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Viele Erwartungen

16. Mai 2007

Der Machtwechsel im Elysee-Palast lässt bei den politischen Partnern Frankreichs viele Erwartungen aufkommen. Doch nicht alle sind positiv. Nicolas Sarkozy polarisiert schon jetzt, wie DW-WORLD-Experten meinen.

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Nicolas Sarkozy, Foto: AP
Der strahlende SiegerBild: AP

USA: Hoffen auf einen Partner in Europa

Das weiße Haus
Große Hoffnungen aus dem Weißen HausBild: AP

Die Regierung Bush ist vor allem über eines erleichtert: Dass Nicolas Sarkozy Frankreich führen wird - und nicht die Sozialistin Royal. Washington hofft nun, dass nach vier Jahren sehr angespannter Beziehungen unter Chirac eine neue Ära der Beziehungen beginnt. Sarkozys Stil und Mentalität ist den Amerikanern vertraut. Der neue Präsident hat eine kulturelle Affinität zu Amerika und versteht sich auf persönlicher Ebene blendend mit Bush. Man hofft also auf eine wärmere, echte Freundschaftsbeziehung und auf mehr Chancen für Kooperationen statt gegenseitiges Misstrauen.

Auf außenpolitischer Ebene sind aber die konkreten Erwartungen nicht allzu groß. Die Franzosen sind nach wie vor sehr skeptisch gegenüber der US-amerikanischen Iran-Politik und Bushs "Krieg gegen den Terror". Sarkozys Haltung zu vielen wichtigen Themen wie das Kyoto-Protokoll, den EU-Beitritt der Türkei und die französische Beteiligung am Krieg in Afghanistan steht in direktem Gegensatz zu Bushs Politik. Man hofft aber in Washington, dass sowohl Sarkozys angekündigte radikale Wirtschafts- und Immigrationsreformen in Frankreich als auch seine Vorschläge für Reformen in der EU Frankreich zu einem stärkeren, verlässlichen, mehr nach außen schauenden europäischen Partner für Amerika macht.

Sonia Phalnikar

Deutschland: Zusammen ohne viel Tamtam

Jacques Chirac in Berlin
Schluss mit der Schmuserei mit Chirac: Jetzt kommt der NeueBild: AP

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird in Zukunft wohl auf pressewirksame Handküsse des französischen Präsidenten verzichten müssen. Doch das wird sie verkraften können. Denn die politischen Signale aus Paris sind positiv und werden den fehlenden Glamour ausgleichen. Nicht nur, dass Sarkozy seinen Antrittsbesuch in Berlin noch am Tag seiner Amtsübernahme machen will. Er hat Merkel zudem Unterstützung beim EU-Verfassungsvertrag zugesagt. Sarkozy will einen Mini-Vertrag, bei dem auf ein zweites Referendum verzichtet werden kann und den er per Abstimmung durch die Nationalversammlung bringen kann. Unterstützung aus Paris wird in Berlin derzeit gern gesehen, denn die EU-Ratspräsidentschaft endet Anfang Juli. Die Zeit für das versprochene Wiederbelebungssignal für eine Verfassung wird knapp.

Ansonsten wird Sarkozy in Berlin aber mit vorsichtigem Respekt behandelt. Hat er doch eine starke französische Reformpolitik angekündigt, die auf Kosten Europas gehen könnte. Andererseits hat Merkel nach dem Abgang von Blair nun einen Partner in Europa gefunden, der politisch ähnlich denkt und die Gruppe der Pragmatiker unter den Regierungschefs stärkt. Damit hätte sie vielleicht auch einen Gesprächspartner für das, was sie selbst nach einem Wahlsieg im Jahr 2009 vorhat, ohne den bremsenden Partner SPD,

Kay-Alexander Scholz

Nahost: Ein verlorener Freund?

Zahlreiche arabische Kommentatoren beschreiben den Sieg Sarkozys als Enttäuschung für die arabische Welt und rechnen mit einer Abkehr von der klassischen französischen Nahostpolitik, die traditionell gute Beziehungen zu den arabischen Ländern pflegt und im Nahost-Konflikt stets um Ausgleich zwischen den Konfliktparteien bemüht ist.

In Ramallah und Gaza hält man Sarkozy für einen bedingungslosen Unterstützer Israels und erinnert sich wieder daran, dass ihn seine erste Reise als UMP-Vorsitzender nach Israel führte, um Scharon zu treffen. Vor allem die Palästinenser rechnen mit einem dramatischen Kurswechsel in der französischen Nahostpolitik zugunsten Israels: Nicht nur die Tatsache, dass Sarkozys Wahl in Israel positiv aufgenommen wurde – in der israelischen Presse wurde gar von einer "neuen Ära" in den französisch-israelischen Beziehungen gesprochen – beunruhigt sie, man ist in erster Linie über seine außenpolitische Ausrichtung auf USA-Positionen besorgt.

Loay Mudhoon

Frankophones Afrika: Alles wie bisher oder ein wenig besser

Laurent Gbagbo
Enttäuscht: Der Sozialist Laurent Gbagbo,Bild: AP

Die Regierungen im frankophonen Afrika erwarten eine Fortsetzung der privilegierten Beziehungen zwischen Frankreich und seinen ehemaligen Kolonien. Diese Hoffnung wurde unter anderem vom senegalesischen Präsidenten Abdoulaye Wade ausgedrückt. Der ivorische Präsident, Laurent Gbagbo, hat Sarkozy über den offiziellen Weg gratuliert, dürfte aber, als Mitglied der Sozialistischen Internationalen, über die Wahlniederlage von Ségolène Royal enttäuscht sein. Seine Beziehungen zu Sarkozy können allerdings nicht schlechter sein als zu Chirac. In Nordafrika erwartet der algerische Präsident Bouteflika neuen Schwung in den bilateralen Beziehungen, nachdem Frankreich und Algerien es unter Chirac nicht geschafft haben, ein Freundschaftsabkommen zu unterzeichnen.

Marie-Ange Pioerron

Spanien: Der enttäuschte Nachbar

Der Sieg des konservativen Nicolas Sarkozy wurde in Spanien nicht gerade mit Freude aufgenommen. Es geht die Angst um, dass Europa von konservativen Regierungen beherrscht werden könnte. Und für die regierenden Sozialisten wäre es natürlich einfacher gewesen, einen Partner-im-Geiste als Nachbarn zu haben, was mit Frau Royale der Fall gewesen wäre. Die Regierung Zapatero hat seit ihrem Sieg 2004 mit erheblichen innenpolitischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es geht längst nicht so schnell voran, wie es eigentlich soll.

Pablo Kummetz

Türkei: Keine Unterstützung für den Weg nach Europa

Türkei Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan
Keine Glückwünsche von Recep Tayyip ErdoganBild: AP

Nach der Wahl von Sarkozy zum neuen Staatspräsidenten Frankreichs hat die Türkei ihm nicht einmal zu diesem Erfolg gratuliert. Aus diplomatischen Kreisen verlautete, dass nach der offiziellen Amtsübernahme von Sarkozy eine Glückwunschbotschaft nach Paris geschickt werde, "um den diplomatischen Höflichkeiten entsprechend zu handeln". Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan beließ es bei der Erklärung, die türkische Regierung hoffe darauf, dass sich "Sarkozy in seiner Haltung gegenüber der Türkei ändern wird, wenn er im höchsten Amtssessel Frankreichs sitzt".

Aus türkischen Regierungskreisen kam der Vergleich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie sei auch sehr gegen die Türkei gewesen, habe sich aber nach der Übernahme der Regierungsverantwortung geändert und so zum Beispiel erklärt, dass an den mit der EU getroffenen Vereinbarungen festgehalten werden müsse. Sarkozy hatte sich allerdings erheblich härter gegen eine weitere Heranführung der Türkei an die EU ausgesprochen und den NATO-Staat als geographisch ebenso wie kulturhistorisch nicht zu Europa gehörend bezeichnet.

Baha Güngör