Vergessene Geschichte
18. November 2002Deutschland Anfang der 30er Jahre: Jazz-Töne klingen aus dem Volksempfänger, Josephine Baker tanzt ihre legendär gewordenen Kreationen, und die Menschen in den Ballsälen und Salons der deutschen Hauptstadt tanzen begeistert mit. Schwarze Musik, schwarzer Rhythmus ist schick, gilt als modern in der Weimarer Republik. Die Oper "Johnny spielt auf" über einen schwarzen Jazzmusiker des Komponisten Ernst Krenek wird 1927 ein Erfolg.
Arisch und weiss
Doch das Leben Andersfarbiger in Deutschland wird zunehmend vom braunen Schatten des Nationalsozialismus und dem irrwitzigen Gedanken des "reinen" deutschen Volkes verfolgt. Neben Juden und politischen Oppositionellen sind Farbige Hitler und seinen Mannen ein Dorn im arischen Auge. Und so wird auch ihr Schicksal mit dem Reichsrassengesetz 1933 besiegelt.
Erste Schritte der Geschichte
Schicksale und ihre Geschichte, die weltweit zum ersten Mal in der Ausstellung '"Besonderes Kennzeichen: Neger" - Schwarze im NS-Staat' mit historischen Dokumenten veranschaulicht wird. Poster, Flugschriften, Filme, Tondokumente, Fotos, die einen äußerst authentischen Ausstellungsort gefunden haben: Das NS-Dokumentationszentrum in Köln. Ein ehemaliges Gebäude, dass der Gestapo, der Geheimen Staatspolizei, diente um Verhöre und Folter durchzuführen.
Bislang blieb die Geschichte Schwarzer, die in Deutschland vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten gelebt haben, unbekannt. Dabei war nicht nur die Kultur Schwarzer gegenwärtig, sondern auch ihre Präsenz auf den Straßen: Einwanderer aus der Karibik, Afrikaner, schwarze US-Amerikaner, die vor der Wirtschaftskrise flüchteten und nach Deutschland kamen, diplomatische Abgeordnete, Einwanderer aus den Kolonialstaaten, "hängengebliebene" Seeleute. Insgesamt an die zehntausend Menschen, die mit einer anderen Hautfarbe in Deutschland lebten, schätzt Initiator Dr. Peter Martin von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Kultur und Wissenschaft gegenüber DW-WORLD.
Verfolgung im NS-Staat
Farbige Deutsche, die sich ein Leben in Deutschland aufgebaut hatten, Deutsche geheiratet und mit ihnen Kinder zeugten - sogenannte "Rheinlandbastarde". Experten schätzen, dass ungefähr 600 von ihnen unter den Nationalsozialisten gewaltsam zwangssterilisiert wurden. Auf Menschen anderer Hautfarbe rollte eine Propagandawelle zu: Als eine "gefährliche Pest" wurden sie abgestempelt, als Bastarde. Und sie verschwanden aus dem öffentlichen Leben. Was blieb, war ein bürokratischer Papierberg. Die Menschen verschwanden einfach aus der Öffentlichkeit, so Dr. Martin, der sich seit Jahren mit der Geschichte schwarzer Minderheiten in Europa beschäftigt.
Denunzierung, vor allem in den Medien, war an der Tagesordnung. Plakate stellten Schwarze als Gefahr für die deutschen Frauen dar. Was mit den meisten in der Zeit von 1933 bis 1945 tatsächlich geschah, ist schwer nachzuvollziehen. Viele konnten rechtzeitig das Land verlassen, andere wurden in Konzentrationslager eingewiesen, Opfer von medizinischen Versuchen.
Vielleicht waren es mehrere hundert, gar mehrere Tausend, die umkamen. Nur bei 15 bis 20 Fällen konnten die Historiker nachweisen, dass sie von den Nationalsozialisten ermordet wurden, mutmaßt Dr. Martin, der die Ausstellung vor allem auf Grund der finanziellen Zuwendung von Jan Philipp Reemtsma (Initiator Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht") realisieren konnte.