Hilfe für die Helfer
24. Januar 2007Die Hungerhilfe müsse dringend reformiert werden, um zu verhindern, dass weiterhin jedes Jahr Spenden im Wert von mehr als 450 Millionen Euro in anderen Kanälen verschwinden, heißt es in dem Jahresbericht der Welternährungsorganisation (FAO), der am Mittwoch (24.1.) in Rom veröffentlicht wurde. Weltweit hungern demnach 854 Millionen Menschen, von denen 206 Millionen in Afrika leben. Statt ihnen jedoch Lebensmittel zu liefern, sollten Hilfsleistungen wo immer möglich als Geldspenden oder in Form von Gutscheinen erbracht werden, forderte der Bericht. Größtes Problem sei, dass die wichtigsten Geberländer rund die Hälfte ihres Budgets für heimische Produzenten und Transporte aufwänden.
Insbesondere in Zentralafrika stieg laut FAO-Bericht der Anteil der Unterernährten von 36 Prozent der Bevölkerung im Laufe der 90er Jahre auf 56 Prozent an. Kriegerische Konflikte und Misswirtschaft führten zwischen 2001 und 2003 auch in der Demokratischen Republik Kongo, Liberia, Guinea-Bissau, Sierra Leone und Eritrea zu einer Zunahme des Hungers. Weltweit sind laut FAO derzeit 39 Länder auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, darunter 24 in Afrika.
Ein Drittel verschwindet
Etwa zehn Millionen Tonnen Güter werden jährlich weltweit an rund 200 Millionen bedürftige Menschen verteilt, berichtete die FAO weiter. Unter den 90 Empfängerländern erhielten Nordkorea, Sudan, Äthiopien, Bangladesch und Eritrea die größten Mengen.Die Kosten beliefen sich auf schätzungsweise zwei Milliarden Dollar (1,53 Milliarden Euro). Rund ein Drittel dieser Spenden gehe allerdings verloren. Problematisch sei vor allem, dass bis zu 90 Prozent der Lieferungen an Bedingungen "gebunden" seien. Dies verhindere eine effektive Arbeit der Hilfsorganisationen. So hätten die USA, als größtes Geberland der Welt, eine Reihe von Bestimmungen, die die Beschaffung der Lebensmittel im eigenen Markt erzwängen.
Zudem könnten Lebensmittellieferungen die Agrarmärkte der Bezugsländer schädigen, bemängelte die FAO. Marktpreise würden gedrückt, die heimische Produktion gesenkt und die Marktentwicklung geschädigt. Von den Lebensmittelhilfen, die bilateral zwischen Regierungen ausgehandelt wurden, werde etwa ein Viertel auf den Märkten der armen Länder verkauft, statt dass die Mittel an Hungernde verteilt würden.
Falsche Hilfe kann schaden
"Der Bericht verurteilt Nahrungsmittelhilfen nicht, sondern erklärt, wie man sie verbessern kann", sagte der Verfasser des Reports, Terri Raney. Negative Auswirkungen gebe es hauptsächlich dann, wenn Nahrungsmittelhilfe zur falschen Zeit oder nicht gezielt genug gestellt werde, hieß es. Bei akuten Hungerkatastrophen sei die Versorgung mit Lebensmitteln zwar weiterhin notwendig, dennoch müsse das Gros der Hungerhilfe auf Geldspenden und Gutscheine zum Erwerb von Lebensmitteln vor Ort umgestellt werden.
Die Nothungerhilfe mache zurzeit etwa die Hälfte bis zwei Drittel der Lebensmittelhilfen aus. Sie werde in 39 Ländern verteilt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe sich die Zahl der Notfallsituationen auf jährlich 30 Fälle verdoppelt. In Afrika habe sich die Zahl sogar verdreifacht. Die meisten Spenden gingen demnach in den vergangenen Jahren an Nordkorea. Dahinter folgten Äthiopien und Bangladesch.
Ursachenbekämpfung nötig
Die Deutsche Welthungerhilfe begrüßte den FAO-Bericht und teilte mit, sie unterstützte die Reformforderungen. "Nahrungsmittelhilfe ist für das Überleben von Millionen von Menschen vor allem in Krisenländern notwendig, falsch angewandt richtet sie jedoch großen Schaden an", sagt der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Hans-Joachim Preuß. Vor allem müssten alle Formen der Nahrungsmittelhilfe, die nicht unmittelbar das Überleben sichern, auf den Prüfstand, hieß es.
Für eine wirksame Bekämpfung des Hungers fordert die FAO, stärker an den Ursachen anzusetzen. Die weltweiten Mittel für die Entwicklung der Landwirtschaft in armen Ländern müssten wieder steigen. Sie sanken von 1998 und 2003 um zehn Prozent auf 11,1 Milliarden US-Dollar jährlich. (ina)