Iran Syrien
13. Juli 2012Iran unterstütze das berechtigte Verlangen des Syrischen Volkes nach Reformen, ein Verlangen, das auch Präsident Assad inzwischen gehört habe und zu erfüllen versuche, erklärte der iranische Aussenminister Ali Akbar Salehi kürzlich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Syrien-Sondergesandten Kofi Annan in Teheran. Sichtlich erfreut erwiderte Annan, er glaube, Iran könne seinen Einfluss auf Syriens Präsident nutzen, um die Gewalt im Land zu beenden. Daher werde er, Annan, weiter mit der iranischen Regierung zusammenarbeiten.
Zentral gesteuerte Außenpolitik
Doch weder Außenminister Salehi noch Präsident Ahmadinedjad bestimmen die Grundsätze der iranischen Außenpolitik, das wissen längst die Eingeweihten. Als ob dieses offene Geheimnis eines letzten Beweises bedürfte, veröffentlichte am selben Tag, als Kofi Annan in Teheran weilte, die offizielle iranische Webseite "Iran Diplomacy" ein Interview mit dem Sohn von Ayatollah Djannait, dem Vorsitzenden des mächtigen "Wächterrates" - ein Regierungsgremium aus schiitischen Gelehrten, das über alle anderen Institutionen des Landes wacht.
Djannati Junior, der bis vor kurzem fast zehn Jahre lang Irans Botschafter in Kuwait war, plaudert in diesem Gespräch über die Schwierigkeiten der iranischen Außenpolitik, über die Isolation des Landes und über die Verachtung, die iranische Diplomaten selbst in den kleinen Scheichtümern am persischen Golf oft hinnehmen müssen. Offen sagt er, weder der Präsident, noch sein Außenminister hätten etwas Entscheidendes in der Außenpolitik zu sagen. Der oberste geistliche Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, entscheide selbst über die Details der Aussenpolitik, erklärte Djannati. Dies gelte vor allem für heikle Bereiche wie die Atompolitik, die Beziehung zu den USA oder eben die Haltung zu Syrien.
Zu Syrien aber hatte Khamenei vor einem Jahr - schon in den ersten Wochen des syrischen Aufstandes - jene Linie vorgegeben, die trotz aller Nuancen bis heute für die iranische Politik unverrückbar ist: Syriens Revolution gehöre nicht zum islamischen Erwachen in der arabischen Welt. Was in Ägypten, Tunesien, Jemen oder Bahrain geschehe, dürfe man nicht verwechseln mit den Ereignissen in Syrien. Dort seien, anders als in den anderen Ländern, Israel, der Westen und deren regionalen Verbündete am Werk. Sie verfolgten das Ziel, Syrien als Unterstützer der Palästinenser und ihrer radikal-islamischen Hamas-Organisation auszuschalten, hatte Khamenei im April 2011 vor einer Gruppe Parlamentsabgeordneter gesagt.
Unterstützung des Assad-Regimes
Außenminister Salehi, der im Ausland im Gegensatz zu seinem Regierungschef Ahmadinedschad, diplomatisch geschickt und mehrsprachig agiert, wird zwar in den iranischen Medien als Vermittler einer aktiven Aussenpolitik dargestellt, doch stets in Verbindung mit einschränkenden Propaganda-Kommentaren. Für die Medien, wie auch für die Politik gilt der Grundsatz, widerspruchslos der Linie des religiösen Führers zu folgen. Salehi dürfe sich zwar für das ausländische Publikum beweglich und dialogbereit präsentieren, sagen Experten. Doch Teherans eigentliche Position im Syrien-Konflikt sei eine andere. Aufmerksamen Beobachtern bleibe nicht verborgen, dass der Iran die syrischen Sicherheitskräfte unterstütze: mit Internetüberwachung, Waffenlieferungen und mit Personal. Westliche Regierungen vermuten schon seit einiger Zeit, dass der Iran das syrische Regime von Präsident Baschar Al-Assad auch militärisch unterstützt. Sie verdächtigen die sogenannten Al-Quds-Brigaden, eine Sondereinheit der iranischen Revolutionsgarden, die auf ausländische Einsätze spezialisiert ist, in Syrien mitzumischen.
Die britische Tageszeitung "Guardian" zitierte jüngst ein Interview, in dem der stellvertretende Kommandeur der Quds-Brigaden, Ismail Ghaani, den Einsatz iranischer Streitkräfte für Syriens Regime bestätigt. Ende Mai, eine Woche nach dem Massaker in der Stadt Houla, bei der 108 Menschen aus nächster Nähe erschossen wurden, hatte Ghaani gegenüber der Nachrichtenagentur ISNA gesagt: "Vor unserer Präsenz in Syrien wurden zu viele Menschen von der Opposition getötet. Aber dank der physischen und nicht-physischen militärischen und nicht- militärischen", Präsenz der islamischen Republik Iran konnten große Massaker in Syrien verhindert werden." Kurz nach der Veröffentlichung nahm die staatliche iranische Nachrichtenagentur das Interview wieder von ihrer Internetseite herunter. Die syrische Opposition hat zudem über die Videoplattform Youtube Aussagen von unterschiedlichen Personen veröffentlicht, die sich als Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden präsentieren.
Gewachsene Schicksalsgemeinschaft
Seit den ersten Tagen der Revolution 1978 gilt Syrien als Verbündeter der islamischen Republik Iran. Beide Staaten verband die Gegnerschaft gegen den Irak Saddam Husseins. Hafez Assad, Präsident Syriens von 1971 bis 2000, und seine nationalistische und säkulare Baath-Partei waren ebenso mit Saddam verfeindet, wie die kriegsführenden Revolutionäre in Teheran. Während alle arabischen Staaten im achtjährigen Iran-Irak-Krieg (1980 bis 1988) den irakischen Diktator mehr oder weniger unterstützten, blieb Syrien als einziger arabischer und mehrheitlich sunnitischer Staat fest auf der Seite des schiitischen Persiens. Das Bündnis überdauerte den Krieg und wuchs danach weiter, zum Beispiel mit der Unterstützung palästinensischer Widerstandsgruppen.
Iran fürchtet nun, dass sich der Westen diese lange und enge Verbindung zunutze machen möchte. Die westlichen Initiativen gegen das Assad-Regime sollen vor allem dazu dienen, Iran den Verbündeten zu rauben und das Land weiter in die Enge zu treiben, heißt es in Teheran. Das müsse mit allen Mitteln verhindert werden. Mit dieser vereinfachten Sichtweise läßt sich vieles rechtfertigen, selbst die Anwesenheit der Quds-Brigaden im syrischen Bürgerkrieg. Annans Plan, die Rebellen zu entwaffnen um das totalen Chaos zu verhindern sowie ein nationaler Dialog, an dem das Regime entscheidend beteiligt ist, ein solcher Plan wird von Teheran nicht nur verbal, sondern tatkräftig unterstützt.