Viele Tote - und niemand trägt Verantwortung
26. Juli 2010Nach Medienberichten vom Montag (26.07.2010) sind die Veranstalter der Loveparade von einschlägigen Vorschriften befreit worden. Sie hätten nicht die vorgeschriebenen Breiten für Fluchtwege einhalten müssen, berichtet "Spiegel Online" unter Berufung auf ein internes Dokument der Duisburger Stadtverwaltung. Das Schriftstück vom 21. Juli 2010 trage den Titel "Genehmigung einer vorübergehenden Nutzungsänderung" und richte sich an die Lopavent GmbH, den Veranstalter der Loveparade.
Keine Feuerwehrpläne, dafür Ausnahmegenehmigung
Daraus gehe hervor, dass ein Sachbearbeiter des Bauamtes der Stadt die Organisatoren von der Vorschrift befreite, die vorgeschriebenen Breiten der Fluchtwege einhalten zu müssen. Gleichzeitig hätten die Beamten auch auf Feuerwehrpläne verzichtet.
Dem Bericht zufolge begrenzte die Stadtverwaltung die Zahl der Menschen, die sich gleichzeitig auf dem Veranstaltungsgelände hätten aufhalten dürfen, auf maximal 250.000. Bereits am Samstag war aber von bis zu 1,4 Millionen Besuchern die Rede gewesen. Bei ihrer Pressekonferenz am Sonntag im Rathaus wollten Vertreter von Stadt und Polizei diese Zahl jedoch nicht bestätigen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen die Verantwortlichen. Staatsanwalt Rolf Haferkamp sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Aufklärung werde Wochen, wenn nicht Monate dauern. Es müssten viele Zeugen befragt und Unterlagen überprüft werden. "Wir werten auch Fotos und Videos aus", so der Ermittler weiter.
Bedenken bei der Feuerwehr
Nach Recherchen des "Kölner Stadt-Anzeiger" und der "Kölnischen Rundschau" haben Polizei und Feuerwehr in Duisburg schon vor Monaten Vorbehalte gegen das Sicherheitskonzept für das Großereignis geäußert. In einem internen Vermerk der Feuerwehr an Verantwortliche der Stadt habe man bereits im Oktober 2009 klargestellt, dass es zu gefährlich sei, die Besucher des Spektakels durch einen einzigen Tunnel zu schicken. "Es wurde nicht reagiert", zitiert die Kölnische Rundschau einen Beamten der Feuerwehr.
"Kein Unglück, sondern ein Verbrechen"
Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, kritisierte die Veranstalter scharf. "Das war einfach eine Nummer zu groß", sagte Wendt der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Einiges deute darauf hin, dass die Veranstalter sich über Sicherheitsbedenken hinweggesetzt hätten.
Deutschlands führender Konzertveranstalter, Marek Lieberberg, sagte: "Das ist kein tragisches Unglück, sondern ein Verbrechen." Der "Süddeutschen Zeitung" sagte Lieberberg: "Befruchtet haben sich die Geltungssucht der Lokalpolitik, die Profitsucht der Veranstalter, auf beiden Seiten gut gedüngt durch totalen Amateurismus." Bei dem Ausrichter der Loveparade, dem Unternehmer Rainer Schaller, handelt es sich um den Gründer und Betreiber der Fitnesskette McFit. Er hatte am Sonntag bei einer Pressekonferenz im Rathaus, bei der ansonsten viele Fragen offen blieben, das endgültige Aus für die Technoparade verkündet.
Mittlerweile 20 Tote
Bundespolitiker forderten eine rückhaltlose Aufklärung der Vorgänge. Der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) sagte im Westdeutschen Rundfunk, er werde sich der Frage nach seiner persönlichen Verantwortung stellen. "Wenn wir wissen, was da passiert ist, dann werden wir auch diese Frage beantworten. Das verspreche ich", so der Kommunalpolitiker. Einen sofortigen Rücktritt schloss er aus.
Die Zahl der Todesopfer stieg inzwischen von 19 auf 20. Eine Frau erlag ihren schweren Verletzungen, wie die nordrhein-westfälische Regierungschefin Hannelore Kraft am Montagabend bestätigte. Landesinnenminister Ralf Jäger ordnete Trauerbeflaggung für alle Dienstgebäude des Landes an.
Autor: Marko Langer (apn, afp, dpa)
Redaktion: Christian Walz