Unternehmensnachfolger dringend gesucht!
27. August 2013Mittelständische, oftmals familiengeführte Unternehmen, gelten als stabile Säulen der deutschen Wirtschaft quer durch alle Branchen. Immerhin beschäftigen diese Unternehmen fast 70 Prozent aller Arbeitnehmer und bilden gut drei Viertel aller Lehrlinge aus. Auf ihrer Habenseite stehen ferner über 45 Prozent aller steuerpflichtigen Umsätze. Jedoch kann ein Chef aus Altersgründen nicht ewig die Geschicke seines Unternehmens steuern und es findet sich nicht immer ein geeigneter Erbe für den Posten innerhalb der Familie. So hat fast jedes dritte Familienunternehmen große Probleme, einen Nachfolger für die Führung zu finden.
"Nachfolger-Pool" soll helfen
Eine Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung hat gezeigt, dass bis 2014 bei etwa 110.000 Familienunternehmen eine Nachfolgeregelung gefunden werden muss. Und da vielfach kein Familienmitglied bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen, stehen nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) jedes Jahr mindestens 50.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Aus diesem Grund hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet einen Nachfolger-Pool ins Leben gerufen, dessen Mitglieder zur Übernahme von Unternehmen bereit stehen.
Angesprochen worden sei die IHK aber weniger von Altunternehmern, sondern vor allem von externen Interessenten für die Übernahme eines Unternehmens, so Stefan Grave. Folglich hielt man es für sinnvoll, "diese Leute in einen Pool zu bringen und deren Qualitäten systematisch zu erfassen". Sei es, weil die Nachkommen kein Interesse an dem Unternehmen zeigen - oder weil die Inhaber ihr Unternehmen verkaufen wollen, um sich in einen materiell gesicherten Ruhestand zurückzuziehen. So mancher Firmeninhaber, resümiert Stefan Grave, warte allerdings zu lange, um die Übergabe in die Wege zu leiten. Der IHK jedenfalls gehe es vorrangig um den Erhalt des Unternehmens und somit um die Sicherung von Arbeitsplätzen.
Das Angebot der IHK, sagt Stefan Grave, richte sich an Unternehmen mit zwischen zehn und 80 Mitarbeitern. "Und da reden wir über Kaufpreise in der Größenordnung zwischen einer halben Million und acht Millionen Euro. Das sind so die Spannen, die wir in der Vergangenheit begleitet haben."
Banken sind oft der Flaschenhals
Dem Nachfolger-Pool der IHK Mittleres Ruhrgebiet gehören zurzeit rund 40 Personen an. Darüber hinaus melden sich jährlich um die 20 Interessenten, die auf Herz und Nieren überprüft werden, von der Fachqualifikation bis zur finanziellen Liquidität. Doch selbst wenn sich der rückzugswillige Firmeninhaber und der am besten geeignete Kandidat aus dem Pool, auch was die persönliche Chemie anbelangt, handelseinig seien, komme es nicht automatisch in kurzer Zeit zu der Übernahme, so Grave. Nach seinen Erfahrungen können solche Nachfolgeregelungen bis zu drei Jahren dauern.
Der Vermittlungserfolg hängt schließlich von diversen Faktoren ab. Etwa von der Finanzierung durch die Hausbank, die sich in manchen Fällen als Flaschenhals erweist, der zu eng für die Übernahme ist. "Selbst wenn sich der Verkäufer und der Käufer einig sind und wir gut vermittelt haben", konstatiert Stefan Grave, "dann steht immer noch die Frage im Raum, ober der Käufer den Preis finanzieren kann".
Gefragt ist Führungskompetenz
Trotz der Hürden kann die IHK Mittleres Ruhrgebiet mehr als ein Dutzend geglückter Vermittlungen verbuchen. Auch weil man bei der Auswahl der Kandidaten für den Nachfolge-Pool strenge Kriterien anlegt. Das gilt nicht nur für den Kapitalnachweis des Übernahmeinteressenten, sondern auch für dessen fachliche Qualifikationen. So gehören dem Nachfolgerclub der IHK Mittleres Ruhrgebiet sowohl Banker, Ingenieure als auch Kaufleute an.
Gefragt seien in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch Kompetenzen zur Führung eines Unternehmens, versichert Stefan Grave. In der Regel handelt es sich bei den Bewerbern um Akademiker. Um in den Nachfolgerclub aufgenommen zu werden, legt die IHK zudem großen Wert auf entsprechende Erfahrung in der jeweiligen Branche. Mit anderen Worten: Erwartet wird auch Führungskompetenz. Denn wer Chef werden will, fügt Stefan Grave an, müsse auch in der Lage sein, einen Betrieb zu leiten. Und dabei kommt es nicht nur auf die fachliche Qualifikation an.
Und falls die Mitglieder dieses Clubs im Bezirk der IHK Mittleres Ruhrgebiet nicht das Unternehmen finden, das sie mit ihren überprüften Voraussetzungen gerne übernehmen würden, vermittelt die IHK ihre Kontakte an benachbarte Kammern.