Vorbilder bis heute
18. Februar 2013Am 15. Februar 1943, kurz vor Mitternacht, waren drei junge Männer Richtung Münchener Innenstadt unterwegs. Ihre Namen lauteten Hans Scholl, Alexander Schmorell und Willi Graf. Alle drei gehörten der Gruppe "Weiße Rose" an, die sich dem Widerstand gegen Hitler und seine Diktatur verschrieben hatte. Aus diesem Grund trugen sie rund tausend Flugblätter mit sich, die in deutlichen Worten das NS-Regime und seine Verbrechen anklagten. Die Flugblätter warfen sie in unterschiedliche Briefkästen, damit die Post sie an die Adressaten weiter beförderte. Scholl und Schmorell hatten aber noch einen viel kühneren Plan: Im Schutze der Nacht, mit einer Schablone und schwarzer Farbe ausgestattet schrieben sie "Nieder mit Hitler" an die Fassade der bayerischen Staatskanzlei. An einer anderen Stelle wurden sie noch deutlicher: "Hitler Massenmörder". Daheim in der Franz-Joseph-Straße 13 wartete Hans Scholls jüngere Schwester Sophie auf die sichere Rückkehr der drei jungen Männer.
Der Weg in den Widerstand
Hans und Sophie Scholl lebten mit ihrer Familie im beschaulichen Ulm, als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen. Beide waren noch Schüler: Hans wurde 1919 geboren, seine Schwester Sophie 1921. Der Vater Robert Scholl verdiente den Lebensunterhalt für seine fünf Kinder als Steuerberater. Mit den neuen Machthabern konnte der Liberale Scholl wenig anfangen. Zusammen mit seiner Frau Magdalena versuchte er seine Kinder zu christlichem Denken und Toleranz zu erziehen. Doch die Kinder der Scholls waren vom Nationalsozialismus fasziniert. In der "Hitlerjugend", der nationalsozialistischen Jugendorganisation, machte Hans Scholl schnell Karriere. Mit 16 Jahren kommandierte er bereits 160 Hitlerjungen. Auch seine jüngere Schwester Sophie hegte starke Sympathien für den Nationalsozialismus. Sie trat dem "Bund deutscher Mädel" bei, dem Mädchen-Zweig der "Hitlerjugend". Wie ihr Bruder stieg auch Sophie Scholl bald in eine Führungsposition auf und war, so die Erinnerung einer Zeitzeugin, damals "sehr begeistert, sehr fanatisch für den Nationalsozialismus".
Doch 1942 war der Glaube an Hitler und sein Regime bei Hans und Sophie Scholl nicht mehr vorhanden. Immer stärker hatten die Geschwister bemerkt, dass ihr eigener christlicher Glaube und ihre moralischen Überzeugungen nicht mit den Zielen der Nationalsozialisten übereinstimmten. In Hans Scholl reifte die Überzeugung, dass er etwas gegen das verbrecherische Regime Hitlers unternehmen müsse: Hans Scholl war 1942 an die Ostfront einberufen worden. Er erfuhr aus nächster Nähe, wie grausam der Krieg geführt wurde. Zutiefst besorgt war Scholl auch über das Schicksal der verfolgten und deportierten Juden.
"Es lebe die Freiheit!"
An der Münchener Universität hatte sich im Jahr 1942 eine kleine Gruppe um Hans Scholl zusammengefunden, die dem Nationalsozialismus den Kampf angesagt hatte: neben den vier Medizinstudenten Hans Scholl, Christoph Propst, Alexander Schmorell und Willi Graf auch der Philosophieprofessor Kurt Huber. Sophie Scholl stieß im Mai 1942 zu der Gruppe, als sie ebenfalls nach München zog, um Biologie und Philosophie zu studieren.
"Flugblätter der Weißen Rose" nannte die Gruppe ihre Bekanntmachungen, die sie per Brief verschickten, in Telefonzellen auslegten oder in parkenden Autos deponierten. Über Freunde und Bekannte wurden die Flugblätter auch über München hinaus verteilt, so in ihrer Heimatstadt Ulm. "Jedes Wort, das aus Hitlers Munde kommt, ist Lüge."
Das sechste Flugblatt der "Weiße Rose" war ihr letztes. Am 18. Februar 1943 verteilte Sophie zusammen mit ihrem Bruder das Flugblatt an der Universität. Als sie im Lichthof einen Stapel Papiere von einer Brüstung in den Hof warf, wurden die beiden Geschwister entdeckt und verhaftet. Beamte der Geheimen Staatspolizei übernahmen die Verhöre. Selbst in dieser verzweifelten Lage bewiesen Hans und Sophie Scholl Mut: Beide versuchten, alle Schuld auf sich zu nehmen. Sophie Scholl sagt den Beamten ins Gesicht, dass sie "mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun haben" wolle. Die Beweislast war erdrückend. Am 22. Februar 1943 fällte der so genannte Volksgerichtshof unter seinem Vorsitzenden Roland Freisler drei Todesurteile gegen Hans Scholl, Sophie Scholl und Christoph Propst. Noch am gleichen Tag wurden die Todesurteile vollstreckt. Hans Scholls letzte Worte waren: "Es lebe die Freiheit!"
Moralische Vorbilder
"Sie erlauben es uns, zu glauben, dass nicht alle Deutschen damals stumme und feige Mitläufer waren", fasste der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck vor kurzem die Bedeutung der Geschwister Scholl und der "Weißen Rose" zusammen. Im vierten Flugblatt hieß es: "Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen, die Weiße Rose lässt Euch keine Ruhe!" Diese Worte gelten bis heute: Die Geschwister Scholl und ihre Freunde hatten den Mut, für ihre Überzeugungen einzustehen und Widerstand zu leisten. So couragiert waren nur wenige Menschen zu dieser Zeit.
Bis heute werden die Geschwister Scholl für diesen Mut geehrt: kaum eine mittelgroße deutsche Stadt besitzt keine nach den Geschwistern Scholl benannte Schule, nach Hans und Sophie sind im ganzen Land Straße und Plätze benannt. Der "Geschwister Scholl-Preis" ist einer der bedeutendsten Literaturpreise der Bundesrepublik.
Gerade für Schüler und Kinder ist die Geschichte der "Weißen Rose" immer wieder fesselnd. Dass stellt Franz J. Müller im Umgang mit Schülern immer wieder fest. Müller hat ebenfalls am Widerstand teilgenommen und ist einer der letzten Überlebenden der Weißen Rose: "Die neigen zu Bewunderung für das, was wir gemacht haben. Doch Hans und Sophie wollten keine Helden sein. Freundschaft und Freiheit waren ihnen wichtige Werte."
Die Weiße Rose Stiftung in München, die Franz J. Müller und andere Angehörige der Widerstandsgruppe gegründet haben, soll das Andenken an die Geschwister Scholl und ihre Freunde lebendig halten. Besonders junge Menschen können eine Lehre aus der Geschichte ziehen, wie Franz J. Müller zusammenfasst: "Die Schüler sollten sich möglichst vielseitig informieren und mit Freunden diskutieren, um nicht so leicht von Propagandasprüchen beeinflussbar zu sein und Zivilcourage zeigen, wenn Freiheiten gefährdet sind." Also sich ein bisschen davon abschauen, was die Geschwister Scholl und ihre Freunde getan haben.