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Politik

"Vatikan letztendlich der Verlierer"

Phoebe Kong
26. September 2018

Nach der Einigung zwischen dem Vatikan und Peking auf die Bischofsernennung erklärt der Hongkonger Theologe Kung Lap Yan im DW-Interview, warum der Deal politisch motiviert ist und der Vatikan dabei nur verlieren kann.

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China Katholiken zelebrieren Messe zu Ostern
Bild: picture-alliance/dpa/A. Wong

Deutsche Welle: Einer Vereinbarung zwischen dem Heiligen Stuhl und Peking zufolge will der Vatikan die Ernennung von acht Bischöfen in China anerkennen, die vom Staat vorgeschlagen wurden, obwohl eigentlich nur der Papst selbst Bischöfe ernennen kann. Der Vatikan nennt keine weiteren Details. Warum ist der Vorgang so brisant?

Kung Lap Yan: Der Vatikan steht nicht nur für die katholische Kirche der Welt, er ist zugleich auch ein politischer Akteur.

Die Kritik am Vatikan zielte auf die Kirche. Das geistliche Oberhaupt der katholischen Kirche vertrete die Interessen der Leidenden und solle deshalb auf die Zusammenarbeit mit China verzichten, eben weil China eine schlechte Menschenrechtsbilanz aufweist und weil Chinas Regierung Religionsangelegenheiten nicht fair und nicht menschlich begegnet.

Aber der Vatikan hat als souveräner Staat auch außenpolitische Interessen. Da rücken Fragen wie Menschenrechte und Wahrheitsfindung schon mal in den Hintergrund. Regierungen vertreten ihre Interessen und schmieden daraufhin Kompromisse. So haben etwa die USA am 1. Januar 1979 aus politischen Gründen die diplomatische Beziehungen mit Festlandchina aufgenommen und mit Taiwan abgebrochen.

Die jüngste Entscheidung des Vatikans war also eine politische Entscheidung?

Ja.  Pietro Parolin, der vatikanische Kardinalstaatssekretär, begründete die Entscheidung zwar mit der Verstärkung der Verkündigung des Evangeliums in China, aber hinter der Aussage verbirgt sich ein staatspolitisches Motiv. Das kann man natürlich kritisieren. Dabei muss man sich aber im Klaren darüber sein, dass es sich um eine politische Entscheidung, und keine kirchliche oder religiöse gehandelt hat.

Christen in China
Christen und andere Gläubige werden in China mit Argwohn beobachtetBild: Getty Images/K. Frayer

Was ist denn das politische Motiv?

Der Vatikan wollte das Recht auf Bischofsernennungen erhalten. Wie kann es sein, dass die katholische Kirche als eine Weltkirche in China die Ernennung von Geistlichen nicht mitbestimmen kann? Die bisherige Nicht-Anerkennung der Bischöfe in China durch Rom war somit eine Demonstration des Machtanspruchs.

Die neue Regelung soll so aussehen, dass China eine Liste von Kandidaten präsentiert, die dann durch den Vatikan abgesegnet wird. So könnte das Recht auf Bischofsernennung wieder rechtmäßig vom Heiligen Stuhl ausgeübt werden. In der Weltpolitik wäre damit die Wiederherstellung der Souveränität erreicht. Es ist natürlich immer gut, wenn sich beide Parteien auf einen Kandidaten einigen. Problematisch wird es dann, falls keine Einigung erzielt werden kann.

Außerdem erhalten die Anhänger des Papstes, die bisher im Untergrund ihre Religion leben, so heißt es, mehr Spielraum. Dafür hat sich der Vatikan bisher immer stark gemacht. 

Was bedeutet das Abkommen für die Religionsfreiheit in China?

Hier muss man den größeren Kontext berücksichtigen. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verfolgte China eine rigide Linie gegenüber allen Religionen. Die katholische Kirche ist nur eine davon. Der Vatikan hat sich in den letzten Jahren und überall auf der Welt für die grundsätzliche Religionsfreiheit eingesetzt. Zum Beispiel auch für mehr Rechte für die muslimische Minderheit der Uiguren in China.

Ich selbst sehe bei der jüngsten Vereinbarung allerdings kein Anzeichen für die Verbesserung der Religionsfreiheit. Wenn die Untergrundkatholiken besser gestellt, aber gleichzeitig andere Religionsgemeinschaften stärker unter Druck gesetzt würden, stünde der Vatikan vor dem Dilemma: Erkläre ich mich dann solidarisch mit den anderen in Not geratenen Gläubigen oder nicht? Ich glaube, dass letztendlich der Vatikan der Verlierer sein wird, egal welche Ansprüche sie jetzt durchsetzen.

Warum war noch nicht viel über die Details des Abkommens zu lesen?

Verhandlungen hinter verschlossenen Türen lassen Raum für Gerüchte. Geheimhaltung macht keinen guten Eindruck und erzeugt Misstrauen. Auch wenn China und die katholische Kirche die Gespräche als "vertrauensvoll" bezeichnet haben, bleibt ein berechtigter Zweifel, eben weil konkrete Details nicht bekannt gegeben werden. Dieser Zweifel schadet der Glaubwürdigkeit der Kirche und der chinesischen Regierung.

Der Vatikan ist bisher der letzte Verbündete der Inselrepublik Taiwan in Europa. Wird es China gelingen Taiwan außenpolitisch weiter zu isolieren?

Das ist wiederum in erster Linie eine politische Frage. Schon seit Jahren verhandelt China mit dem Vatikan über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Dabei hat der Vatikan immer zwei Hüte auf. Mal verhandelt der Staat, mal die Kirche, um das Maximum aus den Gesprächen zu holen. Das macht die Verhandlungen nicht einfacher.

Je nach dem Status der Verhandlung und dem Gesundheitszustand des Papstes wäre der Papstbesuch in China der nächste Schritt. Das hängt natürlich auch vom guten Willen auf beiden Seiten ab. Dabei kann Taiwan leider nicht mitreden. Die katholische Kirche auf Taiwan wird die Entscheidung des Papstes akzeptieren müssen.

Kung Lap Yan ist Juniorprofessor für Theologie an der Chinese University of Hongkong.

Das Interview führt Phoebe Kong.