US-Untersuchungsbericht: "Systematischer Missbrauch"
4. Oktober 2022Sexueller Missbrauch im nordamerikanischen Fußball der Frauen ist laut einer unabhängigen Untersuchung systembedingt. Davon betroffen sind mehrere Mannschaften und Spielerinnen. Demnach beginne der Missbrauch in der National Women's Soccer League (NWSL) bereits bei den jugendlichen Mädchen, hob die ehemalige US-Generalstaatsanwältin Sally Q. Yates in ihrem Bericht hervor. Nach dem Aufkommen der Vorwürfe der sexuellen Nötigung in der NWSL war die 62-Jährige vom Verband US Soccer mit der Untersuchung der Fälle beauftragt.
Auf den 172 Seiten wird von "verbaler und emotionaler Gewalt, sexistischer Sprache, unerwünschten sexuellen Annäherungen, Berührungen und erzwungenem Geschlechtsverkehr" berichtet. Verbal missbräuchliches Coaching werde normalisiert und die Grenzen zwischen Trainern und Spielern verwischt, heißt es.
Untersuchung nach schweren Vorwürfen
Die Untersuchung war eingeleitet worden, nachdem die beiden ehemaligen Spielerinnen Sinead Farrelly und Mana Shim Vorwürfe gegen den Trainer der North Carolina Courage, Paul Riley, wegen Belästigung und sexueller Nötigung erhoben hatten. Riley wurde anschließend entlassen, der US-Verband entzog ihm die Lizenz. Riley bestreitet die Vorwürfe, die heftige Reaktionen im Land der Weltmeisterinnen nach sich zogen. In der Folge wurde bekannt, dass die National Women's Soccer League Hinweise darauf ignoriert und unter den Teppich gekehrt hatte. Liga-Chefin Lisa Baird trat zurück. Es wurde deutlich, dass das Problem weitverbreitet ist. Fünf von zehn Trainern in der NWSL wurden wegen Vorwürfen von Fehlverhalten entweder entlassen oder traten zurück.
Yates und ihre Kommission konzentrierten sich auf drei ehemalige Trainer: Riley, Christy Holly von Racing Louisville und Rory Dames von den Chicago Red Stars. In der Untersuchung wurden mehr als 200 Spielerinnen aus der Profiliga NWSL befragt, darunter einige Nationalspielerinnen, und 89.000 Dokumente gesichtet. Der Missbrauch sei von einer enormen Tragweite, sagte Yates. Ihre Kommission habe eine Liga vorgefunden, in der "systematischer Missbrauch und sexuelles Fehlverhalten" an der Tagesordnung seien.
US-Fußballpräsidentin Cindy Parlow Cone nannte die Ergebnisse "herzzerreißend und zutiefst beunruhigend" und fügte hinzu: "Der beschriebene Missbrauch ist unentschuldbar und hat auf keinem Spielfeld, in keiner Trainingsstätte oder am Arbeitsplatz etwas zu suchen." Cone betonte, US Soccer werde alles in seiner Macht stehende tun, "damit Spielerinnen auf jedem Leistungslevel einen sicheren Platz bekommen, um zu lernen, zu wachsen und in Ruhe ihren Sport zu betreiben". Die Präsidentin von US Soccer war als Spielerin mit der Nationalmannschaft zweimal Olympiasiegerin und einmal Weltmeisterin.
Sofortmaßnahmen als erster Schritt
Die Leiterin der Untersuchungskommission Yates hob hervor: "Die Spielerinnen, die ihre Geschichten erzählt haben, haben großen Mut bewiesen." Jetzt sei es an der Zeit, dass die Institutionen, die sie bisher im Stich gelassen hätten, ihnen zuhörten und eine Reform einleiteten, um sie zu schützen, forderte Yates. Dazu gehörten, so Yates, die Vereine, die Liga-Verantwortlichen und der Verband US Soccer.
US Soccer kündigte umgehend als Sofortmaßnahme an, ein Büro zu eröffnen, das die Sicherheit der Spielerinnen und die Verhaltensrichtlinien überwachen soll. Außerdem soll eine zentrale Datenbank errichtet werden, in der Personen aufgeführt werden, gegen die Disziplinarverfahren, Suspendierungen oder Sperren ausgesprochen werden. Ferner soll ein Mindeststandard für Zuverlässigkeitsüberprüfungen für alle Mitglieder des US-Fußballs auf allen Ebenen des Spiels, einschließlich des Jugendfußballs eingeführt werden.
ck/mb (dpa, sid)