Vietnam lässt Bloggerin "Mutter Pilz" frei
17. Oktober 2018Nguyen Ngoc Nhu Quynh sei per Flugzeug in die USA gebracht worden, teilte ein Mitarbeiter der Regierung in Hanoi der Nachrichtenagentur AFP mit. Die Freilassung der 39-Jährigen erfolgte während des Besuchs von US-Verteidigungsminister James Mattis in dem Vietnam. Washington habe den Deal ausgehandelt, berichtet die Deutsche Presseagentur unter Berufung auf einen Freund der Bloggerin. Vom US-Außenministerium gab es bislang noch keine Stellungnahme.
Quynh, die in Vietnam unter dem ihrem Pseudonym Me Nam ("Mutter Pilz") durch ihren Internetblog bekannt wurde, war im Juni 2017 wegen staatsfeindlicher Propaganda zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden, was international viel Kritik auslöste. Das Pseudonym Me Nam leitet sich vom Spitznamen ihrer jüngsten Tochter ab, die "Pilz" gerufen wird. In Vietnam sind solche Spitznamen üblich.
Kritischer Blog über Regierung in Vietnam
Me Nam hatte in ihrem Blog unter anderem über Politik- und Umweltthemen geschrieben und auch so sensible Themen wie Todesfälle in Polizeigewahrsam nicht ausgespart. Dabei hatte sie die Regierung für deren Umgang mit einem Chemieunfall des Stahlkonzerns Formosa Ha Tinh Steel kritisiert. Giftige Abwässer hätten im Frühjahr 2016 an der Nordküste ein Fischsterben verursacht, schrieb die Bloggerin.
Im vergangenen Jahr hatte ihr die First Lady der USA, Melania Trump, in Abwesenheit den Internationalen Preis für Frauen mit Mut verliehen. Quynh trat nach Angaben ihrer Familie im Gefängnis mehrmals in den Hungerstreik - zuletzt im Juli für zwei Wochen. In den USA wird die sie nun von ihren Kindern sowie ihrer ebenfalls dort lebenden Mutter erwartet.
Mangelnde Pressefreiheit in Vietnam
Menschenrechtsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen und Amnesty International begrüßten die Freilassung der Bloggerin. Der Südostasien-Direktor von Amnesty, Nicholas Bequelin, wies aber auch auf das Schicksal anderer Regierungskritiker hin. "Auch wenn Mutter Pilz jetzt nicht mehr in Haft ist, war die Bedingung für ihre Freilassung doch das Exil. Und es gibt über 100 weitere Menschen, die noch im Gefängnis sitzen, weil sie friedlich ihre Meinung gesagt haben - in der Öffentlichkeit, in Blogs oder bei Facebook", so Bequelin. Nach Inkrafttreten eines neuen Gesetzes für Cybersicherheit im Januar werde Vietnam wahrscheinlich noch unerbittlicher gegen Andersdenkende vorgehen.
Die kommunistische Führung in Vietnam steht immer wieder wegen massiver Menschenrechtsverstöße in der Kritik. Dissidenten, die sich für politische Öffnung, Bürgerrechte und den Kampf gegen Korruption einsetzen, werden verfolgt, schikaniert und mit unfairen Gerichtsprozessen überzogen. Auf der aktuellen Rangliste zur Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" liegt Vietnam weit abgeschlagen auf Platz 175 von 180 Ländern.
cw/sti (afp, dpa, sti)