Vergessen in der Geröllwüste
15. Juni 2004Die Aussicht auf Erfolg war wohl so aussichtslos, dass selbst ein so ausdauernder und erfahrener Diplomat wie James Baker das Handtuch warf. Am Wochenende wurde bekannt, dass der ehemalige US-Außenminister unter George Bush Senior nach über sieben Jahren sein Amt als Sondergesandter des UN-Generalsekretärs Kofi Annan für die Westsahara niederlegt. Dabei war der von Baker vor knapp einem Jahr vorgelegte Friedensplan zur Beilegung des Westsahara-Konflikts international auf große Zustimmung gestoßen.
In der Resolution 1541 vom April 2004 hatte der UN-Sicherheitsrat Bakers mehrfach modifizierten Plan noch als "optimale politische Lösung" für den Konflikt gepriesen, auch der deutsche Bundestag unterstützte den Plan einstimmig. Darin hatte Baker für das Territorium der Westsahara einen auf fünf Jahre befristeten Automiestatus unter der politischen Hoheit Marokkos vorgeschlagen. Erst danach sollte per Volksabstimmung darüber entschieden werden, ob die Westsahara bei Marokko verbleibt oder nicht.
Warten im Nichts
Nach dem Rückzug der spanischen Kolonialherren 1975 besetzte Marokko die Westsahara - ein Gebiet von der Größe der früherer Bundesrepublik und reich an Bodenschätzen und Fischgründen an der Küste - und vertrieb die die dort lebenden Menschen. Seitdem harren etwa 160.000 Flüchtlinge (Zahlen von medico international) in Lagern im algerischen Tindouf aus und warten auf die Rückkehr in ihre Heimat. Die für die Befreiung der Westsahara eintretende Organisation Polisario stimmte 1991 auf Vermittlung der Vereinten Nationen einem Waffenstillstand mit den Besatzern zu, nachdem Marokko seine Bereitschaft zu einem Referendum über die Unabhängigkeit der Region signalisiert hatte. Das wurde von Marokko in der Folgezeit aber immer wieder erfolgreich hinausgezögert. Das Land konnte sich dabei meist der Rückendeckung Frankreichs sicher sein.
Auch dem neuen Baker-Plan verweigert Marokko die Zustimmung, obwohl die Polisario zugestimmt hatte. "Die Polisario hatte dabei so viele Zugeständnisse gemacht wie nie zuvor", sagt Katja Maurer von der Hilfsorganisation medico international, die seit Beginn des Konflikts Hilfe für die Flüchtlinge organisiert. "Der Rücktritt Bakers ist eine schmerzliche Nachricht", so Maurer im Gespräch mit DW-WORLD. Mit Baker ziehe sich ein politisches Schwergewicht zurück, was diesen Konflikt nun endgültig in Vergessenheit geraten lassen könnte. "Das schlimmste für die Menschen in den Flüchtlingslagern ist die Perspektivlosigkeit, die mit dem Rücktritt Bakers nun noch gewachsen ist", sagt Maurer. "In der Geröllwüste kann nichts angebaut werden, die Menschen sind komplett auf externe Hilfe angewiesen".
Ende des Waffenstillstands droht
Die Souveränität Marokkos über die West-Sahara sei "nicht verhandelbar", ließ Außenminster Mohamed Benaissa am Wochenende verlauten. "Der Rücktritt Bakers ist der Beharrlichkeit der marokkanischen Diplomatie zu verdanken", sagte er zufrieden. Für die Polisario dagegen ist Bakers Abgang ein "schwarzer Tag". Er sei jedoch verständlich vor dem Hintergrund der "marokkanischen Blockadehaltung”, sagt Jamal Zakari, Sprecher der Befreiungsbewegung Polisario in Deutschland im Interview mit DW-WORLD. Er zeige aber auch das Scheitern der UNO. “Unser Volk hat das Vertrauen in die UNO verloren. Ich weiß nicht, was sie jetzt noch tun kann, um dieses wiederherzustellen. Seit Jahren versucht die UNO erfolglos ihre Resolutionen durchzusetzen. Die meisten von uns wollen nur noch, dass sie ihre Sachen packt." Wenn sie nicht in der Lage sei, ihre Resolutionen durchzusetzen, dann müsse die Organisation auch gehen. "Das bedeutet aber auch, dass wir den Krieg wieder aufnehmen müssen, auch wenn wir das nicht wollen", sagt Zakari.
Scharfe Kritik übt Zakari an der Haltung Frankreichs, das Marokko immer bedingungslos unterstützt und den Baker-Plan abgelehnt habe. "Frankreich hat eine sehr negative Rolle gespielt - nicht nur für uns, sondern auch für den Frieden in der Region und in Europa." Medico-Sprecherin Maurer sieht auch Europa insgesamt in der Verwantwortung. Es habe versäumt, genügend Druck auf Marokko auszuüben. Vor allem Frankreich und Spanien sind an einem "stabilen" Marokko unter König Mohamed VI. interessiert. Die europäischen Staaten verfolgen dabei vor allem geostrategische Interessen. Von der regiden Herrschaft Mohameds VI. erhofft man sich auch, dass islamistische Extremisten in Schach gehalten werden.