Vermeidbare Hungerkatastrophen in Afrika
25. Februar 2006Das Recht auf Nahrung ist ein Menschenrecht. 151 Staaten haben sich durch den internationalen Pakt der UN über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte darauf verpflichtet. Doch das Menschenrecht auf Nahrung wird tagtäglich von vielen Regierungen mit Füßen getreten. Elf Millionen Hungernde zwischen Eritrea und Tansania sind dringend auf Nahrungsmittelhilfe von außen angewiesen. Die schlimmste Dürre seit mehr als einem Jahrzehnt hat die Situation drastisch verschlechtert. Doch die Katastrophe trifft keines dieser Länder ohne Vorwarnung und ohne zeitlichen Vorlauf. Sie hätte verhindert werden können, denn Hunger ist in allererster Linie ein Verteilungs- und ein Zugangsproblem.
Recht auf Nahrung einklagbar
Das gilt auch für die zurzeit betroffenen afrikanischen Staaten. China und Indien konnten die Zahl der Hungernden durch verbesserte Verteilungssysteme deutlich senken. In Indien, in Brasilien, aber auch in Uganda oder Südafrika ist das Menschenrecht auf Nahrung einklagbar. Und gerade Südafrika ist das vielleicht beste Beispiel dafür, wie - trotz schlechter Rahmenbedingungen - durch verbesserte Verteilung und Verwaltung, eine klaren Förderung der Landwirtschaft und eine Beteiligung der ländlichen Regionen an politischen Entscheidungen Hunger vermieden werden kann. Auf dem Rest des Kontinents allerdings ist Hunger überall präsent: In 32 von 52 afrikanischen Staaten sind die Menschen auf Nahrungsmittelhilfe von außen angewiesen.
Die Gleichung ist erschreckend einfach: In Ländern mit stabilen wirtschaftlichen und politischen Strukturen geht man mit natürlichen Ressourcen besser um. Wo politische Partizipation umgesetzt wird, werden auch Nahrungsmittel gerechter verteilt. Überall dort aber, wo Krieg herrscht, von Regierungen gar betrieben wird, wo ländliche Regionen nicht an den politischen Entscheidungsprozessen beteiligt sind, werden aus Dürren schnell Hungerkatastrophen. Das vom Krieg verwüstete Somalia - ohne staatliche Verwaltung, effektive Regierung oder Gesundheitssystem - hat dem Hunger nichts entgegenzusetzen.
Krieg verschlingt Unsummen
Die Menschen in Äthiopien aber müssen auch deshalb hungern, weil sich ihre Regierenden einen teuren militärischen Konflikt mit Eritrea leisten, der seit Jahren Unsummen verschlingt. Die Regierung Kenias bringt es nicht fertig, die vorhandenen Maisvorräte vom Westen des Landes in den übrigen Regionen zu verteilen. Die kenianische Regierung hat durch Korruption und Misswirtschaft das Vertrauen der Kenianer verspielt und begegnet der augenblicklichen Hungerkatastrophe lediglich mit ein paar öffentlichkeitswirksamen Pressekonferenzen.
Es mangelt am politischen Willen. Davon aber bräuchte es viel, sehr viel. Denn die Ursachen von Hunger sind komplex und betreffen die unterschiedlichsten Politikbereiche: Die Ausdehnung von Wüsten, Veränderungen des Klimas, der wachsende Bevölkerungsdruck und eine globalisierte Weltwirtschaft, welche Agrarprodukte einem verzerrenden Wettbewerb aussetzt - all das schafft Voraussetzungen für strukturellen Hunger. Mehr als 800 Millionen Menschen in den Entwicklungsstaaten leiden darunter. Doch zu Katastrophen kommt es in der Regel nur da, wo Krisen und Konflikte, wo Korruption und ungerechte Verteilung, wo Desinteresse, Unfähigkeit und Unwillen der Regierenden hinzukommen.
Ziel wird verfehlt
2004 hat sich die Weltgemeinschaft unter Ägide der Welternährungsorganisation auf freiwillige Leitlinien zum Recht auf Nahrung verständigt. In ihnen ist auch fixiert, was als wichtigste Voraussetzung für einen effektiven Kampf gegen den Hunger gilt: Gute Regierungsführung. Doch Papier ist geduldig - und ein Blick auf die zurzeit betroffenen Staaten Afrikas zeigt: Gute Regierungsführung sucht man hier meist vergeblich. Auf dem Welternährungsgipfel 1996 hat sich die Internationale Gemeinschaft zum Ziel gesetzt, die Zahl der Hungernden in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Sie wird dieses Ziel wohl nicht erreichen, denn es fehlt an der erforderlichen politischen Verantwortung der jeweiligen Eliten.