Viele Tote bei Gewaltexzess in Kairo
10. Oktober 2011Weil muslimische Extremisten vor wenigen Tagen eine Kirche in der südlichen Provinz Assuan in Brand setzten, hatten rund 2000 koptische Christen in Kairo zunächst friedlich protestiert. Doch dann geriet die Lage außer Kontrolle.
Bei heftigen Auseinandersetzungen zwischen Christen, Muslimen und ägyptischen Sicherheitskräften wurden laut Medienberichten mindestens 24 Menschen getötet. Mehr als 200 Menschen seien verletzt worden, heißt es. Die Kirche in Assuan war von jungen Muslimen in Brand gesetzt worden, nachdem der örtliche Gouverneur die Stimmung angeheizt und erklärt hatte, das Gotteshaus sei wohl ohne behördliche Zustimmung errichtet worden.
Wer schoss zuerst?
Über den Verlauf der Ausschreitungen in Kairo, die bis in die Nacht zum Montag (10.10.2011) andauerten, gibt es widersprüchliche Darstellungen: Das Staatsfernsehen berichtete, die Randale habe begonnen, nachdem demonstrierende Kopten auf Soldaten vor dem Fernsehgebäude geschossen und diese mit Steinen beworfen hätten. Teilnehmer der Demonstration sagten hingegen, sie seien beschossen worden, als ihr Marsch den Platz vor dem Fernsehgebäude erreicht habe. Panzerspähwagen der Armee seien außerdem mitten in die Menge gefahren und hätten dabei Demonstranten überrollt.
Zeugenaussagen zufolge nahmen einige Demonstranten den Soldaten vor dem Fernsehgebäude ihre Waffen ab und richteten diese gegen die Streitkräfte. Die Kämpfe breiteten sich auch auf den nahe gelegenen Tahrir-Platz sowie in die umliegenden Straßen aus. Tausende Menschen bewarfen sich gegenseitig mit Steinen und Brandsätzen. Etliche Fahrzeuge gingen in Flammen auf.
"Vandalisierende Kräfte"
Der ägyptische Ministerpräsident Essam Scharaf verurteilte die Gewalt und sprach im sozialen Netzwerk Facebook von "vandalisierenden Kräften". Deren Ziel sei es, Chaos im Land zu säen und religiöse Spannungen zu schüren. Die Militärführung verhängte über das Kairoer Stadtzentrum eine nächtliche Ausgangssperre.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle zeigte sich sehr besorgt über die Gewalttaten. "Ich rufe alle Seiten zu größter Zurückhaltung und Besonnenheit auf", sagte er in Berlin. Gewalt und religiöser Zwist dürften den Prozess der Demokratisierung nicht stoppen. Westerwelle hob hervor, dass der Weg zur Demokratie auch über religiöse Toleranz führe.
Die Spannungen steigen
Es waren die schwersten Auseinandersetzungen in Ägypten seit dem Aufstand gegen den früheren Staatspräsidenten Husni Mubarak. Die Spannungen zwischen Christen und Muslimen hatten zuletzt stetig zugenommen. Die ägyptischen Christen werfen dem regierenden Militärrat vor, nicht eindeutig gegen die Attacken radikaler Muslime auf Christen vorzugehen. Bereits im Mai waren bei religiösen Auseinandersetzungen zwölf Menschen getötet worden.
Die Kopten sind die größte christliche Gemeinschaft in Ägypten. Ihr gehören bis zu zehn Prozent der insgesamt rund 80 Millionen Einwohner des muslimisch geprägten Landes an. Etwa eine weitere halbe Million Kopten lebt in anderen Ländern, davon schätzungsweise 6000 in Deutschland.
Autor: Christian Walz (dapd, dpa, kna, afp, rtr)
Redaktion: Martin Muno