1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

USA forcieren Zahlungsausfall Russlands

Andreas Becker mit Reuters und AFP
25. Mai 2022

Die USA haben eine Ausnahmeregelung gestrichen, die es Russland ermöglichte, Gläubiger direkt in Dollar zu bezahlen. Das könnte Russland in Zahlungsverzug bringen, obwohl es genug Geld hat. Den Rubel stört das nicht.

https://p.dw.com/p/4BqrA
Das Hauptgebäude der russischen Zentralbank in Moskau
Das Hauptgebäude der russischen Zentralbank in MoskauBild: Konstantin Kokoshkin/Russian Look/picture alliance

Um den Druck auf Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine weiter zu erhöhen, erschweren die USA die Rückzahlung russischer Auslandsschulden. In der Nacht zu Mittwoch ist eine Ausnahmeregelung des US Finanzministeriums ausgelaufen, die es Russland bisher ermöglichte, seine Gläubiger trotz der Sanktionen weiterhin direkt in Dollar zu bezahlen.

US-Finanzministerin Janet Yellen hatte bereits in der vergangenen Woche angedeutet, dass diese Ausnahmeregelung wahrscheinlich nicht verlängert werde.

Das Auslaufen der Ausnahmeregelung macht es nun wahrscheinlicher, dass Russland seine Schulden demnächst nicht mehr bedienen kann. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters wäre es der erste größere Zahlungsausfall des Landes in mehr als einem Jahrhundert.

Insgesamt hat Russland Auslandsschulden in Höhe von 40 Milliarden US-Dollar. Fast zwei Milliarden US-Dollar werden in diesem Jahr fällig - in Form von Zinsen oder Rückzahlungen. An diesem Freitag ist eine weitere Rückzahlung fällig. 

Zahlungsausfall wird wahrscheinlicher

Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 hatte der Westen eine Reihe von Wirtschaftssanktionen verhängt, auf die Russland mit Gegenmaßnahmen reagierte. Obwohl das den grenzüberschreitenden Geldtransfer erschwert hat, war Russland bemüht, seine internationalen Gläubiger pünktlich zu bezahlen. Bis auf kleinere Ausnahmen ist dies dem Land bisher gelungen. Das könnte sich nun ändern.

Russland | Rubel-Wechselkurse
Wechselstube in St. PetersburgBild: Dmitri Lovetsky/AP/picture alliance

"Wenn Zahlungen fällig werden und die Anleihehalter auch nach der Kulanzfrist kein Geld sehen, dann ist Russland im Zahlungsrückstand", zitiert Reuters Jay Auslander, Partner der New Yorker Anwaltskanzlei Wilk Auslander. "Da jetzt die Ausnahmeregel weggefallen ist, scheint es keine Möglichkeit mehr zu geben, die Anleihehalter zu bezahlen."

Zwar galt die Ausnahmeregel nur für Zahlungen an US-Bürger und -Institutionen. Doch weil amerikanische Banken und Einrichtungen im internationalen Finanzsystem so eine wichtige Rolle spielen, könnten auch Zahlungen an Gläubiger in anderen Ländern erschwert werden.

Nach der Ankündigung von Finanzministerin Yellen, die Ausnahmeregel wahrscheinlich nicht zu verlängern, hatte Russland am vergangenen Freitag zwei fällige Zahlungen auf Staatsanleihen um eine Woche vorgezogen - eine in Euro und eine in Dollar.

Ein nicht namentlich genannter Anleihehalter in Asien sagte Reuters, er habe aber bisher keine Zahlung erhalten. Für beide russischen Anleihen gilt allerdings eine Kulanzfrist von 30 Tagen.

Russland Moskau Sberbank Zentrale
Von westlichen Zahlungssystemen abgekoppelt: Russische Banken, hier die SberbankBild: Alexander Shcherbak/Tass/dpa/picture alliance

Am Geld liegt es nicht

Sollte es zu einem russischen Zahlungsausfall kommen, liegt es allerdings nicht daran, dass Russland kein Geld hätte. Angesichts der aktuell hohen Preise für Öl- und Gas verdient Russland prächtig an Energieexporten und konnte damit allein im April 28 Milliarden US-Dollar einnehmen.

Gleichzeitig gibt es aber auch in Russland Stimmen, die gegen eine weitere Bedienung der russischen Auslandsschulden sind. So solle das russische Unterhaus Duma prüfen, ob man den Schuldendienst einstellen könne, sagte ein ranghoher Parlamentarier laut Reuters am Dienstag. Russische Wähler seien unzufrieden, dass Moskau weiterhin seine Schulden bediene, während seine Devisenreserven im Ausland eingefroren sind, so das Argument.

Als Teil der Sanktionen gegen Russland hatten die westlichen Länder und Japan rund die Hälfte der russischen Devisenreserven im Ausland eingefroren, die sich auf insgesamt 640 Milliarden US-Dollar belaufen.

Bis vor kurzem galten russische Staatsanleihen als Papiere mit guter Anlagequalität ("investment grade"). Dieser Status erlaubte auch institutionellen Anlegern, etwa großen Versicherungen, Geld in russischen Schuldpapieren anzulegen. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine habe die großen Ratingagenturen ihre Bewertung der russischen Bonität jedoch ausgesetzt.

Rubel wird stärker

Dem Kurs des Rubel taten die Spekulationen über einen drohenden russischen Zahlungsausfall aber keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Der Rubel verteuerte sich am Mittwoch gegenüber dem US-Dollar auf den höchsten Stand seit 2018. Gegenüber dem Euro erreichte die russische Währung sogar ein Sieben-Jahres-Hoch.

Der Rubel profitiert laut Experten von Kapitalverkehrskontrollen in Russland, außerdem sind die Exporte deutlich zurückgegangen. Hinzu kamen am Montag noch neue Regeln für den Umtausch von Devisen für Gas-Exporteure.

Die russische Zentralbank gab unterdessen bekannt, seine für Mitte Juni geplante Zinssitzung auf den morgigen Donnerstag vorzuziehen. Experten erwarten eine weitere deutliche Senkung der Leitzinsen, die derzeit bei 14 Prozent liegen.

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.