US-Soldatin muss drei Jahre hinter Gitter
26. September 2005Die Geschworenen-Jury des Militärgerichts in Fort Hood, Texas, brauchte nur 90 Minuten um das Strafmaß zu finden: Die 22-jährige Frau, deren Bilder mit irakischen Gefangen am Hundehalsband weltweit zum Inbegriff des Abu-Ghoreib-Skandals geworden waren, wird die nächsten drei Jahre im Gefägnis verbringen und danach unehrenhaft aus der US-Armee entlassen.
Schuldig gesprochen
Am Vortag war Lynndie England in sechs von sieben Anklagepunkten schuldig gesprochen worden: Sie wurde in einem Punkt der Verschwörung, in vier Punkten der Misshandlung von Gefangenen sowie in einem Punkt einer obszönen Handlung schuldig befunden. Ein zweiter Vorwurf der Verschwörung wurde fallen gelassen.
Die Angeklagte nahm das Urteil ohne sichtbare Regung zur Kenntnis. Ihre Mutter nahm sie in den Arm; die Militärpolizisten ließen ihr noch einige Minuten mit ihrer Familie, bevor sie abgeführt wurde. England hatte in ihrem Schlussplädoyer erklärt, die Tat aus Liebe zu ihrem damaligen Freund, dem Gefreiten Charles Graner, begangen zu haben. Er wurde von einem Militärgericht im Frühjahr zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Befehl ist Befehl?
Charles Graner ist nicht nur der Vater ihres Sohnes, sondern er war auch Lynndie Englands vorgesetzer Wachdiensthabender des Abu-Ghoreib-Gefängnis, in dem die Gefangenen-Misshandlungen im Jahr 2003 stattgefunden hatten. Graner war von mehreren Zeugen in seinem Militärgerichtsverfahren als Rädelsführer identifiziert worden Er selbst hatte die brutale Behandlung der Gefangenen mit Anweisungen von Mitarbeitern des militärischen Geheimdienstes begründet.
Das Verfahren gegen die Soldatin musste noch einmal komplett neu aufgerollt werden, weil Richter Oberst James Pohl einen Widerspruch zwischen der Aussage des als Hauptangeklagten verurteilten Charles Graner und ihrem Schuldeingeständnis feststellte. Graner hatte erklärt, die Fotos seien zu Ausbildungszwecken gemacht worden. England hatte dagegen erklärt, sie seien ausschließlich zur Belustigung der Gefängnisaufseher gemacht worden. Vor Beginn des Prozesses ließ Pohl dann eine frühere Aussage der Angeklagten zu, in der diese sich selbst belastet.
Wenig öffentliches Interesse
Lynndie England ist die letzte von insgesamt zehn US-Militärs niedriger Ränge, die wegen der Vorgänge in Bagdad vor Gericht standen. Zwei weitere wurden zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr verurteilt, sechs einigten sich mit der Militär-Staatsanwaltschaft. Mitglieder der oberen Militärführung wurden nicht belangt: Im April sprach ein Untersuchungsausschuss des Pentagon den früheren Oberbefehlshaber im Irak, Ricardo Sanchez, und drei weitere hohe Offiziere von jeder Verantwortung frei.
In ihrem Schlussplädoyer entschuldigte sich die Angeklagte bei den irakischen Gefangenen und ihren Familien für ihre Taten; ebenso wie bei den US-Soldaten, die aufgrund der Vorfälle zu "Opfern von Angriffen" geworden seien. Ihre Verteidiger hatten die 22-Jährige als geistig minderbemittelt dargestellt und argumentiert, sie sei eine reine Mitläuferin gewesen - eine leicht beeinflussbare Frau mit psychischen Problemen. Der Staatsanwaltschaft zufolge handelte Lynndie England jedoch aus freien Stücken und aus Spaß an der Quälerei. Der Prozess ist ohne großes Interesse der amerikanischen Öffentlichkeit zu Ende gegangen. (kas / Scheschkewitz / arn)