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Linksruck in Guatemala

Oliver Pieper5. November 2007

Der Sozialdemokrat Álvaro Colom hat die Präsidentschaftswahlen in Guatemala gewonnen. Colom wird damit der erste linksgerichtete Präsident Guatemalas seit mehr als 50 Jahren. Auf ihn warten kaum lösbare Aufgaben.

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Álvaro Colom
Álvaro Colom nach seinem WahlsiegBild: AP

"Colom für Dich, Colom für mich, Colom für mein Guatemala" - ob es an dem Wahlkampfsong lag, der in Radio, Fernsehen und Internet zu hören war, sei dahingestellt; doch diesmal war Álvaro Colom erfolgreich: Nach zwei gescheiterten Versuchen 1999 und 2003 konnte sich der Mitte-Links-Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen durchsetzen. Am Ende lag der 56-jährige Ingenieur sechs Prozentpunkte vor seinem rechtsgerichteten Konkurrenten Otto Pérez Molina, der als Favorit für die Nachfolge von Oscar Berger galt.

Solidarische Hand

Wahlzettel
Knapp 53 Prozent der Stimmen entfielen auf ColomBild: AP

Colom hatte als Kandidat der Nationalen Einheitspartei der Hoffnung (UNE) vor allem soziale Themen in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes gestellt. "Der Wandel beginnt heute. Guatemala ist ein magisches Land, das ein anderes Schicksal verdient. Gleichheit, Solidarität und soziale Gerechtigkeit regieren ab jetzt für immer", rief Colom in Guatemala-Stadt seinen Anhängern zu. Eine große Herausforderung, denn mehr als die Hälfte der zwölf Millionen Einwohner muss mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen. Vor allem die indianische Bevölkerung im Hochland ist von Armut betroffen, Colom will mit höheren Sozialausgaben dagegen ankämpfen. Auf dem UN-Entwicklungsindex, der Lebenserwartung, Kaufkraft und Schulbildung kombiniert, liegt Guatemala auf Platz 117 von 177 Ländern. Nur Haiti steht in Lateinamerika noch schlechter da.

Letzte Chance für Guatemala ?

"Diese Wahlen sind die letzte Chance für Guatemala" - das sagten nicht nur Coloms Wahlkampfmanager, so sprachen auch die Menschen auf der Straße. Täglich 16 Morde werden in Guatemala verübt, dazu kommen noch unzählige Entführungen und Überfälle. Colom selbst bewegte sich nur im Helikopter von Veranstaltung zu Veranstaltung und hatte immer einen Arzt dabei, der auf Schusswunden spezialisiert ist. Eines der wichtigsten Aufgaben für den Sozialdemokraten wird es sein, die Kriminalität in dem mittelamerikanischen Land einzudämmen. Vizepräsident Eduardo Stein warnt bereits vor einem zweiten Bürgerkrieg. Dem bewaffneten Konflikt zwischen 1960 und 1996 waren Zehntausende Menschen zum Opfer gefallen. Während Molina der Gewalt eine Politik der "harten Hand" entgegensetzten wollte, lehnt Colom ein härteres Durchgreifen der Staatsorgane ab: "Eine Politik der harten Hand hatten wir 50 Jahre. Das hat uns 250.000 Tote in einem schmutzigen Krieg beschert". Colom war von Molina deswegen als "Weichei" verspottet worden.

Gebrochenes Versprechen

Wähler
Vor allem in den ländlichen Gebieten konnte Colom punktenBild: AP


Auch Coloms Familiengeschichte ist vom Bürgerkrieg und der Gewalt in Guatemala geprägt. Etliche seiner Verwandten wurden im Krieg getötet, darunter auch sein Onkel Manuel Colom Argueta, ebenfalls Präsidentschaftskandidat und ehemaliger Bürgermeister von Guatemala-Stadt. Als der damalige Führer der Linken 1979 durch Anhänger des Militärs ermordet wurde, schwor die ganze Familie, sich in Zukunft aus der Politik herauszuhalten. "Ich war der einzige, der dieses Versprechen gebrochen hat", sagte Colom einmal. Nach seinem Abschluss als Industrie-Ingenieur an der Universität San Carlos leitete er eine Textilfabrik, bevor er in den 1990-er Jahren als Vize-Wirtschaftsminister in die Politik einstieg. In Folge leitete er das "Land für Frieden"-Programm, das Flüchtlingen und ehemaligen Bürgerkriegs-Kämpfern zu einem Neuanfang verhalf. 1999 trat der Kettenraucher als Kandidat für die Partei "Alianza Nueva Nación" an, doch schon im nächsten Jahr gründete er mit der UNE seine eigene Partei. Im Jahr 2003 brachte er es als Präsidentschaftskandidat auf 45,84 Prozent, musste sich jedoch Oscar Berger geschlagen geben.

Jede Menge Arbeit

"Wir genießen diese Nacht, weil ab morgen die Arbeit beginnt", sagte Colom nach seinem Wahlsieg. Und tatsächlich wartet jede Menge Arbeit auf den sechsten demokratische gewählten Präsidenten Guatemalas. Neben dem Kampf gegen die soziale Ungleichheit und die Kriminalität muss Colom, der sein Amt am 14. Januar antreten wird, vor allem die staatlichen Institutionen reformieren: Die Justiz versinkt in Korruption und ist nahezu handlungsunfähig, die Polizei ist vom internationalen Drogenhandel unterwandert. "Wenn man einen guten Plan hat und an seinen Prinzipien festhält, wird man Erfolg haben, auch wenn man gegen viele Kräfte ankämpfen muss", hatte der neue Präsident Guatemalas angekündigt. Die Bevölkerung hofft, dass Colom tatsächlich einen guten Plan hat.