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Deutschsprachige Autoren protestieren gegen Amazon

Annika Zeitler14. August 2014

Immer mehr Schriftsteller schließen sich dem Protest gegen Amazon an. 1100 Autoren haben den Brief gegen die Praktiken des Internetriesen unterzeichnet. "Wir trauen uns", sagt John von Düffel im DW-Interview.

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Der Autor John von Düffel
Bild: picture alliance / Sven Simon

Der Protestbrief wurde auf Initiative des deutschen Pen-Zentrums und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels gestartet. Einer der Erstunterzeichner ist John von Düffel. Der deutsche Autor wurde für seinen Debütroman "Vom Wasser" mit dem Aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet. 2006 war er Mitglied der Jury für den Deutschen Buchpreis. Zur Zeit arbeitet von Düffel als Dramaturg am Deutschen Theater Berlin und ist Professor an der Berliner Universität der Künste.

DW: Welche Argumente haben die deutschen Autoren gegen Amazons Geschäftspraktiken?

John von Düffel: In Deutschland gibt es schon seit einigen Monaten den Streit zwischen Amazon und der Bonnier-Verlagsgruppe. Das ist sozusagen der kleine Ableger des Konflikts, den es in den USA, in viel größerem, hollywoodmäßigerem Ausmaß gibt: Dort geht es um eine Monopolstellung, die Amazon in den Staaten innehält, wo sich ganz große Konflikte zwischen Verlagen und dem Onlinekaufhaus abzeichnen. In Deutschland ist das alles ein bisschen kleiner, aber dennoch nicht unwichtig.

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Der Chef von Amazon, CEO Jeff Bezos bei der Präsentation neuer Geschäftszweige im Juni 2014Bild: Getty Images

In den USA gibt es eine Art Rabattschlacht, eine Schlacht um die Margen. Amazon versucht immer mehr Rabatte zu eigenen Gunsten zu bekommen. Die Verlagsbranche reagiert darauf mit Stöhnen. Und auch in Deutschland zeichnet sich ab, dass Bonniers Lieferfristen sehr viel länger sind und deren Autoren im Ranking weiter hinten auftauchen. Und da ist zu vermuten, dass von Amazon das Ranking manipuliert worden ist und dass auf jeden Fall hart verhandelt wird mit den Verlagen. Einige sprechen von erpresserischen Methoden und ich denke, dass man sich ausmalen kann, dass eine solche Marktmacht wie Amazon sie hat, dazu führt, dass man sie teilweise missbraucht.

Kann man den Streit in den USA zwischen dem Online-Riesen Amazon und dem Großverlag Hachette hier in Deutschland mit der Bonnier-Verlagsgruppe vergleichen? Wird der deutsche Buchmarkt auch von Amazon in die Mangel genommen?

Ja, er ist betroffen. Das Bonnier-Beispiel ist das, wo es hochgekocht ist. Andere Fälle sind hinter verschlossenen Türen geblieben. Aber es ist klar, dass sich durch das Anwachsen der Marktmacht Amazon der Verhandlungsstil verändert hat und natürlich auch unsere Entscheidung als Konsumenten beeinflussen den Markt: man ist doch zu bequem, die Buchhandlung an der Ecke aufzusuchen und lässt sich seine Bücher lieber an die Tür liefern. Aufgrund dieser Bequemlichkeit haben wir ein Monster erschaffen. Wir haben dieses Monopol befördert und dieses Monopol ist dazu geneigt, die eigene Macht zu benutzen und die besten Vorteile und die besten Gewinne herauszuschlagen.

Heißt das, dass Sie die Leser in ihrem Protestbrief mit aufrufen, ihr Konsumverhalten zu überdenken?

Ja, das ist etwas, wo Amazon zu treffen ist, wo es empfindlich ist. Die können ohne mich existieren, aber ohne Käufer ist es schon schwieriger. Wenn unser offener Protestbrief Buchkäufer erreicht, dann ist das Amazons Achillesverse. Ich will damit nur sagen, dass man sich sehr bewusst sein muss, dass man sich genau überlegen muss, was man tut, wenn man einkauft und dass man immer dem Mächtigsten hinterherläuft.

Regisseurin Doris Dörrie Porträt
Auch die Filmregisseurin und Buchautorin Doris Dörrie hat den Protestbrief mit unterzeichnetBild: picture-alliance/dpa

Diese Tatsachen sind ja schon länger bekannt. Das Monster Amazon gibt es nicht erst seit gestern. Warum kommt der Protest so spät?

Ich würde sagen, es hat etwas mit Angst zu tun. Wer traut sich schon, sich mit dem Giganten anzulegen? Deshalb hat der Protest so lange gedauert. Und die Verlage streiten sich lieber hinter verschlossenen Türen, um nicht den eigenen Umsatz zu gefährden. Sicherlich gibt es bei den Autoren, ich will mich davon gar nicht ausnehmen, auch eine Art von Angst: Wer sind wir? Was ist Amazon? Deshalb war der Anstoß der amerikanischen Schriftsteller wichtig, um den Mut zu haben, auch mal auszusprechen, zu sagen, wir bleiben nicht stumm. Wir trauen uns auch - das ist so etwas wie eine späte Selbstermutigung.

Kennen Sie Autoren, die bei der Bonnier-Verlagsgruppe unter Vertrag sind, die jetzt schon von Amazon in ihrer Arbeit behindert werden?

Es gibt einige Bonnier-Autoren, deren Bücher von Amazon durch lange Lieferzeiten behindert wurden. Der Verdacht liegt also nahe, dass es da Manipulationen gegeben hat. Ich denke schon, dass es nicht von der Hand zu weisen ist, dass Amazon in einer solchen Konfliktsituation alle Karten zieht, die er als Internetriese in der Hand hat. Als Geschäftsleute lassen die natürlich auch manchmal ihre Muskeln spielen.

Wie lange hat es gedauert, um die Autoren mobil zu machen?

Das Pen-Zentrum und der Börsenverein haben die Initiative ergriffen und eine Mail an viele Autorenkollegen geschickt und die Liste der Erstunterzeichner füllte sich sehr schnell. Ich habe sofort gesagt, ich mache mit und schreibe da meinen Namen drunter, das ist wichtig.

Juli Zeh Schriftsteller Protest NSA
Kritische Stimme: Die Schriftstellerin Juli Zeh gehört zu den politisch engagierten Autoren in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

Fühlen Sie sich als Autor von Amazon in Ihrer Arbeit beeinträchtigt?

Es hat mich bis vor wenigen Wochen kaum beschäftigt, weil ich keine Einschränkungen in Kauf nehmen muss. Aber es ist natürlich schon so, dass, wenn man mit Leuten aus der Branche spricht, die das große Ganze sehen, dann kriegt man schon so etwas wie eine Besorgnis um die Zukunft, wenn sich immer mehr das Monopol abzeichnet. Deshalb habe ich gedacht: Wehret den Anfängen – oder besser gesagt: Wehret dem fortgeschrittenen Stadium! Deshalb habe ich mich entschlossen, ebenfalls tätig zu werden.

Ist das Monopol des Online-Riesen Amazon noch aufzuhalten?

Es hängt auch von uns selber ab – nicht nur von den Autoren, sondern auch von uns als Konsumenten. Das betrifft nicht nur Amazon, sondern auch unser gesamtes Kaufverhalten. Wir tun immer so, als ob wir diesen Dingen ausgeliefert sind, aber in Wirklichkeit sind wir es, die Entscheidungen treffen und damit Monopole wie Amazon begünstigen. Deshalb ist es auch ein Plädoyer an uns als Käufer, nachzudenken, wo kaufe ich ein. Denn wir können doch eine Menge an Welt mitgestalten.

Christoph Hein
Auch Schriftsteller Christoph Hein hat sich dem Protest angeschlossenBild: pa / dpa

Ist eine Welt ohne Amazon überhaupt noch denkbar?

Amazon ist ein Onlineversand, aber nicht der einzige. Für jemanden, der sein eigenes Haus nicht verlässt, ist Amazon sicher eine gute Sache. Wer aber gerne sein Haus verlässt, für den ist der Gang um die Ecke zum Buchhändler und das Bestellen über diesen unproblematisch. Das dauert auch nur 24 Stunden und man muss zudem keiner Post hinterherrennen. Es hat ein Leben vor Amazon gegeben und es wird auch ein Leben nach Amazon geben.

Das Interview führte Annika Zeitler.