Verändertes Klima für Firmengewinne
12. Mai 2016Gemeinsam verwalten sie mehr als vier Billionen US-Dollar Anlagevermögen: Die zehn Firmen, die sich zur "Investment Leaders Group" (ILG) zusammengeschlossen haben, haben an den Finanzmärkten Gewicht. Allianz Global Investors aus Deutschland zählt dazu, Standard Life Investments aus Schottland und die Schweizer Versicherung Zurich.
Wenn diese institutionellen Anleger Aktien kaufen, bewegen sie riesige Summen. Doch Geldmanager sind zunehmend zögerlich, wenn es um Aktien von Stromversorgern, Ölraffinerien oder Gasproduzenten geht. Schließlich weiß keiner so genau, wie zukunftsträchtig deren Geschäftsmodell ist in einer Zeit, in der viele Länder versuchen, klimafreundlicher zu werden.
Beim Pariser Klimagipfel beschloss die Weltgemeinschaft im vergangenen Dezember, mehr gegen den Klimawandel zu unternehmen. Die Europäische Union hat für 2030 Klima- und Energieziele festgelegt, China experimentiert mit einem nationalen Markt für Verschmutzungsrechte, und in den USA soll der "Clean Air Act" die Emissionen von Kraftwerken begrenzen.
Welche Aktien soll man wählen?
Die große Frage ist, wie sich all das auf die Gewinne von Energiefirmen auswirken wird. Einige große Fonds verfolgen bereits eine Divestment-Strategie und schmeißen Aktien von konventionellen Energiekonzernen aus ihrem Portfolio. Darunter sind der norwegische Staatsfonds, der größte der Welt, zwei Fonds der Rockefeller-Dynastie, und die Stadt Münster.
Die Investment Leaders Group verfolgt einen anderen Ansatz. Anstatt fossile Energiequellen ganz abzulehnen, sollten sich Investoren jede Firma separat genau anschauen. "Dieser Ansatz ist differenzierter", sagte Andrew Mason, Analyst bei Standard Life Investments, der DW. "Firmen, die die Belastung der Umwelt reduzieren und sich um einen sanften Wandel bemühen, werden durch unseren Ansatz belohnt."
Gemeinsam mit Forschern des "Institute for Sustainable Leadership" an der englischen Universität Cambridge haben Analysten der ILG ein Modell entwickelt. Damit wollen sie zeigen, wie sich Gesetze zum Schutz von Klima und Umwelt auf die Gewinne einzelner Firmen auswirken. Die Experten untersuchten drei Sektoren (Stromerzeugung, Ölverarbeitung und Gaserzeugung) in fünf Ländern (Großbritannien, Spanien, Deutschland, die kanadische Provinz Alberta und der US-Bundesstaat Kalifornien).
Gewinne in Gefahr
Für jedes Land gibt es zwei Szenarien: Das "Übergangsszenario" berücksichtigt "wahrscheinliche Änderungen" in der nationalen Gesetzgebung, die bis 2020 in Kraft treten könnten. Das "CO2-Preis-Szenario" nimmt zusätzlich Kosten von 45 Euro für jede Tonne Kohlendioxid (CO2) an.
Die Ergebnisse werden am Donnerstag (12.05.2016) vorgestellt. Dazu gehört die Erkenntnis, dass Energie- und Umweltauflagen Firmengewinne stark beeinflussen können, aber nicht nur negativ. "Wenn neue Gesetze zur Stärkung erneuerbarer Energien verabschiedet werden, schneiden spanische Versorger besser ab als britische", sagte Mason. Energieversorger auf der Insel produzieren viel Strom durch Kohleverbrennung, während der Anteil erneuerbarer Energiequellen bei Erzeugern in Spanien höher ist. Deren Profite könnten daher um 76 Prozent steigen, so die Studie, während britische Erzeuger Verluste machen würden.
Laut Studie können Firmen einiges tun, um die Risiken abzumildern. So könnten britische Versorger nicht nur Verluste abwenden, sondern ihre Gewinne um bis zu 50 Prozent steigern, wenn sie frühzeitig ihren Energiemix ändern, in neue Technologien investieren und die Kosten an die Verbraucher weitergeben.
Im Moment ist das Modell noch in einem frühen Stadium. Wenn es fertig ist, soll es ein Werkzeug sein, dass Investoren bei der Auswahl der Aktien hilft. Zunächst aber brauchen die Forscher "mehr Rückmeldungen aus Finanz- und Industriekreisen", so Andrew Mason von Standard Life. Noch gibt es keinen festen Zeitplan für die Fertigstellung. Ob Investoren einmal für die Nutzung des Modells bezahlen müssen, ist ebenfalls offen.
Das Datenproblem
Ein Problem ist, dass das Modell mit Firmendaten gefüttert werden muss, Firmen aber nicht verpflichtet sind, diese Daten zur Verfügung zu stellen. Nur zehn Firmen haben sich bisher an dem Projekt beteiligt - viel zu wenig für wirklich belastbare Aussagen. "Zum jetzigen Zeitpunkt wollten wir das Modell noch nicht auf alle börsennotierten Firmen ausweiten, sondern nur prüfen, wie sich das Modell auf die Firmenebene anwenden lässt", teilte ILG auf Anfrage der DW mit.
Nicht einmal die Namen der beteiligten Firmen wollen die Forscher verraten. "Ich würde ja gerne Firmen hervorheben, die mit dem Wandel gut zurechtkommen", sagte Mason. "Aber das würde sofort die Frage aufwerfen, welche Firmen darin schlecht sind. Auf der Basis der Ergebnisse wollen wir keine Firma an den Pranger stellen."
Doch Mason ist zuversichtlich, dass in Zukunft mehr Firmen ihre Daten für das Analysewerkzeug zur Verfügung stellen - selbst dann, wenn es ihre Schwächen enthüllt. "Wir versuchen, mehr Daten zu bekommen, damit wir die Firmen besser beurteilen können", so Mason.
Wachsender Druck
"Ich glaube, die besseren Firmen werden ihre Daten als erste bekanntgeben. Die anderen Firmen werden dann nachziehen müssen. Denn wenn sie die Informationen verweigern, werden Investoren nach dem Warum fragen." Mason nennt das "sanfte Ermunterung" und betont, dass nicht nur Investoren mehr Informationen wollen. "Auch die EU braucht zusätzliche Daten", so Mason.
Der Druck auf Energiefirmen, ihre Geschäftsmodelle an die veränderte Lage anzupassen, steigt damit weiter. Die mauen Bilanzen der beiden deutschen Energieversorger Eon und RWE machen das ebenfalls deutlich - ganz ohne komplizierte Modelle.