Verpflichtende Alterstests für Flüchtlinge?
2. Januar 2018Heftig diskutiert das politische Deutschland zu Beginn des neuen Jahres über Flüchtlinge, die noch minderjährig sind, wenn sie in Deutschland eintreffen. Und vor allem über zwei dabei wichtige Fragen: Kann man die Jugendlichen schnell abschieben, wenn sie in Deutschland Straftaten begangen haben? Und sollte man generell das Alter der Flüchtlinge medizinisch feststellen können, wie das etwa in Österreich der Fall ist?
Ein schrecklicher Mord
Auslöser der Debatte ist die schreckliche Straftat von Kandel kurz nach Weihnachten: Ein - angeblich - 15 Jahre alter Flüchtling aus Afghanistan ersticht in dem Städtchen in Rheinland-Pfalz seine ebenfalls 15 Jahre alte Ex-Freundin. Der verzweifelte Vater des Mädchens erklärt, die Familie habe den jungen Afghanen, erst seit April vergangenen Jahres im Land, zuvor liebevoll in ihren Kreis aufgenommen. Gewohnt habe der junge Mann in einer Wohngemeinschaft.
Aber bald habe sich die Tochter von ihm getrennt. Doch dann habe der junge Mann das Mädchen bedroht, so sehr, dass die Eltern Strafanzeige erstatteten. Aber auch diese Anzeige konnte die Bluttat nicht verhindern. Im Interview äußerste der Vater dann Zweifel, ob der junge Mann wirklich erst 15 Jahre alt ist. Mit anderen Worten: Dass er wesentlich älter gewesen sei.
Konservative fordern schnelle Abschiebung
Vor allem in den sozialen Medien brach danach ein Sturm der Entrüstung los. Die Politik nahm die Diskussion mit einiger zeitlicher Verzögerung auf: FDP-Chef Christian Lindner forderte eine schnelle Abschiebung solcher Straftäter. Und der Chef der CSU im Bundestag, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, meinte: "Wir können nicht dulden, dass Menschen, die hierher kommen, unsere Hilfsbereitschaft ausnutzen und unsere Hausordnung mit Füßen treten, weiter in unserem Land bleiben dürfen."
Aber ganz so einfach sind solche Abschiebungen nicht. Darauf wies jetzt die Ministerpräsidentin des Saarlandes hin, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU): Der Staat müsse zwar konsequent handeln, es gäbe aber sehr hohe rechtliche Hürden. Unter anderem müsse sichergestellt werden, dass die Jugendlichen in ihrer Heimat von ihren Familien oder in anderer Art und Weise tatsächlich betreut würden.
Bislang werden Jugendliche Flüchtlinge, auch Straftäter, faktisch nicht abgeschoben. Zwischen Januar und Oktober des letzten Jahres kamen rund 8100 Flüchtlinge, die minderjährig sind, nach Deutschland. Das sind rund fünf Prozent aller Flüchtlinge, deren Gesamtzahl bis Ende November offiziell mit rund 170.000 angegeben wird.
Röntgenbild generell vorschreiben?
Streit gibt es auch in der Frage, ob das Alter der Flüchtlinge generell medizinisch festgestellt werden soll. Mehrere Politiker von CDU und CSU hatten gefordert, das Alter von Flüchtlingen etwa durch ein Röntgenbild des Handgelenks feststellen zu lassen. So sagte der innenpolitische Sprecher der Union-Fraktion, Stephan Mayer: "Ich bin der Auffassung, dass wir zukünftig bei allen angeblich minderjährigen Flüchtlingen, bei denen konkrete Zweifel an der Minderjährigkeit bestehen, bereits bei der Einreise eine verpflichtende medizinische Altersfeststellung benötigen." In anderen EU-Ländern wie Österreich und Schweden hätten nachträgliche medizinische Altersfeststellungen ergeben, dass ein beträchtlicher Anteil der Altersangaben falsch gewesen seien.
Debatte wird weitergehen
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, trat dem vehement entgegen. Ohne medizinische Notwendigkeit sei das Röntgen ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, so Montgomery in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Und der Arzt Thomas Nowotny, der oft junge Asylbewerber betreut, fügte hinzu, auch mit einem solchen Röntgenbild sei das Alter konkret nicht zu bestimmen.
Klar scheint schon jetzt zu sein, dass das Thema der minderjährigen Flüchtlinge auch die anstehenden Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD über die Bildung einer neuen Bundesregierung beeinflussen wird. Und einfacher werden sie dadurch nicht.