Von Erfolgen und Misserfolgen: Peter Bogdanovichs Filme
Peter Bogdanovich galt in den frühen 1970er-Jahren als Hollywoods Wunderkind. Das Publikum und die Kritiker liebten seine Filme. Nun ist er mit 82 Jahren gestorben.
Überraschendes Debüt: "Targets" ("Bewegliche Ziele")
1968 liefert Peter Bogdanovich sein Regie-Debüt mit "Targets" ab. Der Produzent des Films Roger Corman, ein Genre-Spezialist mit großem Gespür für neue Talente, gab dem ambitionierten Bogdanovich die Chance, einen Film über einen Amokschützen (Tim O'Kelly) zu inszenieren. Mit dabei in "Targets": der legendäre Frankenstein-Darsteller Boris Karloff in seiner letzten Filmrolle.
Früher Geniestreich: "The Last Picture Show" ("Die letzte Vorstellung")
Der Durchbruch gelingt Bogdanovich mit seinem dritten Film, "The Last Picture Show". Die melancholische Geschichte über eine Handvoll Menschen in einem texanischen Provinzkaff zu Beginn der 50er wird für acht Oscars nominiert. Junge Darsteller wie Cybill Shepherd und Jeff Bridges, die stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Fotografie und die traurig-verträumte Atmosphäre des Films überzeugen die Kritik.
Phänomenaler Publikumserfolg: "Is' was, Doc?"
Als dann Bogdanovichs nächster Spielfilm "Is' was, Doc?" an den Kinokassen 1972 auch noch Millionen einspielt, liegt Hollywood dem jungen Regisseur zu Füßen. Er wird als Wunderkind gefeiert und gilt neben Francis F. Coppola, Martin Scorsese und Steven Spielberg als Zukunftsversprechen des neuen US-Kinos. "Is' was Doc?" mit Barbra Streisand und Ryan O'Neal ist eine Hommage an die Screwball-Comedy.
Melancholisch: "Paper Moon"
Auch nach "Is' was Doc?" bleibt Bogdanovich zunächst sehr erfolgreich. "Paper Moon", 1973 ebenfalls in Schwarz-Weiß gedreht (hier ein farbiges Setfoto mit Ryan O'Neal und seiner Tochter und Partnerin im Film, Tatum O'Neal), erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der sich einer Waisen annimmt, um sie zu Verwandten zu bringen. Zwischen beiden entwickelt sich eine freundschaftliche Verbindung.
Beginnender Abstieg: "Daisy Miller"
Mit "Daisy Miller" beginnt Mitte der 1970er-Jahre ein Karrieretief für Peter Bogdanovich. Die elegische und kostbar ausgestattete Literaturverfilmung nach einer Novelle von Henry James wird in Rom und vor allem in der Schweiz gedreht und erzählt die Geschichte einer jungen Amerikanerin (Cybill Shepherd), die in Europa den Männern die Köpfe verdreht.
Respektabel, aber erfolglos: "Nickelodeon"
Nachdem "Daisy Miller" schon kein großer Erfolg war und bei seinem folgenden Film, dem Musical "At Long Last Love", die Kassen quasi leer blieben, bringt ihm "Nickelodeon" zumindest bei der Kritik wieder etwas Respekt ein. Doch die Hommage an die Stummfilmzeit (mit Ryan O'Neal) kann das Publikum auch nicht locken. Nach diesen drei Filmen ist das ehemalige Wunderkind Hollywoods vorerst am Ende.
Neustart mit "Saint Jack"
Erst drei Jahre später kommt mit "Saint Jack" ein neuer Bogdanovich-Film in die Kinos. Ben Gazzara spielt einen sympathischen Amerikaner, der nach dem Korea-Krieg in Asien geblieben ist und in Singapur sein Glück versucht. Mit kleinerem Budget als die früheren Filme des Regisseurs produziert, ist "Saint Jack" so etwas wie ein Neustart seiner Regiekarriere. Bogdanovich backt jetzt kleine Brötchen.
Sympathisch: "They All Laughed" ("Sie haben alle gelacht")
Mit seinem nächsten Film knüpft Bogdanovich nahtlos an "Saint Jack" an. Wieder spielt Ben Gazzara die Hauptrolle, wieder präsentiert sich der Regisseur als Meister der leisen Zwischentöne, der sympathische und charmante Protagonisten in einer menschlichen Komödie aufeinanderprallen lässt. Mit dabei in einer ihrer letzten Rollen: Audrey Hepburn.
Rührselig: "Mask" ("Die Maske")
Eher ungewöhnlich fällt Bogdanovichs folgender Film aus. "Mask" erzählt die Geschichte einer Mutter (Cher) und ihres Sohnes, der an einer seltenen Krankheit leidet. "Mask" gleicht einem typischen Hollywood-Produkt, das beim Zuschauer wegen der emotionalen Geschichte große Gefühle auslöst. Cher bekommt für ihren Auftritt in Cannes den Darstellerpreis, an den Kassen ist "Mask" recht erfolgreich.
Wohin mit der Karriere? "Texasville"
Die Filme, die Bogdanovich im Anschluss an "Mask" inszeniert, zeigen die Orientierungslosigkeit des Regisseurs. "Texasville" (1990) ist der Versuch, an den großen Erfolg von "The Last Picture Show" anzuknüpfen. Fast 20 Jahre später nimmt Bogdanovich mit denselben Schauspielern die Handlung noch einmal auf und erzählt vom Leben der Protagonisten. Doch "Texasville" kann kaum jemand begeistern.
Im Mittelmaß: "She's Funny That Way" ("Broadway Therapy")
In den folgenden 15 Jahren versinkt Bogdanovich im Mittelmaß, dreht fürs Fernsehen, einen Dokumentarfilm über Tom Petty sowie ein paar Kinofilme, die kaum Aufsehen erregen. Auch Bogdanovichs bisher letzter Kinospielfilm "She's Funny That Way" (mit Owen Wilson und Imogen Poots), der 2014 in Venedig Premiere feiert, bietet nicht viel mehr als leichte, komödiantische Unterhaltung mit wenig Biss.
Bogdanovichs Idole: Orson Welles, John Huston und Co.
2018 kann man Bogdanovich vor den Kameras sehen. Der Regisseur, der auch immer mal wieder als Schauspieler auftritt, ist in "The Other Side of the Wind" an der Seite von Hollywood-Größen wie John Huston zu sehen. Der Film war eine Rekonstruktion des nie zu Ende gedrehten Orson-Welles-Films gleichen Titels - und erinnerte daran, wie dieser einstmals große Regisseur angefangen hatte: als Kritiker.
Regie-Legende: Peter Bogdanovich
Trotz seiner vielen Misserfolge und seines Karriere-Absturzes gilt Bogdanovich als einer der wichtigsten Filmemacher des US-Kinos. In einer Umbruchzeit, als das alte Studio-System in Hollywood den jungen wilden Regisseuren des "New Hollywood"-Kinos Platz machte, gehörte Bogdanovich zu den Akteuren an vorderster Front. Nach einer bewegten Karriere ist Bogdanovich nun am 6. Januar 2022 verstorben.