US-Veteranen: Wieder zuhause - und dann?
8. Mai 2012700.000 Rückkehrer haben bislang ärztliche Hilfe in Anspruch genommen, gut die Hälfte wegen psychischer Probleme wie Depressionen und Aggressionen. Die Zahlen stammen vom Ministerium für Veteranenangelegenheiten und beziffern diejenigen, die sich hilfesuchend dorthin gewendet haben. Wie viele ehemalige Soldaten eine psychische Betreuung bei nichtstaatlichen Organisationen suchen, ist nicht bekannt. "Es ist jedoch wahrscheinlich, dass diese Zahl ebenfalls sehr hoch ist", sagt die Psychologin Barbara van Dahlen aus Washington.
Sie hat vor sieben Jahren die Hilfsorganisation "Give an hour" gegründet, die in den USA Freiwillige organisiert, um den Veteranen zu helfen. Auf der Internetseite von "Give an hour" können sich Psychologen und auch Laien registrieren lassen, die ehrenamtlich helfen wollen. Die ehemaligen Soldaten können so leicht Ansprechpartner in ihrer Nähe finden, wenn sie psychologischen Beistand brauchen. 6.000 Freiwillige sind mittlerweile bei "Give an hour" registriert.
Viele arbeitslose Veteranen
Seit einigen Jahren leiden US-Veteranen zunehmend unter posttraumatischen Belastungsstörungen, kurz PTB. Hervorgerufen werden sie häufig von Erlebnissen in Kämpfen, aber auch durch sexuelle Belästigung und Vergewaltigung im Militär. Vielen Veteranen setzen die Erlebnisse derart zu, dass sie völlig den Boden unter den Füßen verlieren und auf der Straße landen.
Barbara van Dahlen gründete ihre Internetinitiative, nachdem eine Frage ihrer Tochter sie zum Nachdenken gebracht hatte. "Sie wollte wissen, warum wir in einem so reichen Land wie unserem so viele obdachlose Veteranen haben", berichtet die Psychologin. Offizielle Statistiken belegen, dass 150.000 aller US-Veteranen ohne festen Wohnsitz sind. 13.000 der im Jahr 2010 in den USA registrierten Obdachlosen haben laut der Zeitung USA Today im Irak oder in Afghanistan gedient. Etwa zwölf Prozent aller US-Veteranen, die seit 2001 gedient haben, sind arbeitslos.
Ungenau bleibt die Anzahl jener, die für immer traumatisiert sind.
Es ist wahrscheinlich, dass die meisten Soldaten unter psychischen Problemen leiden, weil ihre Einheiten in Gefechte verwickelt wurden. "Ich dachte mir, dass man heutzutage mithilfe der neuen Medien doch etwas für sie tun kann", erklärt van Dahnen ihre Motivation, "Give an Hour" zu gründen. Die Idee war geboren: der Aufruf, ein bisschen von der eigenen Zeit den Veteranen zu schenken, um ihnen zu helfen. Van Dahlen hat selbst als Heranwachsende erlebt, wie es den Veteranen aus Vietnam erging, ihr eigener Vater war Soldat im Zweiten Weltkrieg. Das Time Magazine wählte van Dahlen kürzlich unter die 100 einflussreichsten Menschen der Welt.
Behörden bessern nach
Obwohl so viele US-Veteranen schwere psychische Probleme haben, gibt es hier in den USA wie auch in vielen europäischen Ländern kein einheitlich geregeltes Programm für Heimkehrer. Wer durch einen Einsatz verletzt oder krank wurde, kann beim US-Ministerium für Veteranenangelegenheiten eine Behandlung beantragen. Es muss jedoch genau erwiesen sein, dass die Erkrankung mit dem Einsatz zu tun hat.
Die ersten fünf Jahre der Behandlung sind dann jeweils kostenfrei. Außerdem können sich die ehemaligen Soldaten in einem der 288 Veteranenzentren beraten lassen, auch gemeinsam mit ihren Familien. Es gibt jedoch immer wieder Berichte darüber, dass sie viele Monate auf Behandlungen wie Psychotherapien warten müssen. Das kann besonders bei einem drohenden Suizid verheerend sein. Seit in den vergangenen fünf Jahren die Selbstmordrate unter den Veteranen deutlich angestiegen ist, sind Regierung und Militär aufmerksamer gegenüber psychischen Erkrankungen.
Laut der "Katz Suicide Studie" des Ministeriums für Veteranenangelegenheiten aus dem Jahr 2008 war die Selbstmordgefährdung bei Veteranen damals bereits dreimal höher als beim Rest der Bevölkerung. Im Durchschnitt, so berichtet die New York Times, nimmt sich alle 80 Minuten ein US-Veteran das Leben. "Beim Militär gibt es mittlerweile Trainingsprogramme, um posttraumatischen Problemen vorzubeugen", erklärt van Dahlen. Ihr Land unterstütze Veteranen heute weit besser als zur Zeit des Vietnamkriegs, erklärt sie. "Aber trotzdem ist es noch ein weiter Weg, bis diese Unterstützung in konkrete Hilfe für alle Veteranen umgesetzt ist."
Geteilte Wahrnehmung
Wie werden Veteranen von der amerikanischen Gesellschaft angesehen? Viele Bürger der USA wüssten nur sehr wenig über das Leben der Soldaten, sagt van Dahlen. "Die Veteranen werden sehr hoch angesehen, aber ich glaube nicht, dass das allein ihrer Situation gerecht wird. Es gibt unter den US-Bürgern oft falsche Vorstellungen von Soldaten. Darüber, warum sie dienen, aus welchen Familien sie kommen und was mit ihnen passiert, wenn sie heimkommen."
In den USA gibt es beides. Einerseits die von den Medien unterstützte Haltung, das Militär zu verehren und ihm dankbar zu sein. Auf der anderen Seite beurteilen viele US Bürger die Lage an Amerikas Fronten kritisch. Über 60 Prozent sind laut Umfragen gegen die Kriege in Afghanistan und im Irak, oft wird das Militär darum auch abwertend beurteilt.
Dabei wird weder die eine noch die andere Haltung dem Problem der Veteranen gerecht. Denn viele Ehemalige sind gebrochene Menschen, werden noch lange traumatisiert bleiben, viele von ihnen bis ans Ende ihres Lebens. Verfolgt von Dingen, die sie tun, ansehen und erleiden mussten, bis sie in ihre Heimat zurückkehrten, wo die allermeisten Menschen sie nicht wirklich verstehen können.