2021 fürs Klima “das wichtigste Jahr von allen”?
22. Februar 2021US-Präsident Joe Biden hat keine Zeit verloren und begonnen, vier Jahre Rückschritt bei der Klimapolitik unter Ex-Präsident Donald Trump zu beenden. Gleich am ersten Tag seiner Amtszeit unterzeichnete er eine Exekutivanordnung, mit der das Land heute offiziell dem Pariser Klimaabkommen wieder beitritt. Auf Anweisung von Trump hatten die USA das Abkommen im November vergangenen Jahres verlassen.
Biden setzt darauf, die USA bis 2050 klimaneutral zu machen, er stoppte die umstrittene Keystone-XL-Ölpipeline, und kündigte für den 22. April, den "Tag der Erde" (Earth Day), eine internationale Klimakonferenz an, die sein Engagement für die globale Zusammenarbeit untermauern soll.
Mit Biden im Weißen Haus wird 2021 "wahrscheinlich das wichtigste Jahr für die Klimapolitik", sagt Tim Gore vom Institute for European Environmental Policy, einer grünen Denkfabrik in Brüssel.
Schon im vergangenen Jahr gab es international große Fortschritte. Bis Ende 2020 hatten sich zwei Drittel der Länder, die Treibhausgase ausstoßen verpflichtet, ihre Emissionen langfristig zu senken. 2020 trat das bahnbrechende Pariser Abkommen in Kraft, es wurde 2015 von 195 Ländern unterzeichnet. Darin verpflichten sie sich, den weltweiten Temperaturanstieg auf maximal 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Als Teil des Abkommens ist jedes Land dazu aufgerufen, alle fünf Jahre national festgelegte Beiträge, die Nationally Determined Contributions (NDCs) vorzulegen - kurzfristige Klimamaßnahmen, um den Klimawandel einzudämmen.
Weil die Klimakonferenz der Vereinten Nationen 2020 (COP26) wegen der Corona-Pandemie auf November 2021 verschoben wurde, haben die Länder etwas mehr Zeit, um ihre aktualisierten NDCs einzureichen - darunter auch die USA, die jetzt wieder an Bord sind.
"Für die NDCs braucht jedes Land jetzt kurzfristige Ambitionen, die im Einklang mit langfristigen Zielen stehen", so der Klimawissenschaftler und Mitgründer des deutschen NewClimate Institute, Niklas Höhne, gegenüber der DW.
Auch für Rachel Cleetus, politische Direktorin des Klima- und Energieprogramms der US-amerikanischen Union of Concerned Scientists, sind kurzfristige Verpflichtungen der Schlüssel.
"Bis zur COP26 müssen die großen Emittenten wie die USA und die EU neue ehrgeizige Ziele vorlegen", so Cleetus. "Die Biden-Administration sollte sich mit der EU zusammentun, um eine ehrgeizige Koalition der Willigen zu bilden."
Alle Augen richten sich auf Bidens nächste Schritte
Die Welt ist gespannt, welche Vorgaben Biden für das nächste Jahrzehnt setzen wird, um seine langfristigen Klimaziele zu erreichen. Seine Regierung hatte bereits signalisiert, den US-Energiesektor bis 2035 klimaneutral machen zu wollen. Die EU will ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent senken . Die Staatengemeinschaft hatte bereits im Dezember 2020 aktualisierte Klimabeiträge vorgelegt.
Cleetus und Gore sind sich einig, dass die Verkehrspolitik sowohl in der EU wie auch in den USA ein zentraler Bereich zum Erreichen der Klimaziele ist.
"Der Verkehr ist die am stärksten wachsende Emissionsquelle in den USA und der EU", betont Gore. "Wir können in diesem Jahr einige große Ankündigungen erwarten, wie sowohl Biden als auch die EU die CO2-Emissionen von Fahrzeugen gesetzlich regeln wollen."
Cleetus ergänzt: "Wir brauchen Regierungen, die den privaten Sektor ermutigen und Anreize schaffen, sich zu engagieren. Der Autohersteller General Motors hat bereits eine ehrgeizige Ankündigung gemacht, [die meisten] seiner Fahrzeuge bis 2035 elektrisch zu betreiben."
Ein weiteres wichtiges Versprechen Bidens ist der Fokus auf den Strukturwandel in Gemeinden, die bisher von fossilen Brennstoffen leben. Biden hat dazu eine landesweite Arbeitsgruppe für die wirtschaftliche Wiederbelebung von Gemeinden ins Leben gerufen, die besonders vom Kohle- und Energiesektor abhängen, erklärt Cleetus. Der Schritt fand auch internationale Aufmerksamkeit.
"Wir müssen sicherstellen, dass wir in einen fairen Wandel dieser Gemeinschaften investieren, und das ist genauso in Ländern wie Deutschland oder China ein Thema", so Cleetus weiter.
Beiträge müssen "fair" sein
Während die USA und die EU für einen großen Teil der weltweiten Emissionen verantwortlich sind, werden grüne Maßnahmen allein im eigenen Land für eine globale Lösung der Krise nicht ausreichen.
Deshalb wird im Pariser Abkommen eine Politik des fairen Anteils skizziert. Große Emittenten wie die USA und die EU müssen sich auch international stärker beteiligen zugunsten von Ländern des globalen Südens, so Harjeet Singh, Leiter des Bereichs Klimawandel bei der NGO Action Aid zur Bekämpfung von Armut zur DW.
"Wenn ein Land historisch gesehen einen größeren ökologischen Fußabdruck hat, dann muss es mehr tun, um den Entwicklungsländern zu helfen," so Singh. "Das derzeitige [Emissions-] Ziel der USA liegt bei etwa einem Fünftel ihres fairen Anteils".
Singh nenntIndien als Beispiel. Die Wirtschaft des Landes wurde durch die Corona-Pandemie und den Zyklon Amphan im vergangenen Jahr schwer getroffen. Wenn die Ziele für eine grüne Infrastruktur erreicht werden sollen, brauche Indien Unterstützung bei der Klimafinanzierung.
"Es gibt zwei Dinge, die in den NDC's stehen müssen: ein nationaler und ein internationaler Beitrag", erklärt Klimaforscher Höhne. "Ich glaube, dass einige Industrieländer noch nicht ganz verstanden haben, dass NDCs nur dann fair sein können, wenn sie internationale Beiträge beinhaltet."
Cleetus glaubt, dass sich Bidens Regierung dieser Verantwortung und der Bedeutung von Klimagerechtigkeit in diesem Kontext bewusst ist.
"Bidens Sondergesandter für den Klimawandel, John Kerry, hat bereits über den moralischen Imperativ der Klimakrise gesprochen. Das zeigt, dass die Biden-Regierung bereit ist, ihren fairen Anteil zu leisten", sagt sie.
Was macht China?
Abgesehen von der komplexen Frage der Klimafinanzierung können die großen Emittenten auch im globalen Maßstab mit gutem Beispiel vorangehen.
"Viele Länder halten sich im Moment bedeckt und warten ab, was die USA mit ihrem NDCs machen, vor allem China", so Gore.
China überraschte die Welt Ende 2020 mit der Ankündigung, bis zum Jahr 2060 klimaneutral wirtschaften zu wollen. Japan und Südkorea folgten schnell mit Ankündigungen ihre Emissionen ebenfalls langfristig zu senken.
"Die große Frage im Zusammenhang mit China ist, wann sie den Zenit ihrer Emissionen erreichen werden", fügt Gore hinzu. "Es macht einen großen Unterschied, ob das eher 2025 oder 2030 sein wird. "
Auch Singh sieht Biden in einer Schlüsselposition. "Bidens Administration wird andere Länder dazu bringen, Maßnahmen zu ergreifen. Sie können sich nicht mehr hinter den USA verstecken", sagt er.
Höhne nennt Brasilien als Beispiel. Das Land habe unter Präsident Jair Bolsonaro einen "Rückschritt" gemacht, indem es Klimaziele vorgelegt habe, die weniger ambitioniert waren als die bisherigen. Wie der ehemalige US-Präsident Trump hat auch Bolsonaro die Existenz des Klimawandels abgestritten. Weil Trump nun nicht mehr im Weißen Haus sitze, könnten nun sogar Klimaleugner wie Bolsonaro gezwungen sein zu handeln, so Höhne.
"Wenn die USA und China ihre NDCs vorlegen, werden auch alle anderen Länder etwas Ehrgeiziges vorlegen müssen."
Die Macht der Menschen
Regierungschefs wie Bolsonaro könnten auch im eigenen Land unter Druck geraten. "Es ist für eine demokratische Regierung nicht mehr möglich, ihren Wählern zu sagen, dass sie nichts gegen den Klimawandel unternehmen werden", sagte Höhne.
Eine Umfrage des Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) vom Januar 2021 zeigt, dass 64 Prozent der Menschen weltweit den Klimawandel als globalen Notstand sehen. Bei Jugendlichen unter 18 Jahren sind es noch mehr.
"Die Zeit des Klima-Leugnens ist längst vorbei", so Harjeet Singh. "Die Länder können sich nicht länger herausreden."