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Verbrecherjagd jenseits der Favela

Jan D. Walter/ Fábio Corrêa 5. August 2015

Genau ein Jahr vor den Olympischen Spielen warnt Amnesty International vor der wachsenden Polizeigewalt in Rio. Die Razzien der Gesetzeshüter verlagern sich zunehmend in die Vororte.

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Polizei-Gewalt in Brasilien (Foto: AP Photo/Felipe Dana)
Bild: picture-alliance/AP

Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Widerspruch: In Rio de Janeiro haben polizeiliche Willkür und Gewalt erneut zugenommen. Und dennoch nahm ausgerechnet in vielen Armenvierteln die Anzahl der Todesopfer durch brasilianische Gesetzeshüter ab.

"Die Drogengangs wurden aus den von der Polizei befriedeten Armenvierteln vertrieben, aber sie haben sich nicht aufgelöst“, erklärt Antônio Testa, Sicherheitsexperte an der Universität in Brasília, das Paradox. "Sie haben sich vielmehr in anderen Stadtteilen etabliert. Dort steigt die Gewalt nun - und damit auch die Polizeigewalt."

Erfolge in "befriedeten" Slums

Rios Sicherheitssekretär José Mariano Beltrame ist sich des Problems bewusst. "Wir wissen, dass in einigen Gegenden Rios immer noch Krieg herrscht", bekannte er gegenüber der brasilianischen Presse. Doch seit dem Aufbau der sogenannten "Friedenspolizei" UPP (Unidade de Polícia Pacificadora) 2008 seien wesentliche Fortschritte erzielt worden. Mittlerweile sind rund 50 "Favelas" in der Stadt von den neuen Polizeieinheiten besetzt.

Die Statistik belegt die Aussage des Sicherheitssekretärs. Nach Angaben des Instituts für öffentliche Sicherheit ISP (Instituto de Segurança Pública) sank die Zahl der durch Polizeigewalt verübten Todesfälle von 1134 Opfern im Jahr 2008 auf 416 Todesopfer im Jahr 2013.

In den "befriedeten" Armenvierteln in Rio sank nicht nur die Kriminalität, sondern auch die Anzahl der Opfer von Polizeigewalt. "2014 gab es 20 Todesopfer als Folge von Polizei-Einsätzen. Das sind 85 Prozent weniger als 2008, da waren es noch 136 Opfer", erläuterte Sicherheitssekretär Beltrame kürzlich vor der brasilianischen Presse.

Mehr Gewalt in anderen Stadtteilen

Dennoch warnt Amnesty International in seinem jüngsten Bericht vor einem erneuten Anstieg der Gewalt, und insbesondere der Polizeigewalt. Nach einem Rückgang der Zahlen sei für 2013 und 2014 wieder ein Anstieg zu verzeichnen. 2014 habe der Anteil an den Morden durch Tötungen der Polizei bei 15,6 Prozent gelegen.

Polizeieinsatz in Rio (Photo: Mario Tama/Getty Images)
Fahrzeug beschlagnahmt, Fahrer angeschossen: Die Polizei macht bei der Jagd auf mutmaßliche Verbrecher kurzen ProzessBild: Getty Images/M. Tama

Für Sicherheitsexperte Testa bringt der Bericht von Amnesty keine wirklich neuen Erkenntnisse: "Polizeigewalt und Exekutionen außerhalb der Gerichtsbarkeit durch polizeinahe Milizen oder durch Mitglieder der Sicherheitskräfte selbst gibt es seit Jahrzehnten", sagt der Forscher.

Die Straflosigkeit für die Täter in den Reihen der Polizei sei sicher eine Seite des Problems, stimmt Testa den Autoren AIB-Studie zu. Die Hochrüstung der Polizei, die AIB in dem Dossier beklagt, hält Testa angesichts der schweren Bewaffnung ihrer Gegner dagegen für gerechtfertigt.

Olympia als Anstoß für Verbesserungen

Amnesty-Sprecher Alexandre Ciconello zieht gegenüber der DW ein ernüchterndes Fazit: "Es hat sich kaum etwas geändert, trotz all der Debatten, Studien und Organisationen, die seit 20 Jahren auf die Straflosigkeit im Kontext der Polizeigewalt hinweisen." Ciconello hofft, dass die bevorstehenden Olympischen Spiele ein Anlass für den Kampf gegen Polizeigewalt sein könnten.

Nach Ansicht von Sicherheitsexperte Testa bedeuteten Polizeigewalt und Kriminalität jedoch keine erhöhte Gefahr für Olympia-Touristen und Athleten: "Wie bei der Weltmeisterschaft vor einem Jahr werden die Sicherheitsvorkehrungen in den betreffenden Gegenden ausreichend sein."

Es werde zwar den einen oder anderen Diebstahl oder Überfall geben, so Testa, aber so sei das eben in Rio. Ausdrücklich warnt Testa die Touristen davor, ihr Sightseeing auf eigene Faust auf die Favelas auszuweiten. "Dort kann niemand ihre Sicherheit garantieren. Das muss jedem klar sein."