USA mahnen Europa vor G8-Gipfel
17. Mai 2012Die Vereinigten Staaten haben Europa aufgerufen, entschlossener gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise vorzugehen. Zwar wolle man den Europäern keine Vorschriften machen. Doch es müssten "weitere Schritte" unternommen werden, sagte Regierungssprecher Jay Carney in Washington. Zugleich machte er unmissverständlich deutlich, dass US-Präsident Barack Obama seit längerem unzufrieden sei mit den Europäern. Obama mahne bereits seit Jahren mehr Unterstützung für Wachstum an, betonte Carney. Es gehe um einen "ausgeglichenen Ansatz", der Sparen, aber auch Wirtschaftswachstum ins Auge fasse.
Die Europäer signalisierten, dass sie sich am Freitag und Samstag in Camp David beim Gipfel der führenden Industriestaaten - USA, Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien, Italien, Deutschland sowie Russland - gegen die US-Kritik an ihrem Krisenmanagement wehren wollen. "Wir werden das in den richtigen politischen und wirtschaftlichen Kontext setzen", sagte ein Diplomat in Brüssel. So gebe es in der EU Wachstumsunterschiede - einige Länder seien tatsächlich in der Rezession, andere legten jedoch zu, beispielsweise Deutschland. Andere EU-Vertreter wiesen auf den ungesunden US-Haushalt hin. Die USA und Japan hätten hohe Budgetdefizite von über acht Prozent ihrer jährlichen Wirtschaftsleistung, während die Eurozone im Schnitt im laufenden Jahr auf gut drei Prozent komme.
Uneinigkeit
Für Gipfel-Streit könnte auch das Thema Öl sorgen. Der um seine Wiederwahl kämpfende Obama könnte nach Medieninformationen die europäischen Partner dazu auffordern, die Freigabe staatlicher Ölreserven zu unterstützen. Ziel sei es, die Preise zeitweilig zu drücken und dadurch Industrie und Wirtschaft zu helfen. Ein solches Vorhaben ist im Kreis der G8 aber umstritten. Während Großbritannien und Frankreich offen für den Vorstoß aus Washington seien, betrachte Deutschland das Vorhaben mit Skepsis.
Wirtschaft und Jobs sind das zentrale Thema im US-Wahlkampf: Obama muss fürchten, die Präsidentenwahl im November zu verlieren, wenn die Konjunktur nicht bald anspringt. Auch hohe Benzinpreise würden seine Chancen auf einen Wahlsieg wohl schmälern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs neuer Präsident Francois Hollande, Italiens Ministerpräsident Mario Monti und Großbritanniens Premier David Cameron haben am Abend in einer Videokonferenz gemeinsame Positionen für den G8-Gipfel in Camp David abgesteckt. Dabei "bestand hohe Übereinstimmung, dass fiskalische Konsolidierung und Wachstum keine Gegensätze sind, sondern dass beides benötigt wird", wie Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert im Anschluss mitteilte. An der Schaltkonferenz nahmen demnach auch die Präsidenten der EU-Kommission und des EU-Rats, José Manuel Barroso und Herman Van Rompuy, teil.
wa/re/wl (dpa, rtr)