US-Journalistin nennt Informanten
30. September 2005Nach fast drei Monaten Beugehaft hat die US-Journalistin Judith Miller ihr Schweigen gebrochen und sich zur Enttarnung einer CIA-Agentin geäußert. Die Reporterin der "New York Times" sagte am Freitag vor einer Grand Jury in Washington aus, nachdem sie nach eigenen Angaben von ihrem Informanten "freiwillig und persönlich" von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden wurde. Laut der "New York Times" handelt es sich dabei um den Stabschef von US-Vizepräsident Dick Cheney, Lewis Libby.
Miller betonte nach der mehrstündigen Vernehmung vor einer Grand Jury in Washington, dass sie auch weiterhin in Beugehaft geblieben wäre, wenn nicht ihr Informant sie schriftlich und telefonisch zu einer Aussage gedrängt hätte. "Ich hoffe, dass meine lange Haft zumindest dazu beiträgt, das Verhältnis von Journalisten zu ihren Quellen zu stärken", sagte die Reporterin, die sich als "glücklich, frei zu sein", aber auch als "sehr müde" bezeichnete.
Druck aus dem Weißen Haus
Die Grand Jury untersucht die Enttarnung der CIA-Agentin Valerie Plame im Jahr 2003. Plames Ehemann, der ehemalige Diplomat Joseph Wilson, wirft der US-Regierung vor, ihre Identität aus Rache für seine kritischen Bemerkungen zum Irak-Krieg Preis gegeben zu haben.
Bis zum Freitag war unklar gewesen, welcher Regierungsmitarbeiter die CIA-Agentin in Gesprächen mit der Presse enttarnt hatte. US-Präsident George W. Bush hatte eine schonungslose Untersuchung des Falls und personelle Konsequenzen angekündigt, wenn sich herausstellen sollte, dass jemand im Weißen Haus geplaudert hätte.
Mehr Schutz gefordert
Im Fall Plame hatten mehrere Journalisten recherchiert. Ein Kollege von Judith Miller von der Zeitschrift "Time", Matt Cooper, dem ebenfalls Beugehaft angedroht worden war, entschloss sich in letzter Minute, einem Sonderermittler der Regierung wie verlangt Rede und Antwort zu stehen. Cooper wurde zuvor vom Stellvertretenden
Stabschef im Weißen Haus, Karl Rove, vom Versprechen des Stillschweigens entbunden. Dagegen ist der konservative Kolumnist Robert Novak, der den Namen der Agentin in einem Artikel enthüllte, weiter auf freiem Fuß.
Nach dem "Fall Plame" haben Politiker und Journalistenverbände einen besseren Schutz für Journalisten gefordert, die bei der Enthüllung von Skandalen darauf angewiesen sind, ihren Tipp-Gebern Vertraulichkeit zuzusichern. (stl)