Von Todesschwadronen gejagt
12. Februar 2009Die Wände des kleinen Büros sind bedeckt mit Bildern von Demonstrationen, mit Fotos schlimm zugerichteter Leichen und Porträts Verschwundener. „Wir erleben es zurzeit häufig, dass Menschen entführt werden oder verschwinden“, sagt Sudarshana Gunawardana, ein kleiner, übermüdet wirkender Mann, der in seinem Haus am Rande Colombos die Menschenrechts-Organisation „Rights Now“ leitet. Von Mavindra, dem Vizekanzler der Universität Batticaloa, berichtet Gunawardana. Der wurde kürzlich mitten in Colombo am helllichten Tag gekidnappt. Seitdem ist er verschwunden. Andere Intellektuelle wurden aus ihren Wohnungen, von ihrer Arbeitsstelle oder auf Reisen entführt – oder gleich ermordet.
Fast tausend Srilanker sind in den vergangenen zwei Jahren verschwunden, berichtet Rechtsanwalt Gunawardana; über 2.000 sitzen ohne Anklage im Gefängnis; viele werden gefoltert. Alles Teil der Regierungsoffensive gegen die tamilischen Rebellen der LTTE im Norden. Betroffen sind neben politisch engagierten Tamilen und Menschenrechtlern vor allem die wenigen kritischen Journalisten im Lande –Singhalesen und Tamilen wie der prominente Kolumnist Sittampalam Tissainayagam, kurz Tissa.
Kritische Presse unerwünscht
Tissa behandelte häufig Menschenrechtsfragen in einer angesehenen englischsprachigen Zeitung. Im März 2008 wurde er festgenommen, als er beim Amt für Terrorbekämpfung Auskünfte verlangte zu einem Kollegen, der einen Tag zuvor verhaftet worden war. 150 Tage saß Tissa ohne Anklage im Gefängnis. Erst nach erheblichem internationalen und lokalen Druck klagte ihn der Staatsanwalt an – wegen Diskreditierung der Regierung. Der Prozess lässt bis heute auf sich warten. Tissa aber bleibt inhaftiert.
Im Vergleich zu vielen Kollegen, erklärt Menschenrechtler Gunawardana, hat der Journalist Tissainayagam noch Glück. Denn mehr als ein Dutzend kritische Journalisten sind in den letzten zwei Jahren verschwunden oder ermordet worden. Und die Anschläge werden häufiger: So wurde am 8. Januar 2009 der regierungskritische Journalist Lasantha Wickrematunge erschossen – von Attentätern auf einem Motorrad. Einer ähnlichen Todesschwadron fielen am 23. Januar Upali Tennakoon, Chefredakteur der Zeitung „Divira Weekly“, und seine Frau zum Opfer. Sie wurden von vier Männern niedergestochen, die auf Motorrädern flüchteten. Polizeiliche Ermittlungen in solchen Fällen verlaufen regelmäßig im Sande.
Kampf gegen den Terror - und gegen die Medien
Bei der Terrorbekämpfung setzt Sri Lankas Regierung offenbar andere Schwerpunkte: So schließt sie immer wieder Zeitungen und erlässt Knebelgesetze – zur Kontrolle des Fernsehens zum Beispiel, klagt der Journalist Sunanda Deshapriya. Nach einem vor wenigen Monaten erlassenen Gesetz könne der Minister mit sofortiger Wirkung die Ausstrahlung von Sendungen verbieten und Lizenzen widerrufen. Und er könne, wenn er einen Beitrag als, „unanständig“ empfindet, den betreffenden Sender für 60 oder 120 Tage aus dem Äther verbannen.
„Kein Wunder, dass die meisten Fernseh- und Radiostationen nur noch Lifestyle-Programme ausstrahlen“, sagt Sunanda achselzuckend. „So vermeiden sie, dass ihre Investitionen in Flammen aufgehen.“ So wie die des Senders MTV, der am 6. Januar 2009 mit Granatwerfern beschossen wurde. Der hager und asketisch wirkende Sunanada war vor 30 Jahren marxistischer Rebell. Heute widmet er sein Leben der Pressefreiheit in Sri Lanka. Seine Kampagne „free media“, „Freie Medien“, organisiert Protestmärsche und Mahnwachen für vom Staat drangsalierte Journalisten.
Leben im Untergrund
Für dieses Engagement zahlt Sunanda einen hohen Preis: Nach zahllosen Drohungen leben der Journalist und seine Mitstreiter quasi im Untergrund. „Jeden Tag fahren wir auf einem anderen Weg zur Arbeit; nie schlafen wir zwei Tage hintereinander am selben Ort; viele von uns haben in letzten Jahr mehrfach die Wohnung gewechselt – und auch das Handy.“ Ab und zu, gibt Sunanda zu, bricht ihm der Angstschweiß aus – zum Beispiel, wenn wieder mal eine regierungsfreundliche Postille ihn beschuldigt, für die LTTE und ausländische Regierungen zu arbeiten.
Der Journalist deutet auf eine Liege neben seinem Schreibtisch – eine seiner Schlafstätten. Seine Frau und die Kinder hat er bei Verwandten auf dem Land versteckt.