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Wahlen auf Russisch - auch auf der Krim

Jegor Winogradow14. September 2014

In zahlreichen Regionen Russlands wurde an diesem Sonntag gewählt. Erstmals fanden Wahlen nach russischem Recht auch auf der annektierten Halbinsel Krim statt. Doch die Ergebnisse standen wohl schon lange fest.

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Gläserne Wahlurnen (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture alliance/dpa

In 14 Regionen Russlands haben an diesem Sonntag die Menschen ihre Parlamente gewählt - dazu gehörten auch die Bewohner der Krim sowie der Städte Moskau und St. Petersburg. Auch einige Gouverneure und Bürgermeister wurden gewählt. Offizielle Ergebnisse liegen bislang aber noch nicht vor.

Grigorij Melkonjanz von "Golos" (Stimme), einer Bewegung zum Schutz der Rechte von Wählern, meint, am interessantesten seien die Wahlen auf lokaler Ebene. Dort bestehe noch ein "gewisser Wettbewerb" unter den Kandidaten. Aufmerksamkeit verdienen dem Experten zufolge unter den großen Föderationssubjekten die Regionen Altai, Jakutien, Murmansk und Pskow. Dort könnte es bei den Gouverneurswahlen zu Stichwahlen kommen. Insgesamt sei der Wahlkampf jedoch langweilig gewesen. "Wir haben keine neuen, guten Ideen gesehen. Die TV-Debatten riefen kein Interesse hervor", sagt Melkonjanz im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Wahlen auf annektierter Krim

Karte der Krim
Bild: DW

Erstmals fanden nach russischem Recht Wahlen zu den lokalen Räten auf der Krim statt. Die neuen Machthaber haben sich nach der Annexion der Halbinsel der Kreml-Partei "Einiges Russland" angeschlossen. Berichten zufolge haben sie alles dafür getan, damit die Wahlen für Moskau ein ebenso "gutes Ergebnis" liefern wie das "Referendum" über die Abspaltung der Krim von der Ukraine im März. Damals stimmten angeblich 96 Prozent für den Zusammenschluss mit Russland. Vorangegangen war eine militärische Invasion durch nicht gekennzeichnete russische Armee-Einheiten. Binnen weniger Wochen wurde so völkerrechtswidrig die zur Ukraine gehörende Krim von Russland annektiert.

Wie im Frühjahr wollten die Krimtataren die Abstimmung boykottieren. Refat Tschubarow, Vorsitzender der traditionellen Tatarenvereinigung "Medschlis", erklärte vor Journalisten in Kiew, die Krimtataren seien von den pro-russischen Behörden unter Druck gesetzt worden. Ihnen wurde gedroht, wenn sie die Wahlen boykottierten, könnte das Auswirkungen auf staatliche Leistungen haben. Ihm hätten die russischen Behörden vorgeworfen, die Lage auf der Krim zu "destabilisieren", berichtete Tschubarow. Moskau habe ihm für fünf Jahre untersagt, die Halbinsel zu besuchen.

Manipulationen schon vor der Wahl

Portrait von Andrej Busin (Foto: DW)
Andrej Busin geht von keiner fairen Wahl ausBild: DW/A.Khan

Mit Verstößen bei den Wahlen rechnet Andrej Busin, Leiter des Interregionalen Wählerverbandes. Die Nichtregierungsorganisation hat den Wahlkampf beobachtet und kommt zum Ergebnis, dass der Kreml "administrative Ressourcen", wie den Zugang zu staatlichen Medien ausnutze, um seine Position auf lokaler Ebene zu festigen. Diese Ziel verfolgt Moskau insbesondere auch auf der Krim. In den russischen Medien wurde massiv für die Teilnahme an den Wahlen geworben, insbesondere auf der Krim. Die Abstimmung soll zeigen, dass die Halbinsel fest in russischer Hand ist.

Kritisch sahen unabhängige Beobachter auch eine landesweite Kampagne für vorzeitige Stimmabgabe, bei der die Bürger in Russland schon vor dem Wahltag ihren Stimmzettel ausfüllen konnten. Das habe Gelegenheit für Wahlfälschung geboten.

Portrait von Dmitrij Oreschkin (Foto: DW)
Dmitrij Oreschkin: Kreml wendet neue Taktiken anBild: DW/Artem Khan

Der Politikwissenschaftler Dmitrij Oreschkin von der Initiative "Bürger-Beobachter" betont, der Kreml habe seine Taktik bei Wahlen geändert. Gelegenheit zur Manipulation habe es nicht nur am Wahltag gegeben und bei der Stimmenauszählung, sondern schon viel früher. So seien nur einen Monat vor Beginn des jetzigen Wahlkampfes die Bedingungen für die Zulassung von Kandidaten geändert worden. Parteien, die bislang nicht in politischen Gremien vertreten sind, mussten für die Zulassung ihrer Listen Unterschriften von mindestens drei Prozent der Wähler im jeweiligen Bezirk vorlegen. Auf diese Weise wurde eine Hürde gebaut, um Kreml-Kritikern den Weg in Parlamente zu verbauen.

Kandidaten werden gesiebt

Durch das Sieb der Registrierung für die Wahlen in St. Petersburg waren mehr als die Hälfte der 265 Kandidaten der Partei "Bürgerplattform" des russischen Milliardärs Michail Prochorow gefallen. Prochorow war bei der letzten Präsidentenwahl gegen Putin angetreten. Ein ähnliches Schicksal hatten andere Parteien wie zum Beispiel "Gerechtes Russland", die Kommunisten oder die Partei "RPR-Parnas" erlitten. Sie war einer der Hauptantriebskräfte der Protestbewegung nach den Präsidentenwahlen im Jahr 2012 gewesen.

Busin weist darauf hin, dass in einigen Moskauer Stadtbezirken sogar Kandidaten der Kreml-Partei "Einiges Russland" keine Zulassung erhalten hatten. Andrej Babuschkin von der oppositionellen "Jabloko-Partei" sei so zum Favoriten in seinem Wahlbezirk geworden. Das gleiche gelte für Ilja Swiridow von der Partei "Gerechtes Russland" sowie für Leonid Sjuganow, den Enkel des russischen Kommunistenführers Gennadi Sjuganow. Die Staatsmacht wolle auf diese Weise aber nur den Anschein wahren, bei den Wahlen gebe es Alternativen zur Kreml-Partei. Von den 45 Sitzen im Moskauer Stadtrat könnten vier bis sechs an oppositionelle Kandidaten gehen. "Die Moskauer Duma wird damit unter der Kontrolle des Kremls bleiben", betont Busin.

Das größte Problem bei diesen Regionalwahlen, da sind sich die Experten einig, wird eine niedrige Wahlbeteiligung sein. In Moskau werden vermutlich nicht mehr als 25 Prozent zur Wahl gegangen sein - auch Angaben zur Wahlbeteiligung liegen bislang noch nicht vor. Auch ein Sieger mit mehr als 50 Prozent der Stimmen hätte ein schwaches Mandat. Denn rein rechnerisch hätten nur 13 von 100 Menschen für ihn gestimmt, so Oreschkin.