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Unter Selbstmordattentätern

Philipp Jedicke9. Mai 2016

Der norwegische Filmemacher Paul S. Refsdal hat mitten im Bürgerkriegsgebiet in Nordsyrien ein eindrucksvolles Psychogramm vierer junger Dschihadisten gedreht. Im DW-Interview berichtet er von den Dreharbeiten.

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Filmstill aus der WDR-Koproduktion "Per Knopfdruck ins Paradies", Originaltitel: "Dugma - The Button". Regisseur Paul Refsdal filmt einen jungen Dschihadisten. Foto: WDR
Refsdal beim Dreh mit einem jungen britischen Dschihadisten der Al-Nusra-FrontBild: WDR

Paul S. Refsdal, 52, lotet in seinen Dokumentarfilmen psychische und ethische Grenzen aus. Seine Laufbahn als Kriegsreporter begann der Ex-Soldat im Alter von 20 Jahren in Afghanistan, als die Taliban gegen die sowjetische Besatzung kämpften. Danach berichtete Refsdal aus Bürgerkriegsschauplätzen wie Sri Lanka, Nicaragua, Kosovo und Peru – stets aus der Sicht von Rebellengruppen.

Während der Dreharbeiten für seinen Film "Taliban – Behind The Masks" wurde er 2009 in Afghanistan entführt und schwebte neun Tage lang in Lebensgefahr. Ihm wurde angedroht, vor laufender Kamera hingerichtet zu werden, wenn er nicht zum Islam konvertierte. Auch sein neuester Film "Dugma – The Button", über den Alltag von potenziellen Selbstmordattentätern in Nordsyrien, wird für Kontroversen sorgen.

Der vom WDR koproduzierte Film war in einer gekürzten Fassung unter dem Titel "Per Knopfdruck ins Paradies" bereits im TV zu sehen. "Dugma" ist ein eindrucksvolles Psychogramm junger Dschihadisten, die bereit sind, für den Kampf gegen das Assad-Regime ihr Leben zu opfern. Wir haben Refsdal in Köln getroffen und mit ihm über seine Faszination an der "anderen Seite" gesprochen.

Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Ihre Themen aus?

Ich versuche immer, die andere Seite der Geschichte zu zeigen, die "feindliche" Seite sozusagen. Das hat verschiedene Gründe. Als Muslim habe ich schon länger islamische Aufständische gedreht, eigentlich meine ganze journalistische Laufbahn lang. Für mich ist es perfekt so, wie es ist: Ich kann als Muslim mit den Leuten mitgehen, die ich porträtieren will, was sonst kaum ein anderer westlicher Journalist tun kann. Ich kann eine Seite zeigen, die sonst niemand zeigt.

Woher kommt Ihre Faszination für die "andere" Seite der Geschichte?

Aus meiner Kindheit. Ich war immer fasziniert von den nordamerikanischen Indianerstämmen, und der Art, wie sie kämpften. Und das habe ich wohl in die heutige Zeit übertragen. Dazu kommt, dass ich halb Deutscher, halb Norweger bin. Es stört mich, wie Deutsche auch 71 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs porträtiert werden. Nicht nur in Hollywood-Spielfilmen, auch in Dokumentarfilmen. Wie wenig objektiv Medien außerhalb Deutschlands sind, wenn es um Deutschland geht.

Als Kind einer deutschen Mutter, das für eine Weile in Schweden gelebt hatte, wurde ich von den anderen Schulkindern in Norwegen sehr gehänselt. Sie hatten von ihren Eltern gelernt, dass Deutsche böse sind. Und die Schweden hatten ja mit den Deutschen während des Krieges kooperiert, all so was halt. Ich empfinde eine gewisse Befriedigung dabei, die "feindliche" Sicht auf eine Geschichte zu erzählen. Außer mir tut es ja keiner.

Sie wurden 2009 in Afghanistan entführt und mussten zwangskonvertieren. Stimmt das?

Ja. Meine Entführer gaben mir vier Optionen: Nummer 1: Lösegeld. Sie wollten zuerst 500.000 US-Dollar, ich konnte sie aber auf 20.000 runterhandeln. Nummer 2: Gefangenenaustausch. Das war völlig unmöglich. Ausweg Nummer 3 war die Konvertierung zum Islam, und Nummer 4, dass sie mir den Kopf abschneiden. Da ich ohnehin mit dem Gedanken gespielt hatte, zu konvertieren, entschied ich mich für Option 3. Vielleicht war das Timing nicht ideal. Oder gerade doch. Jedenfalls konvertierte ich damals zum Islam und bin bis heute praktizierender Muslim.

Warum sind Sie nie zurück zum Christentum konvertiert?

Wenn man Gott ein Versprechen gibt, hält man es. Es gibt viele Arten, Muslim zu sein, nicht nur den Weg des IS. Ich denke, jeder Konvertit behält seine Persönlichkeit. Ich bin in einer liberalen, toleranten Gesellschaft aufgewachsen. Ich werde niemanden kritisieren, weil er mit der linken Hand isst oder homosexuell ist. Jeder soll tun, was er will. Es gibt natürlich auch Kriminelle, die zum Islam konvertieren. Sie nehmen ihre psychologischen Probleme mit. Sie verschwinden nicht, sondern ändern nur den Fokus. Solche Typen enden dann beim IS.

Sie standen angeblich auf einer Liste von Journalisten, die bei Osama bin Laden gefunden wurde. Was hat es damit auf sich?

Ein norwegischer Journalist rief mich eines Tages an und erzählte mir, dass ich auf der Liste anerkannter Journalisten sei, die an Osama bin Laden gesandt worden war. Ich musste laut lachen, weil ich dachte, er nimmt mich auf den Arm. Aber es stimmte, ich habe das Originaldokument gesehen. Es war vom ehemaligen Medienbeauftragten von Al-Qaida. Er war zwischenzeitlich bei einem amerikanischen Drohnenangriff getötet worden. In dem Brief schlug er einige Journalisten vor, denen Al-Qaida Informationen geben könne. Er schrieb, in Europa gäbe es diesen norwegischen Journalisten, der mit den Taliban gedreht hat und sie als ganz normale Menschen in Alltagssituationen gezeigt hat.

Filmstill aus der WDR-Koproduktion "Per Knopfdruck ins Paradies", Originaltitel: "Dugma - The Button". ReSaudi Abu Qaswara Al-Makki auf seinem Laster, der voll mit Sprengstoffbehältern ist. Foto: WDR
Der Saudi Abu Qaswara Al-Maki auf seinem Laster, der mit Sprengstoffbehältern beladen istBild: WDR

Das war wie eine Absichtserklärung für mich. Als ich Kontakt mit der Al-Nusra-Front , also Al-Qaida in Syrien aufnahm, bestätigten sie, dass ich auf der Liste anerkannter Journalisten sei. Ich weiß nicht, wie wichtig das wirklich für sie ist. Sie behaupten nämlich, dass jeder Journalist, der sie ernsthaft porträtieren wolle, sich dafür bewerben könne. Sie schauen sich angeblich alle Bewerbungen an, auch wenn man kein Moslem ist oder nicht auf dieser Liste steht.

Wie kamen Sie zu der Al-Nusra-Gruppe, die Sie porträtieren?

Ich ging 2013 das erste Mal nach Syrien und blieb den ganzen Sommer. 2014 traf ich dann den Medienbeauftragten von Al-Nusra. Er sagte, ich solle eine Bewerbung schreiben. Im Grunde war das wie eine Job-Bewerbung. Das Papier ist mir ganz gut gelungen. Ich beschrieb mich selbst und erwähnte sogar, dass ich jahrelang in der norwegischen Armee gedient hatte. Ich erzählte von meiner journalistischen Arbeit, von der bin-Laden-Liste und fügte Links zu meinen Arbeiten hinzu, zu YouTube-Videos und Artikeln über mich.

Ich beschrieb das Projekt und die Zielgruppe, die ich damit erreichen wollte. Diese bestand aus Nicht-Muslimen und Muslimen, die mit Al-Nusra nichts zu tun haben wollen. Und ich beschrieb, was ich hoffte zu bekommen: dass ich gerne über einen längeren Zeitraum mit einer kleinen Gruppe rangniedriger Soldaten leben und ihren Alltag darstellen wollte. Mehr konnte ich nicht sagen, weil ich ja nicht wusste, wie die Situation der Gruppe sein würde und was für Menschen ich treffen würde. Ganz am Ende des Sommers, als ich aufbrach, bekam ich die Antwort: "Sie sind zugelassen."

Wo genau liegt der Unterschied zwischen einer Dschihadistengruppe wie Al-Nusra und dem sogenannten Islamischen Staat?

Die Interpretation des Islam seitens des IS ist vergleichbar mit einem Mittagsbuffet. Der IS nimmt sich nur das Roastbeef und die Shrimps, den Rest lässt er liegen. Diesen Eindruck haben mir Rebellengruppen vermittelt, die es schon mal mit dem Islamischen Staat zu tun bekommen hatten. Sie wurden vom IS betrogen. Der IS passt seine Interpretation des Islam immer an die jeweilige Situation an. Zum Beispiel laden sie einen Kommandanten einer rivalisierenden Gruppe zu einem Gespräch ein, setzen ihn fest, foltern und töten ihn. Danach behaupten sie, er habe dem Islam abgeschworen.

Bei Mitgliedern der Al-Nusra-Front ist das anders. Sie versuchen, mit den meisten anderen Dschihadistengruppen in Syrien zu kooperieren. Sie lassen die Bevölkerung weitgehend in Ruhe und folgen einer Richtlinie des Kompromisses, auch im Fall von Drusen oder Christen. Sie wollen sie sich nicht zu Feinden machen. Der IS hingegen verhält sich anderen gegenüber sehr arrogant. Ein bisschen wie das berühmte Motto von George W. Bush: "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns."

Sie wollten ja zunächst gar keinen Film über Selbstmordattentäter machen.

Nein. Es hätte auch jemand sein können, der einen Mörser bedient oder jemand, der Panzer lahmlegt. Als ich das erste Mal bei Al-Nusra war, erkundigte ich mich einmal nach den Istisch hadi, den Märtyreranwärtern. So brachten sie mich mit dem Saudi zusammen. Er war so gar nicht der Typ Mensch, den ich erwartet hatte. Ich dachte, ich würde einen jungen, leicht fanatischen Mann kennenlernen, der keinerlei Verbindung zum Leben mehr hat. Und dann treffe ich diesen Kerl, und er ist so liebenswürdig. Er hat Kinder, eine kleine Tochter, die er noch nie getroffen hat, er kann sehr gut singen, seine Stimme ist einfach nur schön. Und er liebt Essen. Er kann gar nicht genug von gebratenem Hähnchen bekommen. Ich lernte ihn also kennen, und kurz danach sollte er die Operation durchführen. Also schrieb ich eine Art Bericht über ihn, den ich nach seinem Tod herausbringen wollte.

Eine Gruppe Dschihadisten der Al-Nusra-Front auf ihrem Frontposten mit der Kalaschnikow. Foto: WDR
Die Gruppe auf ihrem Frontposten mit der KalaschnikowBild: WDR

Als ich im darauffolgenden Sommer zurückkam, war er immer noch da. Und der Brite, den ich bei meiner ersten Reise interviewt hatte, erzählte mir ebenfalls, dass er eine Märtyreroperation durchführen wolle. Also dachte ich mir: "Vielleicht sollte ich die Männer von der Liste drehen." Und so kam es dann auch.

Was wissen Sie über diese Liste?

Jede Gegend hat ihre eigene. Zum Beispiel die Stadt Aleppo, die Region Aleppo, und so weiter. Man muss einfach nur den Kommandanten der jeweiligen Region ansprechen und sagen: "Ich will auf der Liste stehen." Aber sie ist sehr lang. Viele Leute wollen darauf sein, und Al-Nusra führen selten solche Operationen durch. Es können viele Wochen zwischen zwei solcher Operationen vergehen. Also wird die Liste immer länger und länger. Einer der Syrer erzählte mir, dass er seinen Namen auf die Liste gesetzt habe, aber es waren 50 Leute vor ihm darauf. Also entschied er sich zu heiraten anstatt zu warten, bis er drankommt.

Welcher der vier Protagonisten war das?

Abu Ali. Er bereitete sich auf seine Hochzeit vor, als ich ihn traf. In einer Sequenz meines Films sprechen die Kämpfer über Blumen. Abu Ali will welche für seine Verlobte pflücken, weil er romantisch sein will.

Das ist wie eine Parallelwelt. Auf der eine Seite dieser alltägliche Kram wie Blumenpflücken, Geschirr spülen, einkaufen, beten... Und auf der anderen Seite warten sie auf die Order, einen LKW mit fünf bis zehn Tonnen Sprengstoff an die Front zu fahren und sich in die Luft zu jagen.

Warum heiraten die Kämpfer überhaupt so kurz vor einem Einsatz?

Männer sind halt, wie sie sind. Wenn man 25 ist und noch nie mit einer Frau zusammen war, dann wollen sie halt diese Erfahrung machen.

Für den Fall, dass doch keine Jungfrauen im Paradies auf sie warten?

Wenn man sie fragt, reden sie von Pflichterfüllung. Aber sie sehen nichts Schlechtes darin, ein wenig Spaß am Leben zu haben. So Gott will, werden sie auch im Himmel Sinnesfreuden erfahren. Für Dschihadisten gibt es keine klare Trennung zwischen Leben und Tod. Der Tod ist für sie die Fortsetzung des Lebens. Er ist nichts Seltsames oder Furchterregendes. Ich habe das an ihren Reaktionen gesehen, wenn einer von ihnen ums Leben kam. Da ist eine gewisse Trauer, aber dann geht der Alltag wieder los. Es ist ganz normal, der Tote ist jetzt bei Gott. Der Tod schreckt sie nicht.

Die Auslöser der Sprengsätze auf einem LKW der Al-Nusra-Front. Foto: WDR
Die Auslöser der Sprengsätze in einem LKW der Al-Nusra-Front. Auf Arabisch heißt Auslöser "Dugma". Das ist auch der Originaltitel von Refsdals FilmBild: WDR

Überhaupt scheinen die Märtyreranwärter recht viel Galgenhumor zu haben.

Ja, besonders wenn sie Witze über den Islamischen Staat machen. Der IS hat wie gesagt völlig andere Grundsätze als sie. Er benutzt junge Männer als Kanonenfutter. Einer in einem LKW, der nächste in einem Jeep, beide vollgeladen mit Sprengstoff, einer nach dem anderen. Sie machen Witze darüber. Zum Beispiel: Ein IS-Kommandant braucht einen Durchbruch in seinem Haus. Also holt er sich einen Selbstmordattentäter.

Al-Nusra hat keinen Respekt vor dem IS, und das zurecht. Der IS schickt all diese Jugendlichen in den Tod. Bei Nusra wird jeder Anschlag genauestens vorbereitet. Der Märtyreranwärter muss sich den potenziellen Anschlagsort genau ansehen, um ihn einerseits zu kennen und andererseits sicher zu sein, dass dort keine Zivilisten leben. Diese Operationen sind sehr aufwändig. Deshalb sind bei Nusra etwa 50 Leute auf der Warteliste, und Operationen finden höchstens einmal im Monat oder alle paar Wochen statt.

Die Hauptprotagonisten Ihres Films sind ein Saudi und ein Brite. Erzählen Sie ein wenig von Ihnen.

Der britische Konvertit ist ein typischer weißer Engländer aus der Mittelklasse. Er hat mir nicht viel über seinen Hintergrund erzählt, nur dass sein Vater Amerikaner und seine Mutter Engländerin ist. Er ist konvertiert, als er mit seiner Mutter und seinem Stiefvater in Urlaub in Ägypten war. Er erschien in einem Nusra-Video kurz nach meiner Rückkehr nach Norwegen. Die englische Presse stellte Nachforschungen über ihn an und identifizerten ihn und erzählten seine Geschichte. Er ist jung, Mitte 20, und er ringt mit sich. Es war nicht einfach für ihn, seiner Familie zu verlassen. Jedesmal, wenn er seine Mutter anruft, versucht sie, ihn zur Rückkehr zu überreden.

Abu Qaswara Al-Makki betrachtet auf Skype seine jüngste Tochter
Seine jüngste Tochter im fernen Saudi-Arabien kennt Abu Qaswara Al-Makki nur aus den Videos, die ihm seine Frau schicktBild: WDR

Der Saudi liebt das Leben. Seine zwei größten Leidenschaften sind es, Allah zu dienen und zu essen. Er isst, wann immer es geht. Das sieht man ihm an. Er hat eine wunderschöne Stimme, und er singt Koranverse. Er hat in Saudi-Arabien als Sicherheitsmann gearbeitet. Sein Vater ist sehr wohlhabend. Er hat eine Frau und zwei Kinder. Seine jüngste Tochter hat er noch nie gesehen, nur auf Skype oder in den Videos, die ihm seine Frau zuschickt.

Was sind Ihre Prinzipien bei einem Dreh?

Bei diesem Film wollte ich reiner Beobachter sein. Ich bin nicht der Typ Journalist, der sich selbst filmt. Ich will auch nicht der Narzisst sein, der sagt: "Ich gehe jetzt aufs Klo, und das wird sehr gefährlich werden." Man sieht ja viel von diesem Mist. Im Journalismus gibt es leider viele solcher Egos – Leute, die sich selbst und ihr Spiegelbild lieben. Ich bin in meinem Film nicht zu sehen. Natürlich kann man meine Stimme hin und wieder hören, weil ich ab und zu Fragen stellen musste. Ich wollte auch lange bleiben, um Alltagssituationen so authentisch wie möglich zeigen zu können. Ich wollte nichts arrangieren. Einmal wollte der Saudi an die Front, und es sah einfach nicht echt aus. Also habe ich die Szene am Ende weggelassen, weil sie arrangiert wirkte. Ich füge auch keine Extrasounds hinzu.

Ich verzichte auf eine Kommentarstimme, weil ich den Leuten nicht erzählen will, was sie denken sollen. Ich will nicht sagen "das hier sind Terroristen" oder "das hier sind Freiheitskämpfer." Die Leute sollen das für sich selbst entscheiden. Wenn sie den Film sehen, sollen sie selbst darüber nachdenken, was sie von diesen Leuten und ihren Plänen, sich in die Luft zu sprengen, halten. Ich will das nicht steuern und finde, Dokumentarfilmer unterschätzen ihre Zuschauerschaft hin und wieder. Sie denken, sie müssen den Leuten sagen: "Das hier sind die Bösen und das hier die Guten. Und die werden gewinnen."

Paul Refsdal
Der norwegische Filmemacher Paul RefsdalBild: WDR

Mein Film ist sehr langsam und zeigt Alltagssituationen. Ich will eine Ahnung der Atmosphäre vermitteln. Sicher werden einige angewidert sein und sagen: "Wie können die Kerle glauben, dass sie in den Himmel kommen, indem sie mit einem LKW in Gruppen syrischer Soldaten fahren und sich in die Luft jagen?" Manche werden aber vielleicht auch sagen: "Das soll Al-Qaida sein? Wie geht das? Ich hätte nie gedacht, dass diese Männer so normal sind."

Wie geht Ihre Familie mit Ihrem Job um?

Ich schicke meiner Familie jeden Tag eine Nachricht. Normalerweise kontaktiere ich meine drei Kinder und meine Mutter. Wenn ich nur einen von ihnen erreiche, bitte ich sie, es den anderen weiterzugeben. Ich erzähle dann immer, dass alles furchtbar langweilig sei. Der Alltag in Syrien ist nicht ständig brandgefährlich, aber die Gefahren kommen plötzlich und unerwartet. Man kann nachts bombardiert werden.

Was für Sicherheitsvorkehrungen treffen Sie vor einem Dreh?

Ich habe Nusra um Erlaubnis gebeten und bin nicht einfach aufgekreuzt und habe gesagt: "Hi, darf ich hier drehen?" Das würde nicht gutgehen. Ich habe angefragt, die Zusage bekommen, und das war's. Du bist dann in den Händen dieser Menschen. Wenn sie dir etwas antun wollen, kannst du nichts dagegen tun. Ich habe ihnen vertraut und sie mir. Daher hatte ich keinerlei Probleme. Aber natürlich ist das ein Kriegsgebiet, und die syrische Armee bombardiert wild in der Gegend herum. Sie werfen Bomben auf belebte Marktplätze oder auf Moscheen während des Freitagsgebets. Ich habe auch erlebt, wie Helikopter Fassbomben abwerfen. Das macht die syrische Armee sehr oft.

Hilft Ihnen Ihre Militärausbildung in solchen Situationen?

Nein. Wenn du eine Fassbombe hörst, wirfst du dich einfach auf den Boden.

Das Interview führte Philipp Jedicke.

Paul S. Refsdals Film "Dugma - The Button" feierte seine Kino-Weltpremiere beim internationalen Dokumentarfilmfestival Hot Docs, das vom 28. April bis zum 8. Mai 2016 in Toronto stattfand.