Verlässt die US-Armee Deutschland?
6. November 2019Für Mike Pompeo ist Deutschland nicht unbekannt. Aber es war ein ganz anderes Deutschland, in dem er damals als junger US-Soldat Ende der 1980er Jahre Dienst tat. Deutschland war geteilt in die westlich orientierte Bundesrepublik Deutschland und die mit der Sowjetunion verbundene Deutsche Demokratische Republik.
Mike Pompeo hatte 1986 als Jahrgangsbester die Militärakademie West Point abgeschlossen. Anschließend ging es ins geteilte Deutschland. Pompeo patroullierte als Soldat unter anderem an der Berliner Mauer. Die meiste Zeit war er aber als Panzerkommandant in den "Christensen Barracks” auf dem Bindlacher Berg bei Bayreuth in Oberfranken stationiert.
Der Stützpunkt war strategisch günstig gelegen. Von hier aus waren es nur etwa 70 Kilometer sowohl zur ehemaligen innerdeutschen Grenze - im Norden grenzt Bayern an Thüringen - als auch zur damaligen Tschechoslowakei, die ebenfalls zum sowjetisch beherrschten Warschauer Pakt gehörte, dem östlichen Gegenstück der NATO.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden die US-Truppen deutlich abgebaut. 1992 zogen die US-Streitkräfte auch vom Bindlacher Berg ab. Ein Teil der Gebäude wurde abgerissen, ein anderer in Wohnungen umgewandelt. Heute erinnert nur noch ein Straßenname an die Zeit der „Christensen Barracks".
Es gibt außerdem ein Bowling-Center, das noch die US-Amerikaner eröffnet hatten, und eine Autowerkstatt, die sich "US Cars Franken" nennt. Rund 900 Menschen leben heute auf dem Bindlacher Berg. Auf Facebook tauschen sich ehemalige US-Soldaten über ihre Zeit auf dem Stützpunkt aus.
Brennpunkt im Kalten Krieg
So wie auf dem Bindlacher Berg läuft es seit Jahren auch an anderen US-Stützpunkten: Die US-Amerikaner rücken ab oder dünnen ihre Präsenz zumindest aus. Mike Pompeo kannte als Soldat noch ein ganz anderes Bild.
1990, gegen Ende des Kalten Krieges, unterhielten die USA im Westen Deutschlands noch über 200.000 Soldaten. Dem standen doppelt so viele sowjetische Soldaten im Osten gegenüber. Die sowjetischen Truppen dort galten als größte Armee, die je über einen so langen Zeitraum von einer Besatzungsmacht im Ausland unterhalten wurde.
Doch während 1994 die letzten dieser Soldaten das Gebiet der ehemaligen DDR verließen, blieben die Truppen der westlichen Verbündeten im NATO-Mitglied Deutschland, allerdings drastisch reduziert.
Wirtschaftsfaktor Streitkräfte
Heute befinden sich weniger als 40.000 US-Soldaten auf deutschem Boden, vor allem in Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Die US-Amerikaner bilden das mit Abstand größte ausländische Truppenkontingent in Deutschland. Das nächstkleinere unterhalten die Briten mit gut 3000 Soldaten, alle anderen sind noch deutlich kleiner.
Zum Vergleich: Die Truppenstärke der Bundeswehr beträgt heute rund 182.000 Soldaten. Deutschland ist außerdem der größte ausländische Standort von US-Truppen weltweit.
Doch die US-Armee in Deutschland ist nicht nur von entscheidender militärischer Bedeutung, sondern auch ein wichtiger regionaler Wirtschaftsfaktor. Neben den Soldaten arbeiten auch 17.000 US-amerikanische und 12.000 deutsche zivile Mitarbeiter für die Streitkräfte.
Da sich die US-Stützpunkte meist in ländlichen Gebieten befinden, zum Beispiel die wichtige Luftwaffenbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz, sind Lokalpolitiker meist froh, die US-Amerikaner dort zu haben.
Trump droht mit Truppenverlegung
Doch ihre Präsenz hat Präsident Donald Trump seit seinem Amtsantritt immer wieder in Frage gestellt. Die NATO hat als Ziel vereinbart, dass jedes Land mindestens zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für das Militär ausgeben muss.
Weil Deutschland weit darunter liegt, drohte Trump im Juni mit einer Teilverlegung der US-Truppen - nach Polen, das das Zwei-Prozent-Ziel bereits heute erreicht. Im Gespräch waren damals 1000 Soldaten, die in den Osten verlegt werden könnten.
"Zahlreiche Präsidenten haben die größte Volkswirtschaft Europas gebeten, für ihre eigene Verteidigung zu zahlen. Das ist eine Bitte, die sich über viele Jahre und viele Regierungen hingezogen hat", giftete im Sommer Richard Grenell, Trumps Botschafter in Berlin. Nun sei man an dem Punkt angelangt, wo man reagieren müsse.
Doch bei den Drohungen ist es bisher geblieben, wohl auch deswegen, weil sich das wichtigste Ziel der US-amerikanischen Truppenpräsenz in Deutschland geändert hat. Heute steht nicht mehr so sehr die Abwehr eines feindlichen Angriffs auf Deutschland im Vordergrund.
Die USA wickeln stattdessen vor allem Militäreinsätze in Asien und Afrika über deutsche Basen ab und steuern sie von hier aus, vor allem über Ramstein. Dafür scheint Deutschland auf absehbare Zeit unverzichtbar. Jedenfalls lassen weitere US-Investitionen in Standorte in Deutschland darauf schließen, dass die US-Amerikaner an einer starken Präsenz in Deutschland dann doch festhalten wollen.