Zerstörte Kunst aus Palmyra erstmals restauriert
20. Juni 2017Palmyra ist seit der barbarischen Zerstörung der historischen Stätten Sinnbild für die Brutalität der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) in Syrien. Im vergangenen Jahr hatte eine vom damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach Berlin einberufene Expertenkonferenz über den Wiederaufbau des dortigen Weltkulturerbes beraten. Man wollte ein Konzept entwickeln für die Zeit nach dem Krieg. Jetzt hat das italienische "Istituto Superiore per la Conservazione ed il Restauro" zwei Grabfiguren aus Palmyra rekonstruiert und restauriert. Nach Angaben der Italiener ist es das erste Mal, dass ein vom IS zerstörtes Kunstwerk wiederhergestellt wurde.
Deutsche Welle: Wie ist es zum Projekt der Restaurierung der beiden Grabskulpturen aus Palmyra gekommen?
Maria Concetta Laurenti: Diese beiden Büsten waren früher im Museum von Palmyra ausgestellt. Nach der Eroberung Palmyras durch den IS haben dessen Kämpfer die Büsten mit Hämmern und schwerem Gerät zu Boden geworfen und stark beschädigt. Ihnen ging es besonders darum, die Gesichtszüge und die religiösen Zeichen zu zerstören. Als die syrischen Behörden wieder in den Besitz dieser Stätten gelangt sind...
….wir reden vom Assad-Regime?
Ja, die Truppen des Assad-Regimes.
Ist Assad dann auf Sie zugekommen?
Nicht Assad hat sich an uns gewandt, sondern die syrischen Museumsbehörden. Aber grundsätzlich möchte ich klarstellen: Unser Ziel ist es, Weltkulturerbe zu bewahren. Wir kennen da keinerlei politische Etikettierungen. Es war die Generaldirektion der Antiken- und Museumsverwaltung Syriens, die Teil der syrischen Regierung ist, die sich an uns gewandt hat. Die in Palmyra geborgenen Skulpturen waren ins Museum nach Damaskus gebracht worden. Und hier sind wir dann ins Spiel gekommen.
Wann war das?
Im Oktober 2016, als wir die beiden Skulpturen und viele andere geborgene Kunstwerke aus Syrien in einer Ausstellung im römischen Kolosseum gezeigt haben. Danach haben wir die beiden Grabskulpturen dann restauriert.
Was waren die größten konservatorischen Herausforderungen?
Bei der weiblichen Büste haben wir nur die vorhandenen Stücke aneinander gefügt. Die größte Herausforderung bestand bei der männlichen Büste. Dort mussten wir das Gesicht wieder herstellen. Ein großer Teil war verloren gegangen. Mit herkömmlichen Methoden hätten wir das nicht machen können.
Wie haben Sie das geschafft?
Wir haben entschieden, einen Teil des Gesichtes und des Kopfes durch das 3D-Verfahren zu rekonstruieren. Es gab glücklicherweise ein älteres Foto der Büste. Um die 3D-Technik einsetzen zu können, mussten wir das sogenannte "Mirroring" anwenden. Wir haben also anhand des vorhandenen Rests das Gesicht an der Symmetrieachse spiegelbildlich geteilt. Und dann mit Hilfe von 3D ein virtuelles Modell erstellt. Nur so konnten wir das Gesicht ergänzen.
Gab es so etwas schon vorher oder war das eine Pionierleistung?
Wir zählen vielleicht zu den Ersten, die das Mirroring-Verfahren im Bereich der Restaurierung verwenden. Aber das Entscheidende und wirklich Neuartige bei unserem Verfahren ist die Umkehrbarkeit. Das heißt, unsere Ergänzungen lassen sich ohne Weiteres wieder rückgängig machen. Denn wir haben die ergänzten Teile nur mit starken Magneten an das Gesicht angeheftet.
Um die Umkehrbarkeit ging es ja wohl auch in Ihren Vorgesprächen mit der syrischen Seite. Sie sagten, dass die Syrer eine bruchlose Wiederherstellung der beiden Büsten wollten. Ihr Institut für Konservierung und Restaurierung steht aber für einen anderen Ansatz.
Ich glaube, wir haben einen Kompromiss hinbekommen. Die Syrer haben zwei wiederhergestellte Büsten bekommen und wir sind unseren Grundsätzen treu geblieben, bei den Kunstwerken die Spuren der Geschichte, eben auch der Zerstörung, nicht vollständig zu beseitigen.
Sie haben die beiden restaurierten Grabskulpturen nach Damaskus zurückgegeben. War das nicht voreilig? Immerhin ist der Krieg noch nicht zu Ende, sie könnten also wieder zerstört werden. Und wer sagt Ihnen, dass wir es am Ende des Krieges noch mit dem Assad-Regime zu tun haben werden?
Nein, das sehen wir nicht so. Wir haben diese Kunstwerke an den in unseren Augen legitimen Eigentümer zurückgegeben, nämlich dem Direktor des Nationalmuseums in Damaskus. Wir haben ja diese Kunstwerke nicht nach Palmyra zurückgegeben, sondern an das Museum, von dem wir sie auch erhalten haben. Wir sind da ganz beruhigt. Wir wissen, es gibt dort sichere Bunker. Und wir haben ein reines Gewissen. Immerhin gehören diese Kunstwerke nicht uns.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) hier in Berlin ist ja auch sehr aktiv in Palmyra und anderen historischen Stätten. Arbeiten Sie mit der SPK zusammen?
Nein, das war ein rein bilaterales Projekt zwischen uns und der syrischen Seite. Und so wie es aussieht waren wir die Ersten, die das gemacht haben. Eine Zusammenarbeit mit der SPK ist auch nicht geplant. Zumal wir ohnehin keine weiteren Restaurierungs-Projekte von Kunstwerken aus Palmyra vorhaben.
Maria Concetta Laurenti ist Archäologin des "Istituto Superiore per la Conservazione ed il Restauro". Das Institut ist ein wichtiges Instrument der "Kulturdiplomatie" Italiens.