Präsidenten setzt der Kreml auf das bewährte Mittel der "administrativen Ressourcen". Landauf landab wird den Beamten und Staatsangestellten in den Provinzen eingehämmert, was am Wahlsonntag ihre erste Bürgerpflicht ist: ins Wahllokal gehen und das Kreuz an der richtigen Stelle machen. Die staatlichen Fernsehanstalten wiederum zeigen das Bild eines energischen und unermüdlich arbeitenden Präsidenten, während die Gegenkandidaten praktisch unerwähnt bleiben. Warum also bräuchte es da noch eine offizielle Kampagne, wenn Putins Tageswerk ohnehin in aller Ausführlichkeit bis in den letzten Winkel des Landes transportiert wird?

Wenn zwei sich streiten ...

Putins Nicht-Kampagne und die Ignoranz des Kremls gegenüber den anderen Kandidaten wird von dem Gros der Russen als normal hingenommen, während sich nur eine kleine Zahl der Demokraten darüber ereifert. Insofern spiegelt die anstehende Wahl nur die Interessen und Gemütslage der Bevölkerung wider. Die Russen stehen mehrheitlich hinter Putin, schließlich hat er ihnen in ihren Augen vor allem Stabilität und Ordnung nach dem Chaos der Ära Jelzin gebracht. Reformmüde hat sich das Gros der Russen von den Demokraten abgewandt. Auch, weil der ohnehin kleine Kreis der demokratischen Kräfte heillos untereinander zerstritten ist und sich nach der verheerenden Parlamentswahl im Dezember an der Frage aufrieb, ob die Präsidentschaftwahl zu boykottieren sei oder nicht.

Wer sind die Gegenkandidaten?

Und so wird die Wahl auch durch den Kreis der Gegenkandidaten zur Groteske. Irina Chakamada, einzige Kandidatin aus dem Lager der Demokraten, hat weder die offizielle Unterstützung ihrer eigenen Partei noch der übrigen Demokraten. Iwan Rybkin, Kandidat von Beresowskis Gnaden, diskreditierte sich durch sein rätselhaftes Verschwinden, für das er keine schlüssige Erklärung liefern konnte. Stattdessen schlug er mehrere Haken und warf schließlich entnervt das Handtuch. Die kommunistische Partei, immerhin die größte Oppositionspartei, schickte lediglich einen blassen Hinterbänkler ins Rennen.

Sie haben es so gewollt

Gewürzt wird die Wahlgroteske schließlich durch Wladimir Schirinowski, der seinen Leibwächter und Boxer zum Kandidaten und Sparingspartner für das Schattenboxen um die Macht im Kreml machte, sowie durch die originelle Kandidatur des Föderationsrats-Vorsitzenden Sergej Mironow. Der stellte klar, dass er nicht als Konkurrent, sondern als Knappe von Ritter Putin antritt: "Wenn der Führer in die Schlacht zieht, darf man ihn nicht alleine lassen." Zwar dürfte die Präsidentschaftswahl nicht das Gütesiegel einer Musterdemokratie verdienen, doch immerhin werden die Russen den Präsidenten bekommen, den sich die überwältigende Mehrheit wünscht. Und der heißt Putin.