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Droht Brasilien Wassermangel?

Ciara Long Rio de Janeiro
18. April 2018

Der Guarani Grundwasserleiter gilt als zweitgrößtes Grundwasserreservoir der Welt. Allerdings bedrohen zunehmende Trockenheit, massive Wasserentnahme und Gerüchte um eine Privatisierung sein Fortbestehen.

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Blick auf einen Stausee bei Paraibuna, Brasilien
Aktivisten laufen Sturm, weil die Regierung bereits viele Privatisierungsprojekte auf den Weg gebracht hat, darunter auch in einem Amazonasgebiet, das reich an Bodenschätzen istBild: Imago/Fotoarena

Brasilien ist ein wasserreiches Land. Manche sagen, der Süßwasservorrat des Landes sei so gewaltig wie der Öl-Vorrat Saudi-Arabiens. Sinnbild dieser Aussage ist unter anderem der Guarani Grundwasserleiter. In ihm lagern unterirdisch rund 30.000 Kubik-Kilometer Frischwasser. Der Guarani selbst erstreckt sich auf 1,2 Millionen Quadratkilometer vor allem auf brasilianischem Gebiet, aber auch in Uruguay, Paraguay und Argentinien.

Mit diesem frischen, sprudelnden Reichtum könnte es schneller vorbei sein, als den meisten klar ist. Gründe dafür gibt es viele. Einer ist der Klimawandel, zu dem Wissenschaftler erstmals 2015 eine Verbindung hergestellt haben. Damals wurde São Paulo, Brasiliens bevölkerungsreichste Stadt, von einer schweren Dürre heimgesucht. In dieser Zeit gingen die Wasserreserven der Stadt massiv zurück. 

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"Was mit dem Grundwasserspeicher passiert, hängt sehr direkt vom Niederschlag und der Verteilung des Wassers in der Atmosphäre ab", erläutert Edson Cezar Wendland. Der Forscher arbeitet an der Universität von São Paulo und hat den Guarani-Speicher zehn Jahre lang untersucht.

Für den Bundesstaat São Paulo spielt der Guarani zwar keine entscheidende Rolle, doch die Wasserversorgung in der Region ist insgesamt kritisch, weil ihre geografische Lage eher für Trockenheit als für saftige Wiesen sorgt. Die Forscher fürchten deshalb dramatische Folgen, sollte man die Rolle, die der Wasserspeicher auch für andere Wassersysteme spielt, nicht besser verstehen. Sie fürchten, dass der Wasserspiegel des Guarani sinkt.

"Wir haben weltweit Probleme mit der Wasserversorgung, Brasilien ist da keine Ausnahme", sagt deshalb auch Maru Whately, Mitgründer der brasilianischen Organisation Alliance for Waters.

Großer Durst

Zwar ist der Guarani durch strenge Gesetze geschützt, trotzdem haben die Weltbank und die Organization of American States (OAS) schon 2009 in einer gemeinsamen Studie 2000 Bohrungen identifiziert, die dem Wasserspeicher seine wertvolle Ladung abzapfen. Etliche dieser Bohrlöcher versorgen auch die Millionenmetropole São Paulo mit Trinkwasser.

Leert man sie zu schnell, können sich die Wasserspeicher nicht mehr schnell genug regenerieren. Eine zu starke Ausbeutung der Ressourcen ist auch am Guarani manchmal schon zu spüren.

Etwa als in São Carlos, einem Bezirk des Bundesstaates São Paulo, während einer Trockenperiode im Jahr 2013 Grundwasser verwendet wurde, um damit die besonders durstigen Eukalyptusbäume zu bewässern. Im Anschluss ermittelten Wissenschaftler, dass die Wasserstände an den Brunnen des Speichers um 50 Prozent abgesunken waren. Es war der niedrigste Stand innerhalb von 10 Jahren.

Dieses Schicksal könnte dem ganzen Guarani bevorstehen, fürchtet Wendland. Er spricht sich deshalb für sorgfältige Kontrollen aus. Außerdem seien weitere Forschungen nötig, um die Wassermenge zu ermitteln, die maximal entnommen werden darf, ohne dem Wasserspeicher zu schaden.

Ausverkauf des wertvollsten Gutes?

Umweltschützer sind angesichts der Hinweise, dass der Guarani zu stark angezapft werden könnte, alarmiert. Als bekannt wurde, dass sowohl der brasilianische Präsident Michel Temer als auch Nestlé Vorstandschef Paul Bulcke beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos sein würden, schrillten die Alarmglocken noch einmal lauter.

Nervös macht die Aktivisten vor allem, dass die Temer-Regierung aktuell bereits mehr als 200 Privatisierungsprojekte angestrengt hat. 2017 erst hatte die Regierung versucht ein Dekret zu erlassen, mit dem ein an Bodenschätzen reiches Gebiet des Amazonas für die Privatwirtschaft geöffnet werden sollte. Diese hätten dort Kupfer, Gold und Eisenerz abbauen können. Bedenken wurden also laut, dass etwas Ähnliches auch beim Guarani versucht werden könnte.

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Nach Davos hatten sich die Gerüchte weit verbreitet. Denen versucht der Nahrungsmittel- und Getränkegigant Nestlé seinerseits zwar entgegenzuwirken. Das Unternehmen beteuert, "kein Wasser aus irgendeinem Teil des Guarani-Wasserspeichers in Südamerika, einschließlich in Brasilien, entnommen" zu haben. Man habe auch nicht vor, dies zu tun.

Jedoch hat sich kaum etwas an den Ängsten im Land geändert. Zuletzt protestierten im März etwa 400 Frauen dagegen, indem sie die Nestlé-Fabrik in São Lourenço besetzten.

Die Gerüchte werden nicht gänzlich verstummen, sagt auch Edson Aparecida da Silva, der Koordinator für das Alternative World Water Forum (FAMA) in Brasilien.

"Es ist klar, dass die jetzige Regierung keine Mühen scheuen wird, denen, die über das nötige Kapital verfügen, die Wasserkontrolle zu ermöglichen - egal, ob unter- oder oberirdisch."

Für Maru Whately von der Alliance for Waters weist allein schon die schiere Größe des Guarani-Speichers auf dessen wichtige Rolle im Wassersystem Brasiliens hin. Er müsse und werde auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen.

"Anders als andere Süßwasserquellen ist der Guarani weitgehend vor Klimawandel und Verschmutzung geschützt", sagte sie. "Solche Grundwasserleiter begründen zukünftige Wasserquellen, deshalb sollte ihr Schutz Priorität haben."

Galerie: Abschied vom Amazonas